Gemeinderat, 40. Sitzung vom 24.06.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 102
mehr Rechnung getragen. Das ist erfreulich. Also es schaut so aus, als ob die neue Programmplanungsperiode der Europäischen Strukturfonds – noch ist das EU-Budget ja nicht wirklich beschlossen, aber es zeichnet sich eine Einigung ab, die zwar eigentlich ein fauler Kompromiss ist, aber das würde jetzt wirklich zu weit führen bei meiner Redezeit – doch ein positives Element hat, nämlich die städtische Dimension in den Strukturfonds zu stärken. Dafür soll ein Mindestprozentsatz des Europäischen Regionalfonds für Stadtentwicklung ausgegeben werden.
Ich muss sagen, auch Kommissar Hahn hat sich dafür sehr, sehr eingesetzt. Er hat auch begriffen und hat auch wirklich gesagt, Strukturpolitik ist Investitionspolitik. Wir brauchen Strukturpolitik und Investitionspolitik gerade auch zur Förderung von Beschäftigung, insbesondere in der europäischen Regional- und Städtepolitik. Also wir kämpfen ja sehr für diese Ergänzung. Ich nenne sie einmal Ergänzung dieses Europa-der-Regionen-Konzepts, das doch einen etwas veralteten Charakter hat, weil es von der Realität überholt wird. Die Zukunft gehört den Städten. Über 80 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger in Europa leben in Städten. Also hier ist zum Beispiel einer der Vorschläge, den Ausschuss der Regionen umzubenennen in Ausschuss der Regionen und Städte.
Aber ich denke, es geht wirklich darum, hier massiv auch von Seiten der Stadt Wien – und wir machen es erfolgreich – massiv Lobbying zu machen, massiv gemeinsam aufzutreten für diese Absicherung sozialer Dienstleistungen auf der einen Seite, Schaffung einer Sozialunion, Kampf gegen Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite. Und natürlich geht es hier auch um den Aufbau einer europäischen Demokratie und mehr BürgerInnenbeteiligung, wo wir ja gerade von der Wiener Ebene recht viel vorzuweisen haben.
Ich freue mich übrigens sehr, dass wir am Donnerstag im Landtag wieder einige Mitglieder des Europäischen Parlamentes hier zu Gast haben. Ich denke, dieses Rederecht, das wir im Gemeinderat und Landtag verankert haben, ist auch etwas, worauf wir stolz sein können. Wien ist die einzige Stadt, wo es so etwas auf kommunaler Ebene gibt. Nicht einmal der Nationalrat hat es noch geschafft, ein Rederecht für Europa-ParlamentarierInnen einzuführen, obwohl es dort wirklich noch mehr als bei uns vonnöten wäre, eigentlich die Debatten über die Zukunft Europas, über die Zukunft der Staaten und auch der Städte zu verschränken.
Wir hatten jetzt einen „Zukunftskongress Europa“ der Grünen Partei am Wochenende, da ist das Modell der verschränkten Demokratie diskutiert worden. Das halte ich für ein sehr weitreichendes Modell. Denn es heißt klar: Es geht nicht nur um die Demokratisierung der EU-Ebene, nicht nur um die Demokratisierung der staatlichen Ebene und auch der Kommunen; sondern wir müssen auf allen drei Ebenen – eigentlich auf allen Ebenen, auch auf der globalen, UNO, aber die klammere ich jetzt auch aus wegen der Redezeit – zusammendenken. Wir brauchen eine globale Demokratie und auch einen weltweit fairen und ökologisch und sozial gerechten Welthandel. Da sollte die EU eine Vorbildwirkung haben, wie es auch die Stadt Wien in einigen ihrer Fair-Trade-Maßnahmen und so weiter hat.
Ein paar Worte noch zum Europaausschuss an sich, weil das jetzt in unserer ersten Runde der Schwerpunkt sein soll. Dieser Europaausschuss wurde gegründet, um die steigenden Mitwirkungsrechte der Städte durchzusetzen. Diese sind auch im Lissabon-Vertrag erwähnt. Sie kennen die kommunale Selbstverwaltung zum Beispiel oder auch die Subsidiaritätskontrolle, die eingeführt wurde. Also Bundesrat, Nationalrat und insofern auch die Landtage können quasi der EU-Kommission, nennen wir es so, die gelbe oder orange Karte zeigen, also sagen: Halt, stopp! Eine Maßnahme geht uns zu weit, widerspricht der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Wir wollen das nicht, das ist für die Städte keine gute Entwicklung.
Wir wollen das aufhalten, wir wollen mitsprechen, wir wollen in das Institutionengefüge der Europäischen Union besser und stärker eingebunden sein, weil es unser Recht ist und weil es Sinn macht. Das ist ein wichtiges Instrument eigentlich, und es ist sehr nützlich. Wir haben dafür gekämpft, dass es das gibt. Es wird noch nicht sehr weitgehend angewandt, sage ich ehrlich, aber auch hier ist Wien Vorreiterin. Wien hat mit Abstand die meisten Subsidiaritätsprüfungen Stichwort Viertes Eisenbahnpaket, Stichwort Konzessionen, wo wir uns den wichtigen Themen, die quasi die Wiener Ebene mit der europäischen Ebene verschränken, auch wirklich gestellt haben.
Ich glaube, wir sind jetzt gut unterwegs mit dem Europaausschuss. Bei neu gegründeten Gremien ist es immer ein bisschen so ein „work in progress“. Wir gehen auch weit über die Subsidiaritätskontrolle hinaus mit unseren Themen im Europaausschuss. Es gibt regelmäßige Berichte über die stadtaußenpolitischen Aktivitäten der Stadt Wien, von Eurocities über das Wien-Haus, über Centrope bis hin zur Donauraumstrategie et cetera, ich zähle jetzt sicher nicht alle auf.
Wir haben es geschafft, einen von allen Parteien gemeinsam abgestimmten Europabericht wieder zu veröffentlichen. Es ist übrigens ein sehr, sehr interessanter Bericht, meine Damen und Herren, den möchte ich Ihnen sehr ans Herz legen. Ich weiß, man ist überflutet mit Informationen, mit Berichten, aber dieser Bericht ist wirklich ein spannender, weil er aus jeder Geschäftsgruppe sehr interessante, manchmal auch weniger bekannte Best-Practice-Modelle der Stadt Wien zeigt. Wie ich schon erwähnt habe, gehen wir auch den Weg der Fachseminare. Wir wollen den Weg auch wirklich gemeinsam mit allen Parteien, auch mit der Opposition gehen, hier gemeinsam planen und die für Wien und Europa interessanten Themen gemeinsam stellen. (Beifall von GR Mag Wolfgang Jung.)
Ein bisschen ausbaufähig wäre noch der internationale Bereich, denn ich sage zwar immer verkürzt, Europaausschuss und die meisten sagen verkürzt, Europaausschuss, aber eigentlich ist es ein Gemeinderatsausschuss für europäische und internationale Angelegenheiten; und ich denke, diese Dimension könnten wir im Ausschuss jedenfalls noch stärken.
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