Gemeinderat, 1. Sitzung vom 24.11.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 59
November waren beim Arbeitsmarktservice fast 150.000 Menschen ohne Arbeitsplatz und in Schulungen gemeldet – das entspricht ungefähr der Größe von Floridsdorf, immerhin Wiens drittgrößtem Bezirk! –, und die nicht vorhandenen Maßnahmen im bildungs- und wirtschaftspolitischen Bereich haben dazu geführt, dass Wien zwar 20 Prozent der Bevölkerung Österreichs, aber auch 60 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher beheimatet. Und die einzige wirkliche Jobmaßnahme, die wir sehen und die auch wirkt, ist das Beauftragtenunwesen für die Grün-Genossen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Diese Maßnahme wirkt, dort gibt es immer mehr! (Beifall bei der ÖVP.)
Es gibt aus meiner Sicht überhaupt zwei große Baustellen, die auf eine ganz interessante Art und Weise behandelt werden, nämlich Integration und Bildung: Gerade bei der Integration wirkt das Verhalten der Stadtregierung wie eine Vogel-Strauß-Strategie, indem man einfach wegschaut. Denn wenn im Pakt festgehalten wird, dass es darum geht, die Willkommenskultur zu stärken, dann kann das wohl angesichts der Herausforderungen im Migrationsbereich nicht der richtige Ansatz sein! Fragen Sie Ihre Bezirksvorsteher und Bezirksvorsteherinnen in den Flächenbezirken! Diese werden Ihnen alle sagen, dass Sie damit auf dem grünbemalten Holzweg zu Hause sind, was Integrationspolitik betrifft! (Beifall bei der ÖVP.)
Im Bereich der Bildungspolitik ist schon einiges gesagt worden. Aber ganz ehrlich: Ich verstehe nicht, warum es noch immer ein Festhalten an der Gesamtschule gibt, wenn die Gesamtschule, die bereits existiert, nämlich die Volksschule, ein Viertel Absolventen produziert, die nicht ausreichend lesen können! Ich verstehe ganz einfach nicht, dass man angesichts dieser Tatsache dieses Modell noch ausbauen will, und deswegen habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass bei der Bildungsreform auf Bundesebene der flächendeckende Anschlag auf die Wahlfreiheit im Bildungssystem in Wien eben nicht stattfinden kann, was zu einem Gutteil auch gelungen ist. (Beifall bei der ÖVP.)
Die inhaltlichen Defizite dieses Koalitionspaktes erschließen sich auf zirka 130 Seiten. Es liegt aber in der DNA der Österreichischen Volkspartei, eine konstruktive Oppositionspartei zu sein, und deswegen werden wir auch konstruktive Lösungsvorschläge für die verschiedenen Probleme anbieten. Wir werden regelmäßig Anträge einbringen, um es der Stadtregierung möglich zu machen, anhand dieser Anträge positive Stadtpolitik zu betreiben und mit Hilfe der ÖVP das Leben der Wienerinnen und Wiener zu verbessern. Die ersten Möglichkeiten wird es heute geben. Entsprechende Anträge werden von meinen Kolleginnen und Kollegen eingebracht werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zurückkommen zu meinem Einstandsgeschenk: Der Eiffelturm ist anlässlich der 100-jährigen Wiederkehr der Französischen Revolution errichtet worden und soll uns an die Werte des Bürgertums erinnern, welches gegen Unterdrückung und Fremdbestimmung aufgestanden ist. Es ging darum, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, bei welchem persönliche Entfaltung mehr zählt als das Diktat des Staates, und auf Basis dieser Grundprinzipien des Zusammenlebens ist auch unser liberaler Rechtsstaat entstanden.
Die Gebots- und Verbotspolitik dieser Stadtregierung wird diesen ursprünglichen Werten der bürgerlichen Revolution eindeutig nicht mehr gerecht, und wenn Sie am Wahlabend gesagt haben, Herr Bürgermeister, dass kein Auftrag besteht, so weiterzumachen wie bisher, dann werden wir diesen Anspruch für Sie erfüllen! Wir werden eine Bürgerverträglichkeitsprüfung für alle Vorhaben der rot-grünen Stadtregierung fordern, wobei es darum geht, mehr Freiheit für die Bürgerinnen und Bürger Wiens sicherzustellen! Und wir werden die gesamte Opposition auffordern, uns dabei zu helfen, diese Stadtregierung zu kontrollieren und gemeinsam weniger Zwang und mehr Freiheit zu erreichen. (Beifall bei der ÖVP.)
Ein abschließender Satz: Wenn in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung verankert wurde, dann fordern wir das Recht auf Widerstand gegen Bevormundung! Dafür werden wir kämpfen! – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Zum Wort gemeldet ist nunmehr Herr GR Ellensohn. Ich erteile ihm das Wort.
GR David Ellensohn (GRÜNE): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
„Eine Stadt, zwei Millionen Chancen.“ – Ich könnte jetzt versuchen, Ihnen aus den mehr als 130 Seiten zwar nicht alles, aber die Top-Punkte noch einmal vorzutragen. Der Herr Bürgermeister und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou haben das jedoch schon sehr ausführlich getan.
Ich möchte mich zuerst einmal bei Herrn Blümel bedanken, dem ich jetzt das erste Mal zuhören konnte, weil Sie etwas eingebracht haben, was mir bei der politischen Arbeit nützt: Sie haben nämlich angefangen, von Ideologie zu sprechen, und haben dann Ihre eigene breit ausgewalzt. – Da ich sowieso glaube, dass Politik Interessenabwägung ist und sehr wohl mit Ideologie zu tun hat, und nicht dem Schmäh daherkomme, dass Politik komplett ideologiefrei ist, bin ich Ihnen dafür ganz dankbar!
Beim Zuhören hätte ich eigentlich vorgehabt, die NEOS zu begrüßen, die neu im Haus sind, und ihnen meine Hoffnung auszudrücken, dass der konstruktive Teil überwiegt. Ich weiß nämlich, dass die nächsten Jahre schwierig für eine Oppositionspartei sein werden. Ich weiß das, ich habe ja schon beides hinter mir und es einmal noch vor mir. (Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Und ich hätte dann auch noch eine Hoffnung gehabt. Wir haben in der Bank kurz gewitzelt: Christoph Chorherr, der schon lange hier ist, hat gesagt: „Das ist jetzt seine erste Rede, und er ist der neue Chef bei der ÖVP, begrüß ihn freundlich!“ – Ich habe ihm aber natürlich die ganze Zeit zugehört und habe dann gesagt: „Das wird auf Grund des Textes jetzt ein bisschen schwieriger.“
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