Gemeinderat, 51. Sitzung vom 24.03.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 80
den Verein Vladimir und Estragon. Zu diesem Tagesordnungspunkt wurden von Herrn Ersten Gemeinderatsvorsitzenden GR Godwin Schuster die österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament in den Wiener Gemeinderat eingeladen. Ich darf daher Frau Abg Mag Ulrike Lunacek (Allgemeiner Beifall.), Frau Abg Mag Evelyn Regner (Allgemeiner Beifall.) und Herrn Abg Mag Othmar Karas (Allgemeiner Beifall.) – mir wurde gerade mitgeteilt, der Herr Abg Andreas Mölzer kommt später – recht herzlich in unserem Haus begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)
Ich bitte die Berichterstatterin, Frau GRin Mag Straubinger, die Verhandlungen einzuleiten.
Berichterstatterin GRin Mag Sybille Straubinger, MBA: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Mitglieder des Europäischen Parlaments! Herzlich Willkommen! Ich bitte um Zustimmung zum Akt und vorher um Debatte. – Danke.
Vorsitzender GR Mag Thomas Reindl: Ich eröffne die Debatte. Zum Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter zum Europäischen Parlament, Mag Karas. Ich erteile es ihm.
EP-Abg Mag Othmar Karas, MBL (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich freue mich, dass ich heute zum zweiten Mal im Wiener Gemeinderat das Wort ergreifen kann, dass wir innerhalb kürzester Zeit wieder eingeladen wurden, und wenige Tage vor der Europa-Parlamentswahl mit Ihnen diskutieren und zu Ihnen sprechen dürfen.
Eigentlich müsste es eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein Austausch zwischen Europaabgeordneten, nationalen Abgeordneten und regionalen und Landesabgeordneten in einem ständigen Prozess stattfindet. Leider ist das noch nicht mit allen Landtagen möglich, leider ist es auch nur ungenügend im Österreichischen Nationalrat möglich. Aber es ist wichtig, dass wir als Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, dass wir als Parlamente und daher als Bürgerkammern gemeinsam die Sorgen, Ängste und Fragen der Menschen diskutieren, miteinander austauschen und gemeinsame Lösungen finden.
Ich bin als Vizepräsident des Europäischen Parlaments mitverantwortlich, wenn es darum geht, die Zusammenarbeit mit nationalen und regionalen Parlamenten zu intensivieren; weil unsere Zusammenarbeit und auch die Aufgabenteilung zwischen uns – wer was macht und wie wir kooperieren – eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass wir erstens die Bürgernähe sicherstellen und zweitens die europäische Demokratie weiterentwickeln.
Wir agieren zwar auf unterschiedlichen Spielfeldern, aber wir sind beide letztendlich primär jenen verpflichtet, die uns gewählt haben und die uns wählen, nämlich den Bürgerinnen und Bürgern. (GR Mag Wolfgang Jung: Genau!) Und ein Teil unseres Selbstverständnisses ist, uns als Bürgerkammern zu verstehen. Regierungen – ich sage das immer wieder – sind im Sinne unseres Demokratieverständnisses den Parlamenten gegenüber verantwortlich und nicht die Parlamente auf Landes-, nationaler und europäischer Ebene den Regierungen. Bürgernähe, Transparenz, demokratische Legitimierung und demokratische Kontrolle haben die Voraussetzung in der Beteiligung und der Letztentscheidung in den Parlamenten auf der jeweiligen Ebene.
Wir gehen einem gemeinsamen Prinzip nach: Jede politische Entscheidung muss auf der Ebene, wo sie getroffen wird, von dem jeweiligen Parlament legitimiert und kontrolliert werden. Daher treten wir auch dafür ein, dass es keine europäische Entscheidung ohne Zustimmung des Europäischen Parlaments gibt, genau so, wie wir dafür eintreten, dass es keine nationale und keine regionale Entscheidung ohne Beteiligung und Letztentscheidung durch das Landes- und das nationale Parlament gibt. (Beifall bei ÖVP, GRÜNEN und SPÖ.)
Ich weiß schon, dass auch in der heutigen Debatte die Frage, die viele Menschen bewegt, zum Beispiel des Freihandelsabkommens und der Verhandlungen mit Amerika, ein Thema ist. Da gibt es vielleicht unterschiedliche Zugänge und unterschiedliche Strategien. Es ist nur eines für uns, für mich zumindest, klar, und das müssen wir der Bevölkerung sagen: Seit dem Vertrag von Lissabon gibt es kein internationales Abkommen ohne Zustimmung des Europäischen Parlaments.
Daher wird es auch kein Freihandelsabkommen geben ohne Zustimmung des Europäischen Parlaments; und die Zustimmung des Europäischen Parlaments wird es nur dann geben, wenn die Bedingungen des Europäischen Parlaments für die Verhandlungen erfüllt werden: Wenn dieses Abkommen zum Nutzen der Europäischen Union ist, wenn es zu keiner Aufweichung der Importregeln kommt, wenn es zu einer Ablehnung von Hormonfleisch auf den Tischen unserer Bürgerinnen und Bürger kommt, und wenn es ein klares Nein zu den Chlorhühnern gibt. Das gilt auch für die audiovisuellen Dienste. Kein Freihandelsabkommen ohne Zustimmung der Bürgerkammer Europas! Kein Nein zu Verhandlungen, aber nur ein Ja zu einem fairen Abkommen, das unsere Bedingungen erfüllt! (Beifall bei ÖVP, GRÜNEN und SPÖ.)
Ich sage auch gleich dazu, es war mit Zustimmung des Europäischen Parlaments, als vor wenigen Tagen in Straßburg die Saatgutverordnung an den Staat zurückgeschickt wurde. Es wurde nicht abgestimmt, sondern die Kommission wurde mit einer Neubefassung beauftragt. Das ist auch Aufgabe von Bürgerkammern, nämlich neben der Gesetzgebung die Sorgen und Ängste, die Fragen der Menschen ernst zu nehmen und uns zu Sprechern dieser im Entscheidungs- und Meinungsbildungsprozess zu machen.
Wenn der Ausgangspunkt der heutigen Debatte ein kulturpolitischer Ansatz ist, so muss ich Ihnen sagen, es ist auch eine Frage der Kultur, wie wir den Wettstreit der politischen Parteien und der Abgeordneten untereinander führen, und es ist auch eine Frage der Kultur, wie wir miteinander umgehen, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Wir, die wir hier sitzen, kommen aus unterschiedlichen politischen Parteien. Wir stehen kurz vor einer Wahl, bei der jeder von uns möglichst viele Stimmen von den Bürgerinnen und Bürgern erhalten will, völlig logisch.
Aber das, was uns vereint, ist ein Europa auf dem
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