Gemeinderat, 62. Sitzung vom 29.01.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 78 von 103
Menschen ausgetrieben wird, dann kommt das nicht mehr zurück! Wenn in einer Wirtschaft nur noch auf Pump konsumiert und investiert wird, dann kann das nicht gutgehen. Es muss ein Gleichgewicht zwischen Haben und Soll geben: Je mehr das im Gleichgewicht ist, desto besser ist es. Die einen sparen etwas, damit die anderen etwas investieren oder von mir aus auch auf Kredit konsumieren können.
Wenn nichts mehr gespart wird, wenn nur noch Kredite genommen werden, kann das nicht gutgehen. Das führt letztendlich dazu, dass wir gleich mit DKT-Geld spielen können, indem wir sagen, kopiert euch das Geld selber! Die EZB - da wird ja schon überlegt, ob man den Leuten nicht gleich ein paar Tausender geben soll. Na ja, das kann man sich, glaube ich, ausrechnen, da muss man nicht einmal auf der Volkshochschule einen Volkswirtschaftskurs besuchen: Das kann und wird auch nicht gutgehen! Ich hoffe auch, dass es nicht so weit kommen wird.
Deswegen ist die Frage zu stellen: Wieso hat man die letzten zwei, drei Jahre nicht dazu genützt, aus diesem Abenteuer auszusteigen? Das wäre gesichtswahrend möglich gewesen, es wären sicher auch alle an Bord gewesen, wenn das gutgegangen wäre. Jetzt kann man nur mehr hoffen, dass es nicht noch schlechter wird. Die Hoffnung, dass der Franken sich maßgeblich abschwächen wird, ist angesichts der weltpolitischen und sonstigen, auch der Währungsturbulenzen, glaube ich, eine verfehlte Hoffnung.
Es ist vieles schiefgegangen, und dafür müssen Sie letztendlich schon auch die Verantwortung übernehmen. Aber wichtig wäre auch einmal das Eingeständnis, dass man da in den letzten Jahren vielleicht doch vieles versäumt hat. Hören Sie auf, ständig vor Neoliberalen zu warnen, wenn Sie selber zumindest als neoliberale Trittbrettfahrer agiert haben! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zum Wort gemeldet hat sich GR Mag Reindl. Ich erteile es ihm.
GR Mag Thomas Reindl (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, liebe Renate!
Ich muss schon sagen, ich tue mir mit meinen Vorrednern sehr schwer, weil auf der einen Seite über Begrifflichkeiten gesprochen wird, die teilweise einfach falsch sind. Die Frau Vizebürgermeisterin hat in ihrer Anfragebeantwortung schon auf einige Dinge hingewiesen, wo das Grundverständnis ja vor allem auf Seiten der FPÖ fehlt.
Um auf gewisse Punkte einzugehen: Wenn hier zum Beispiel die Rede davon ist, dass wir in Schweizer Franken veranlagen, dann hat man die Grundprinzipien des Wirtschaftens einfach nicht verstanden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das können Sie in Ihrem Dringlichen Antrag nachlesen.
Auch den fixen Schweizer Franken/Euro-Wechselkurs gibt es nicht. Den gibt es nicht: Es war immer ein Zielkorridor der Schweizer Bank (GR Mag Wolfgang Jung: An der Untergrenze!), aber nie ein Zielkorridor der EZB, geschweige denn ein Zielkorridor für den Euro. Es ging um ein innerschweizerisches Problem: Es diente zur Stützung der Schweizer Wirtschaft, aber nicht dazu, dem Euro zu helfen. (Heiterkeit bei GR Mag Wolfgang Jung.)
Es wundert mich ja: Bei den vielen Vorwürfen, die Sie heute der Frau Vizebürgermeisterin gemacht haben (GR Mag Wolfgang Jung: Dem Euro ist vielleicht nicht mehr zu helfen!), fehlt mir eigentlich nur noch, dass sie an der ganzen Abwertung, die jetzt der Euro gegenüber dem Schweizer Franken gemacht hat, auch noch schuld ist.
Wahrscheinlich ist die Frau Vizebürgermeisterin auch daran schuld, dass die Sanktionen gegen Russland verhängt werden (GR Mag Wolfgang Jung: Aber die Nationalbank hat die ganzen Eurogeschichten mitgemacht! Das wissen Sie!) und infolgedessen ein paar Milliarden aus Russland in Richtung Schweiz unterwegs sind, unter dem Motto: Lieber von 100 Millionen EUR 96 Millionen sicher in der Schweiz als 100 Millionen in Moskau! Aber fragen Sie einmal Ihre russischen Freunde, wie die das sehen und wie sich das auf die Wirtschaft auswirkt.
Es hat überhaupt nichts mit der EZB zu tun, dass der Schweizer Franken abwerten muss, sondern es hat damit zu tun (GR Dominik Nepp: ... muss nicht abwerten ...), dass aus Russland und aus mit Russland befreundeten Ländern Milliardenvermögen abgezogen werden. Milliardenvermögen wurden abgezogen und in die Schweiz transferiert. Es war nicht das „Quantitative Easing“ der EZB, das zu diesem Schritt geführt hat, sondern der Mittelzufluss.
Ich will kein Prophet sein, aber die Schweizer (GR Mag Wolfgang Jung: Das ist „Konsum“-Nationalökonomie, was Sie uns erzählen, Herr Kollege! Der hat schon Pleite gemacht!) haben heute eine Art Vermögenssteuer eingeführt, indem jeder, der einen Schweizer Franken veranlagt, mindestens 1 Prozent - und jetzt rede ich vom Mittelkurs, effektiv sind es ja schon 1,5 Prozent - an Zinsen bezahlen muss. Das heißt, mein Vermögen, das ich in die Schweiz transferiere, wird besteuert. Und die Schweizer sind noch nicht am Ende, meine Damen und Herren: Sie werden heute oder morgen noch Transfergebühren einführen, und sie werden eventuell auch Beschränkungen einführen, dass man nicht mehr mit beliebig viel der Mittel, der Euro in Schweizer Franken gehen kann, oder auch der russischen Rubel oder US-Dollar.
Das ist in Wirklichkeit der Hintergrund. Aber das kann ich der SPÖ und den GRÜNEN und Teilen der ÖVP erzählen, die verstehen es und wissen, wovon ich rede. Bei Ihnen, glaube ich, ist es sinnlos, es zu erzählen (Heiterkeit bei GR Mag Rüdiger Maresch.), genauso sinnlos wie die vielen, vielen Sitzungen im Finanzausschuss, wo in fast jeder Sitzung der Herr Schock unaufhaltsam dieselben Fragen gestellt hat und immer wieder gute und sehr gute Auskünfte bekommen hat, Antworten bekommen hat, Papiere bekommen hat. Das alles zählt nichts, das wischen Sie vom Tisch. Ihnen geht es einfach darum zu skandalisieren!
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