Gemeinderat, 2. Sitzung vom 10.12.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 125
steigt der Anteil der Wiener Insolvenzen auf 38,4 Prozent an, und das bedeutet, dass 4 von 10 Insolvenzen Österreichs in Wien stattfinden. Bei den Unternehmensinsolvenzen gab es zuletzt österreichweit eine deutliche Entspannung, und zwar ein Minus von 7 Prozent. In Wien hingegen verharrten diese Zahlen in etwa auf dem Vorjahresniveau, es gab nur ein Minus von 0,5 Prozent. Österreichweit gab es also ein Minus von 7 Prozent, in Wien nur ein Minus von 0,5 Prozent! Mit einem Anteil von 32,5 Prozent findet bereits jede dritte Unternehmenspleite in Wien statt. In Wien gibt es pro Tag 16 Insolvenzen, davon etwa 5 Unternehmensinsolvenzen. In diesen 2 Tagen unserer Budgetdebatte gehen in Wien 10 Unternehmen pleite, und das ist doch entsetzlich, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)
Dies hat auch zur Folge, dass viele Betriebe Mitarbeiter abbauen oder ihre Betriebe gar schließen müssen. Jeder fünfte Klein- und Mittelbetrieb hat heuer schon Mitarbeiter abgebaut.
Und um es noch deutlicher auszudrücken: Die Arbeitslosigkeit wird auch 2016 weiter steigen. Das ist deshalb unerfreulich, da in Wien die Arbeitslosigkeit zuletzt stark angestiegen ist. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat dies wie folgt kommentiert - ich zitiere: „Die Zahl der Arbeitslosen steigt in Wien bereits seit Herbst/Winter 2013 durchgängig schneller an als im Mittel aller Bundesländer. Besonders drastisch verlief der Anstieg der Arbeitslosigkeit - wie in den vorangegangenen Quartalen - daher in Wien mit plus 23,6 Prozent insgesamt.“ - So das WIFO.
Leider ist auch die Jugendarbeitslosigkeit in Wien stark gestiegen. Wien war übrigens beim Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit der Spitzenreiter unter allen Bundesländern. Die Frau Stadtrat hat von Ausbildungsgarantie gesprochen: Das ist offensichtlich reines Wunschdenken!
Die angespannte Situation bei den KMU bewirkt also nicht nur eine Steigerung der Insolvenzen, sondern es gehen auch Arbeitsplätze verloren. Das können doch nicht die Politik und das Ziel einer rot-grünen Stadtregierung sein! Es wäre doch Aufgabe der Frau Finanzstadtrat, dem größten Arbeitgeber Wiens die notwendige Unterstützung zu geben! Ich erinnere daran: Die Wirtschaftsförderung betrug 2010 117 Millionen EUR, bis 2015 erfolgte eine Kürzung auf 72 Millionen EUR. Die geplante Erhöhung der Wirtschaftsförderung für 2016 von 72 Millionen auf 80 Millionen EUR, also um plus 8 Millionen EUR, ist gegenüber dem Minus von 2010 bis 2015 in Höhe von 45 Millionen EUR wirklich bescheiden!
Sehr geehrte Frau Stadtrat! Mir ist schon klar, dass KMU und EPU in Wien keine Headquarters errichten. Denken und unterstützen Sie aber bitte dennoch diese Unternehmen zum Wohle der Stadt Wien auch im Sinne der Arbeitsplatzsicherung!
Ich ende mit zwei Zitaten des Herrn Bürgermeisters, der in seiner Regierungserklärung 2010 im Zusammenhang mit KMU sagte: „Wir reden hier von jenen Unternehmen, die den überwiegenden Teil der Wiener Wirtschaft ausmachen.“ In seiner Regierungserklärung 2015 sagte der Herr Bürgermeister: „Wien ist eine offene und tolerante Stadt, in der niemand zurückgelassen wird.“ - Auf die KMU trifft diese Aussage offensichtlich nicht zu! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Dipl.-Ing. Margulies. Die selbstgewählte Redezeit, die ich eingebe, beträgt 5 Minuten, die fraktionelle Restredezeit 8 Minuten.
GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich werde versuchen, auf ein paar Wortmeldungen meiner Vorgänger und Vorgängerinnen einzugehen. - Ich möchte vorweg betonen, dass mir die Europadebatte heute in Summe ausnehmend gut gefallen hat. Ich finde das wirklich toll! Wahrscheinlich wäre es wirklich sinnvoll und zielführend, dieser Thematik hier zukünftig noch mehr Raum einzuräumen.
Nichtsdestoweniger komme ich jetzt wieder zurück zur Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaft und Wiener Stadtwerke und erlaube mir eine kurze Vorbemerkung zu Kollegen Stark, der erwähnt hat, dass er das Programm mehrere Male durchgelesen hat. - Was ich aber dann tatsächlich nicht verstehe, ist, warum Sie dann nicht einen der zentralsten Punkte erwähnen, dass nämlich die Stadt Wien hinkünftig noch stärker versuchen wird, im Hinblick auf die Milliarden, die das Auftragsvolumen der Stadt Wien ausmachen, die Vergabekriterien der Stadt Wien vor allem noch stärker zu Gunsten der lokalen Wirtschaft auszulegen, damit das Geld tatsächlich in der Region bleibt.
Das ist etwas, was für die Wirtschaft zentral ist und wovon sich, wie ich glaube, viele andere ein Scherzel abschneiden könnten, wenn sie auch so agieren würden. Warum erwähnen Sie nicht, was in großem Ausmaß jetzt genau für die EPU und für viele Kleinunternehmer forciert werden soll, dass nämlich verstärkt Bietergemeinschaften zugelassen werden sollen und dass sich auch kleinere Einzelunternehmer für größere Lose, die normalerweise einen größeren Umfang erfordern, zusammenschließen können? Und es gibt da viele Punkte mehr. Ich wollte jetzt nur zwei herausgreifen und Ihnen entgegenhalten, wenn Sie sagen, dass bezüglich Wirtschaftspolitik nichts drinnensteht.
Ich weiß nicht, wessen Regierungsprogramm Sie gelesen haben, offenbar nicht das von Rot-Grün II! Ich denke, da müssen wir uns überhaupt nichts vorwerfen lassen!
Ich komme zu einem anderen Punkt, der schon ein paar Mal angesprochen wurde, nämlich zur Frage der Schulden, und möchte die vielen Finanzexperten beziehungsweise Unternehmensexperten, die hier im Raum sitzen und über die Verschuldung der Stadt Wien reden, fragen, wie denn folgendes Unternehmen einzuschätzen ist: Wie würden Sie ein Unternehmen bewerten, das ein Anlagevermögen von 1,8 Milliarden EUR und ein Umlaufvermögen von 0,2 Milliarden EUR, also ein Vermögen von 2 Milliarden EUR hat, und dem gegenüber 300 Millionen EUR als Verbindlichkeit und knapp 1,7 Milliarden EUR als Eigenkapital stehen? - Das ist doch ein hoch solventes Unternehmen! Im Hinblick darauf würde
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