Gemeinderat, 40. Sitzung vom 25.06.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 81
starke Nachteile vom Elternhaus her hat – und das sollte uns noch lange beschäftigen –, kann man da etwas tun, ohne Zwangsmaßnahmen aber mit Angebot, mit Unterstützungen. Dort, wo man sich darum kümmert, gibt es signifikante Fortschritte.
Meine persönliche Meinung: Da müssen wir noch viel mehr tun. Und wir sollten nicht nur darüber nachdenken, was in der Volksschule und in der Neuen Mittelschule, in der Hauptschule, im Gymnasium passiert. Das Gymnasium nenne ich jetzt auch ganz bewusst, denn interessant finde ich auch, dass eine gar nicht unbeträchtliche Zahl, nämlich 18 Prozent derer, die in der Hauptschule in der schlechtesten Lesegruppe waren, auch in AHS sind.
Man kann sich auch vorstellen, dass hier einmal mehr das Elternhaus eine relevante Rolle spielt. Es gibt Elternhäuser, die wirklich Druck machen, im positiven Sinn. Wer will nicht das Beste für seine Kinder? Aber es sollte uns auch zu denken geben, dass selbst im AHS-Bereich immerhin 20 Prozent derer, die getestet wurden, nicht sinnerfassend lesen können.
Zusammenfassend, und ich will jetzt bewusst über keinen anderen Bereich reden, das sage ich sozusagen appellativ an uns alle: Diesen 22 oder 20 Prozent soll unser zentrales Augenmerk gelten. Für die meisten Kinder von uns, die wir hier in diesem Haus sitzen, kann ein besserer oder schlechterer Lehrer möglicherweise nicht den großen Switch im Leben haben, aber für jene Kinder, die Startnachteile haben, sehr wohl.
Die verbleibenden wenigen Minuten reichen mir jetzt nicht aus, um darüber zu reden, dass wir vor diesem Hintergrund einmal Familienpolitik diskutieren sollten. Nicht ob nun die sexuelle Orientierung ein Glaubenskrieg ist, sondern: Familienpolitik als Aufgabe der öffentlichen Hand heißt für mich sehr persönlich, jene Eltern zu stützen, die offensichtlich Nachteile, mangelnde Kenntnisse, mangelnde Bildung, mangelndes Einkommen, mangelnde Fähigkeiten haben, um für ihre Kinder ein ausreichendes Elternhaus zu sein. Die gibt es, und da müssen wir über dieses Lebensalter null bis fünf intensiv reden. Wir sollen auch darüber nachdenken, wie wir die Anreize dafür erhöhen können, damit gerade Kinder aus solchen Elternhäusern so früh wie möglich eine qualitätsvolle, unterstützende, begleitende Betreuung bekommen können.
Das zeigen, ich wiederhole es noch einmal, alle Untersuchungen auf der Welt: Hast du dein Kind selbst als zwei- oder dreijähriges in einer qualitätsvollen Betreuung, so sind sein Lebensweg, sein Einkommen, seine Entwicklung sowie seine Sprachkenntnisse entsprechend besser. Das ist auf der ganzen Welt abseits von Ideologie eine Tatsache, und wir sollten motiviert … (GR Mag Wolfgang Jung: Das ist aber eine grüne Tatsache!) – Nein, das ist keine grüne Tatsache. Ich bemühe mich in einer Rede ja ... (GR Mag Wolfgang Jung: Sie stellen Behauptungen auf!) Ich stelle Behauptungen auf? Ja, diese Behauptung stelle ich auf! Lesen Sie bei Onkel Google nach, Herr Kollege, welche Auswirkungen frühkindlich unterstützende Betreuung auf Lesekompetenz, auf Sozialkompetenz, auf eine humanitäre Kompetenz hat.
Es geht doch nicht um ein Entweder-oder, entweder das Elternhaus oder eine außerhäusliche Betreuung. Das Elternhaus, und das war mir jetzt so wichtig, ist von fundamentaler Bedeutung, schafft in den Jahren null bis drei, null bis vier eklatante Startunterschiede. Und unsere Aufgabe als Stadt muss es bleiben, insbesondere jene Kinder mit Startnachteilen beziehungsweise deren Familien zu stützen, zu fördern und ja, auch Geld in die Hand zu nehmen und darüber nachzudenken, was oft gar nicht einfach ist.
Wenn übers Wochenende wo hingefahren wird, wo es Leseangebote in einer originellen Art gibt – ich kenne auch Schulen und Kindergärten, wo so etwas am Abend angeboten wird –, dann werden oft gerade jene, die starke Nachteile haben, von den Eltern dort nicht hingeschickt oder nicht gelassen oder fahren jedenfalls nicht mit, woran auch immer das liegt.
Scheuen wir uns nicht, und das sage ich jetzt in grüne und sozialdemokratische Richtung, die Ursachen akribisch anzuschauen, Dinge auszuprobieren! Es gibt ja keine Patentrezepte, sondern nur eine Grundhaltung. Die Grundhaltung muss sein, dass jene, die vom Elternhaus starke Nachteile haben, unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen; denn Leseschwäche von 22 Prozent in der 4. oder in der 8. Schulstufe ist nicht etwas, worauf wir uns ausruhen können. Das wollen wir auch nicht, sondern das wollen wir ändern. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner ist Herr GR Nepp zu Wort gemeldet. 15 Minuten sind als Redezeit eingestellt.
GR Dominik Nepp (Klub der Wiener Freiheitlichen): Guten Morgen, Herr Stadtrat! Werte Kollegen!
Wie Sie sicher annehmen werden, werden wir diesem Rechnungsabschluss nicht zustimmen. Denn egal, wo man eigentlich hinschaut in diesem Ressort Bildung, Jugend, Information und Sport, herrschen eigentlich überall Baustellen und Skandale.
Wir haben eine der höchsten Jugendarbeitslosigkeitszahlen in Wien, im Gegensatz zu den anderen Bundesländern. Wir haben die meisten Lehrstellensuchenden, das heißt, auf eine offene Lehrstelle kommen drei Lehrstellensuchende. Wir haben einen Stadthallenbad-Skandal, wir haben einen Kinderheim-Skandal und noch dazu haben wir hier in Wien die größte Bildungsmisere in der Zweiten Republik. Die Vorredner haben es schon gesagt: Im Durchschnitt können 20 Prozent der Schüler nicht lesen.
Da muss ich schon sagen: Irgendwie sind Sie da beratungsresistent. Sie wollen da anscheinend keine Änderung herbeiführen. Wir bringen schon seit Jahren hier ein Konzept ein, das schlüssig ist, das Sie aber jedes Mal ablehnen. Ich will es Ihnen nicht noch einmal vorbeten, denn irgendwie sind Sie da anscheinend schon beratungsresistent:
So sind Sie zum Beispiel beratungsresistent, was die Einführung einer verpflichtenden Sonderlernklasse in der 1. Schulstufe betrifft, nämlich für jene Schüler, die mangelnde Deutschkenntnisse haben, die die deutsche Sprache nicht sprechen. Beratungsresistent sind Sie
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