Gemeinderat, 51. Sitzung vom 24.03.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 80
nementalismus darf nur eine Zwischenlösung sein. Intergouvernementalismus ist Einstimmigkeit. Einstimmigkeit heißt Nationalisierung Europas und Erpressbarkeit. Wir wollen das Gemeinschaftsrecht stärken, weil wir Transparenz erhöhen und demokratische Legitimierung und Kontrolle sicherstellen müssen. Daher der Vorschlag des Europäischen Parlaments, einen Europäischen Währungsfonds einzurichten. Daher die Untersuchung durch das Europäische Parlament, die Troika-Arbeit zu überprüfen und zu verlangen, dass auch die Auswirkungen der Reformbemühungen überprüft werden müssen, um in künftigen Programmen die Konsequenzen daraus ziehen zu können.
Mein letzter Punkt und der dritte große Bereich ist der Bereich der politischen Gewichtung in der Welt. Ich habe es angeschnitten. Schauen wir nur wenige Kilometer weiter in die Ukraine. Hier wird uns deutlich gezeigt, das ist auch eine Auseinandersetzung zwischen zwei Lebensmodellen. Wo die Europäische Union ist, ist Friede und herrscht Stabilität. Wo wir sind, wird der Dialog gefördert, statt das Militär eingesetzt. Wo wir sind, werden die Souveränitätsrechte der Bürger gestärkt, damit sie nicht in die Abhängigkeit Russlands oder der EU kommen, sondern über ihre eigene Zukunft selbst entscheiden können. Wenn wir politisch nicht so stark werden, dass wir unsere Friedens- und Stabilitätspolitik, unser Verständnis von Menschenrechten auch zum Exportartikel Europas außerhalb der Europäischen Union machen können, dann haben wir auch unsere internationale Verantwortung nicht wahrgenommen. Daher ist es eine Frage der Stärkung der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, es ist eine Frage des gemeinsamen Vorgehens Europas in der Welt. (GR Mag Wolfgang Jung: Das kennen wir schon!)
Meine Damen und Herren! In dem Zusammenhang gilt es auch ... (GR Mag Wolfgang Jung: Das kennen wir alles schon!) In dem Zusammenhang ... Es ist ja klar, ich lass mich ... Mich kann man immer unterbrechen. (GR Mag Wolfgang Jung: Ja, natürlich) Österreich, meine Partei und das Europäische Parlament, auch Österreich, haben immer für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte Partei ergriffen. (Aufregung bei GR Mag Wolfgang Jung. – Beifall bei der ÖVP.) Gegenüber Freiheitsfragen, gegenüber Bürgern, die für ihre Freiheit, für Demokratie kämpfen, für ihre Souveränitätsrechte kämpfen, für die Einhaltung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit kämpfen (GR Mag Wolfgang Jung: Das sehen wir im Iran, und so weiter.), gibt es keine Neutralität. Hier werden wir immer auf der richtigen Seite stehen (Beifall bei der ÖVP.). Da kann man sich auf Österreich immer verlassen! Österreichs Außenpolitik hat immer auf diese Werte gesetzt. Das war ein Teil unserer Dialogfähigkeit und Vermittlerrolle in der Welt (GR Mag Wolfgang Jung: Sind Sie jetzt für den Beitritt oder nicht, Herr Kollege?), die wir seit 1955 exzellent ausgeübt haben. (GR Mag Wolfgang Jung: Da verschweigt er sich!)
Und, meine Damen und Herren, zu diesem Bereich gehört auch, dass wir natürlich versuchen, auch nach innen unsere Unabhängigkeit zu erhöhen. Ja, wir müssen die Energieabhängigkeit von Gas aus Russland und die Ölabhängigkeit von den OPEC-Staaten reduzieren, um unsere eigene Souveränität erhöhen zu können. Wir müssen Energie einsparen und auf eigene Ressourcen setzen. Ja, wir sollten alles dazu beitragen, eine IT-Offensive zu starten, damit nicht europäische Daten auf amerikanischen Servern sind, sondern wir benötigen eine europäische Offensive, ein europäisches Google, europäische Server und keine Daten Europas auf Servern in Amerika. Hier müssen wir in die Forschung und damit in die Unabhängigkeit Europas stärker investieren. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Europa ist nicht perfekt. Wer ist das schon? Europa ist, wie hoffentlich jede politische Gemeinschaft, „work in progress“. Aber es ist ein Projekt mit einer klaren Erfolgsbilanz für uns. Nicht nur Friede, Freiheit, Stabilität und Handlungsfähigkeit drücken der Realität den Stempel auf. Denken wir daran, dass seit unserem EU-Beitritt wegen der Teilnahme am Binnenmarkt das BIP in Österreich um 21 Prozent gestiegen ist. Denken wir daran, dass wir 375 000 Arbeitsplätze durch die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn schaffen konnten. Denken wir nur daran, wie eine Studie des WIFO gezeigt hat, dass uns alleine der Zerfall der Eurozone oder der Austritt eines Landes aus der Europäischen Union 2 Prozent Wachstum, 11 Milliarden EUR und 180 000 zusätzliche Arbeitslose gebracht hätte. Wir sind stärker miteinander verbunden, als manche innenpolitische Phrasendrescher meinen. Wir müssen uns dieser Gesamtverantwortung auch im Interesse dieser Stadt und unseres Landes stellen.
Aus dem Grund würde ich mir wünschen, und ich bitte den Wiener Landtag, die Initiative, in Wien nach „200 Jahre Wiener Kongress“ auch einen Wiener Konvent gemeinsam mit der Bundesregierung zu veranstalten, wo wir in Wien die Initiative ergreifen mit einem Wiener Konvent unter Beteiligung der Zivilgesellschaft, unter Beteiligung aller Parlamente, unter Beteiligung aller Bildungseinrichtungen und unter Beteiligung der Öffentlichkeit die Diskussion über die Zukunft Europas zu starten.
Treten wir gemeinsam dafür ein, dass in der nächsten Periode des Europaparlaments das Ergebnis dieser Demokratieoffensive der ersten gemeinsamen europäischen Volksabstimmung unterworfen wird: Mehrheit der Staaten, Mehrheit der Bürger statt Nationalisierung Europas. Wenn wir hier an einem Strang ziehen, können wir viel weiterentwickeln und gemeinsam Europa besser machen. Nicht Schuld zuweisen, sondern zur Mitverantwortung stehen und einen Wettbewerb der Ideen mit den Bürgerinnen und Bürgern entwickeln, das ist mein Wunsch an uns alle! Herzlichen Dank. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Zum Wort gemeldet ist die Frau Abg Mag Lunacek. Ich erteile ihr das Wort.
EP-Abg Mag Ulrike Lunacek (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich freue mich sehr, dass wir heute zum zweiten Mal in diesem Saal, zum zweiten Mal mit Ihnen, aber zum ersten Mal im Gemeinderat die Möglichkeit haben, über
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