Gemeinderat, 48. Sitzung vom 30.01.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 63
Verfügung stellen würden. Wann wacht Rot-Grün auf? (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderates nur ein Mal zu Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist. Als nächster Redner hat sich Herr GR Mag Neuhuber gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Mag Alexander Neuhuber (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Die Arbeiterkammer-Wahl wirft ihre langen Schatten voraus, wiewohl natürlich Arbeitslosenzahlen ein Thema sind, das uns, glaube ich, allen hier am Herzen liegt. Das eint letzten Ende dieses Haus. Die Zugänge dazu, wie man es vermeiden kann oder wie man Arbeit schafft, mögen andere sein. Ich will mich jetzt gar nicht dazu versteigen, Ihnen da Statistiken herunterzubeten, wie sich die Arbeitslosenzahlen in den letzten 10, 12, 15 Jahren in Wien entwickelt haben. Wir haben das schon 1 000 Mal gehabt in Debatten und auch in Anfragen. Wir haben Ihnen nachgewiesen, dass unter Bgm Häupl die Arbeitslosenzahl um 40 Prozent gestiegen ist, und, und, und. Dazu will ich mich eigentlich gar nicht versteigen, aber nachdem jetzt vom Kollegen Rösch so ein Potpourri an Themen gekommen ist, möchte ich auch ein kleines Potpourri auflegen und mit ein paar Thesen aufwarten.
Der Standortwettbewerb – das ist heute, glaube ich, ein Common Sense – unter den Europäischen Städten wird immer stärker. Auf der ganzen Welt entstehen Mega-Cities. Österreich ist vergleichsweise ein kleines Land mit 8 Millionen. Das hat schnell einmal eine Stadt in China. China ist ein Land mit über 100 Millionenstädten. Das ist für uns nur schwer vorstellbar. Vielleicht leichter vorstellbar ist, dass es in Deutschland ungefähr 80 Städte mit über 100 000 Einwohnern gibt. Nur, um einmal die Größenrelationen bei Städten ein bisschen einzuordnen. Und diese Städte stehen heute in einem starken Wettbewerb, jedenfalls stärker als die Länder untereinander.
Es gibt auch keinen generellen Trend, wie sich Städte entwickeln. Ob sich jetzt große gut oder kleine schlecht entwickeln, ist völlig unterschiedlich. Nehmen Sie etwa wieder die Bundesrepublik Deutschland her. Da hat man eine Zeitlang geglaubt, der gesamte ehemalige Osten würde sich schlechter entwickeln, der Westen wäre der prosperierende Teil. Mitnichten. Das ist heute überall nicht mehr der Fall, da gehen die Grenze und der Bruch quer durch Deutschland. Teile des Ruhrgebiets entwickeln sich heute schlechter, eine Stadt im Osten wie Gera entwickelt sich schlecht, Jena hingegen entwickelt sich gut und wächst. Also es gibt da keine goldene Formel.
Wenn es ein paar Geheimnisse gibt – und die müsste ich in meiner verbleibenden Restredezeit zusammenfassen –, warum heute Städte prosperieren oder warum das Gegenteil eintritt, meine Damen und Herren, würde ich sagen:
Erstens: Wichtig ist die Stadt als Marke. Welchen Ruf hat eine Stadt nach außen? Wie wird sie wahrgenommen? Zum Beispiel Berlin, dem es viele Jahre schlecht gegangen ist, ist heute bei der Jugend in ganz Europa als trendig, als hipp, als modern angesehen, und auf einmal beginnt die Stadt sich ganz anders zu entwickeln. Also Stadt als Marke.
Zweitens: Welche Cluster, welche Schlüsselindustrien hat sie? Ein Beispiel das ich vorher genannt habe: Warum geht es Jena gut? Jena hat die Optikindustrie als großen Cluster, deshalb entwickelt sich die Stadt auch gut.
Drittens: Es zeigt sich in ganz Europa – auch wieder Beispiel Deutschland –, Universitätsstädte, qualitativ hochwertige Ausbildungszentren entwickeln sich besser als Städte ohne. Das wissen wir alle: Bildung, von der Lehrlingsausbildung bis zur Eliteuniversität, ist eines der großen Megathemen, die heute aber auch darüber entscheiden, ob sich eine Stadt positiv oder negativ entwickelt.
Und letztendlich zählt natürlich das Thema der Wirtschaftsfreundlichkeit. Wie wird eine Stadt von außen wahrgenommen in ihrer Wirtschaftsfreundlichkeit? Das ist ein Thema, das man teilweise fast fühlen kann. Wenn ich mich etwa in den USA oder in Singapur bewege, dann fühle ich dort, wie sehr ich als Unternehmer gerne gesehen bin.
Natürlich spielt die Arbeitsmarktpolitik, wie vom Kollegen Rösch angesprochen und wie wir es heute noch hören werden, eine Rolle, aber allein mit 50 Millionen EUR mehr für WAFF oder AMS werden wir das Problem nicht lösen, meine Damen und Herren. Der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit und die Arbeitslosigkeit allgemein entscheidet sich auf einem anderen Feld. Was ich vorher gesagt habe: Universitäten, Ausbildung, Schlüsselindustrien, welche Marke stellt Wien nach außen dar.
Und da könnte ich schon einen Kritikpunkt einbringen, meine Damen und Herren. Ich weiß nicht, ob wirklich die Bewerbung der Marke Wien als Wirtschaftsstandort in den letzten Jahren, abgesehen vom Tourismus, so erfolgreich war. Also bei den Headquarters haben wir nicht sehr viel zusammengebracht. Wir haben ungefähr 180 Headquarters in Wien. Das ist relativ stabil, ein bisserl nimmt es ab, 2013 sind zwei gegangen, eins gekommen. Jetzt frage ich Sie, meine Damen und Herren, wenn wir dauernd hier vom Heiligen Mercer, von der Mercer-Studie hören, warum stehen dann die Unternehmer, wenn das nicht nur so eine lebenswerte, sondern auch wirtschaftsfreundliche Stadt ist, nicht vor den Rathaustüren Schlange, um sich hier in Wien anzusiedeln?
Und das hat mit dem Thema Wirtschaftsfreundlichkeit zu tun, meine Damen und Herren. Ich weiß, damit haben SPÖ und Grüne schon aus Tradition ein Problem, aber es geht um das Thema, meine Damen und Herren: Wie sehen Sie einen Unternehmer? Ist er für Sie ein Ausbeuter oder ist er ein willkommener Partner zur Schaffung von Arbeitsplätzen? Ist er die Melkkuh oder ist er der Motor der Wirtschaft? Und Unternehmer und Ansiedlungswillige spüren das, meine Damen und
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