Gemeinderat, 61. Sitzung vom 19.12.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 83 von 147
rung in der Stadt. Sie legt die Fußgängerzonen für bestimmte Zeiten fest.“ Ja bitte, wie wollen Sie denn den Lärm und die Erschütterung in der Stadt überprüfen? Ich empfehle Ihnen dann, nach Liesing in die Kaltenleutgebner Straße zu kommen, wo die Straße seit 15 Jahren nicht hergerichtet ist, die schweren LKW bis zu 25 cm tiefe Löcher produziert haben und wo der Lärm in der Früh unerträglich ist. Aber bitte, was hat das in einer solchen Deklaration zu suchen, meine Damen und Herren? Das kann ich mir nicht vorstellen.
Ich bringe Ihnen noch abschließend ein paar andere typische Beispiele. Sie wollen die Zivilgesellschaft beteiligen. Das hört sich gut an, ich zitiere: „Kultur kann sich nur entwickeln, wenn die umfassende Teilnahme der Bewohner und der Stadt und zivilgesellschaftliche Organisationen an Entscheidungsprozessen gefördert unterstützt werden.“ Dann werden Sie sich, wir haben‘s ja heute auch schon gehört, aber einen ganz einen anderen Umgang mit Petitionen und mit den Bürgern in dieser Stadt angewöhnen müssen. Aber dort geht’s ja nicht um die Menschenrechte, da geht’s ja bloß um die Bürgerrechte.
Oder: „Die Stadt Wien strebt danach, vorhandene Formen der kontinuierlichen und nachhaltigen Einbindung der Bewohner und Bewohnerinnen in Planungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse weiterzuentwickeln und im Sinn eines respektvollen Umganges mit den vielfältigen Expertisen zivilgesellschaftlicher Organisationen wirksam werden zu lassen.“ Ich nehme an, das haben die GRÜNEN da hineingedrückt, wunderschöne Formulierungen. In der Praxis aber, auch das haben wir heute gehört, haperts hinten und vorne bei Ihrem Umgang mit diesen Bürgergruppen. Sie lehnen sich da sehr weit aus dem Fenster, auch für Personen, die in Wien, abgesehen von Einzelfällen, eigentlich in eine Welt kommen, in der es ihnen ohnehin viel, viel besser geht. Sie lehnen sich für die hinaus und Sie lassen die eigenen Bürger im Stich, meine Damen und Herren, jene, die in Gemeindebauten und Schulen gemobbt werden, die sich in den Öffis abends nicht mehr sicher fühlen, und die keine leistbaren Wohnungen bekommen, weil Zuwandererfamilien vorgezogen werden, obwohl die Gemeindebauten zum Großteil aus den Abgaben ihrer Großeltern und Urgroßeltern finanziert wurden und auch von diesen gebaut wurden. Sie, meine Damen und Herren, haben den Heizkostenzuschuss abgeschafft und lassen Bürger in der Stadt frieren! Wir haben gestern, wer‘s gesehen hat, eine wirklich erschütternde Sendung im Fernsehen über diese Thematik gehabt. Sie haben diesen Heizkostenzuschuss abgeschafft, 400 000 Menschen frieren in Österreich oder können nicht ausreichend heizen, und ein beträchtlicher Teil davon ist in Wien.
Sie wollen Wien verändern, haben Sie gesagt. Sie haben es in den letzten Jahrzehnten schon verändert! Die Kriminalität steigt, die Arbeitslosigkeit ist die höchste seit dem Zweiten Weltkrieg, das Niveau unserer Schulen und Universitäten, siehe Uni-Ranking der letzten Ausgabe, sinkt kontinuierlich. Ein Viertel unserer Schulabgänger kann nicht sinnerfassend lesen, schreiben und rechnen. Da war‘s zu Maria Theresias Zeiten besser. Und Wohnungen sind für junge Leute fast unerschwinglich. Wir haben Probleme, meine Damen und Herren, die Sie lösen sollten, nur das geht halt nicht mit Resolutionen. Da muss man auch was tun und einen sinnvollen Mitteleinsatz haben und nicht 42 oder 45 Millionen für Werbung ausgeben. (Beifall bei der FPÖ.) Aber da haben Sie schon resigniert, oder Sie suchen sich andere Zielgruppen als Wähler. In Deutschland existieren ähnliche, noch dringendere Probleme. Der Bürgermeister von Berlin hat sich deswegen und wegen eines unglaublichen Schuldenberges schon aus dem Amt geschlichen. Dort sind ganze Bezirke bereits unregierbar, aber die fassen noch mehr Resolutionen als wir. Nur, wir haben eins gelernt: Deutsche Zustände kommen mit einigen Jahren Verspätung zu uns. Die Bürger dort verstehen die Politik und ihre Politiker nicht mehr und sie gehen seit einigen Wochen, ausgehend von Dresden, wöchentlich zu Zehntausenden auf die Straße. Und das politische Establishment? Das hat man am letzten Montag gesehen, als plötzlich in allen deutschen Fernsehsendern die Programme geändert wurden und die Diskussionen angesetzt waren. Dieses politische Establishment ist fassungslos wie einst die Politruks in der DDR gegenüber diesem Volkswillen gestanden sind. „Ja dürfen‘s denn des“ würde man in Wien sagen wie der Kaiser Ferdinand, der Gütige, wie man ihn genannt hat, einmal anlässlich der Revolution gesagt hat, als man ihm die Fenster in der Hofburg eingeschmissen hat. Ja dürfen‘s denn das?
Aber es ist nur eine Frage der Zeit, meine Damen und Herren, bis das rote Biedermeier in dieser Stadt zu Ende geht. Einen kleinen Vormärz werden wir vielleicht schon im nächsten Frühling erleben und im neuen Jahr. Und dann wird nicht nach Resolutionen gerufen, sondern dann wird gerufen: „Wir sind das Volk!“ Das sag‘ ich Ihnen! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als nächster Redner zum Wort gemeldet ist Herr GR DR Aigner. Ich erteile ihm das Wort.
GR Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Es ist ja schon einiges gesagt worden, aber in der Aktuellen Stunde war ja nur fünf Minuten Zeit, daher noch ein paar Dinge zum Detail: So groß ist der heutige Tag und so toll ist der Schritt wirklich nicht. Ich darf Sie erinnern, seit 1.1.1812 steht im ABGB im § 16: „Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als Person zu betrachten.“ Und das Westgalizische Gesetzbuch wurde als Vorgänger des ABGB in Teilen der österreichisch-ungarischen Monarchie in Kraft gesetzt, probehalber irgendwann im Jahr 1783. Sogar vor der Französischen Revolution hat man schon so ein Grundgesetz gehabt, dass der Mensch eine Person und keine Sache ist und dass das Rechte sind, die nicht vom Staat verliehen werden, sondern die schon von der Vernunft einleuchten. Das ist die alte Tradition des christlichen, des katholischen Naturrechtes, die bei uns bis heute im Gesetz drinsteht. Aufbauend auf dieser Menschenrechtstradition ist im Jahr 1867 das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte und Pflichten der Staatsbürger als eines
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