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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 22.05.2013, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 94

 

einen sehr ernsten Hintergrund hat und uns Politiker dazu bewegen sollte, wirklich alle Menschen zu berücksichtigen, die sich im Verkehrsgeschehen bewegen.

 

Wien ist – das wurde heute auch schon festgestellt, und ich habe es auch in früheren Reden schon betont – eine gewachsene Stadt, und in einer gewachsenen Stadt konnte man einfach nicht alle zukünftigen Entwicklungen vorhersehen. Als man damals, irgendwann vor 2 000 Jahren, geplant hat, konnte man noch nicht ahnen, dass es nicht nur Pferdefuhrwerke geben wird, sondern auch PKW, öffentliche Verkehrsmittel und Ähnliches mehr. In einer gewachsenen Stadt ist der Raum naturgemäß begrenzt. Man kann beziehungsweise sollte dann aber nicht ganze Häuserzeilen wegreißen, wie es in den 30er und 40er Jahren in den USA geschehen ist. Damals dachte man, man könne mit dem Automobil alles lösen, und hat dort ganze Städte neu auf dem Schachbrett entworfen.

 

Das haben wir in Wien glücklicherweise nicht getan! Es gab in den 50er oder 60er Jahren wohl Ansätze dazu, und das sieht man auch heute noch beispielsweise in alten Flächenwidmungsplänen. Ich erwähne jetzt, weil ich mich dort am besten auskenne, den 9. Bezirk: In der Liechtensteinstraße gibt es drei oder vier Grünflächen vor Gemeindebauten, hinsichtlich welcher der damalige Flächenwidmungsplan gesagt hat: Hier muss die Straße um 10 m verbreitert werden, um eine Einfahrtsschneise zur Stadt vom 19. Bezirk quer durch den 9. Bezirk zum Ring zu machen. Das wurde dann bei Neubauten tatsächlich so durchgeführt, und man kann sich an diesen Stellen ansehen, wie es in Wien aussehen würde, hätte man diese Philosophie der amerikanischen 30er und 40er Jahre durchgeführt.

 

Peking war heute auch schon ein gutes Stichwort: Man kann sich das auch in Peking ansehen. In Peking wurde in den Jahren vor 2008, bevor die Weltausstellung und die Olympiade stattgefunden haben, auch ganze Häuserzeilen niedergerissen. In einer Diktatur ist ja bekanntlich alles viel leichter möglich! Man sieht das jetzt noch auf Fotos im Internet. Dort mussten tatsächlich über die Breite von 20 bis 30 m Häuser entfernt werden, nur um breite Straßen für den Autoverkehr – nicht für den Radverkehr! – zu erzeugen.

 

In vielen Städten hat man auch den Fehler gemacht, die öffentlichen Verkehrsmittel aufzulassen. Zwei amerikanische Städte sind jedoch in den Zwischenzeit Tourismusmagnete, weil es dort noch öffentliche Verkehrsmittel, nämlich Straßenbahnen, gibt, nämlich San Francisco und New Orleans. Dort sind diese öffentlichen Verkehrsmittel Tourismusmagnete. Man sieht dort noch Straßenbahnen, und die Touristen reißen sich begeistert darum, damit zu fahren.

 

In Wien haben wir all das nicht notwendig. Wir haben diesen falschen Schritt glücklicherweise nicht gesetzt, und wir haben einen neuen Rekord: Die öffentlichen Verkehrsmittel haben bei uns in der Zwischenzeit einen Anteil von 40 Prozent!

 

Wenn in Bezug auf das Fahrrad bekrittelt wurde, dass es Planwirtschaft sei, wenn wir hier einen Anteil von 10 Prozent festsetzen, dann muss man auch zurückschauen. Wir haben unsere Stadtplanungen immer planvoll betrieben. Jetzt heißt das Masterplan Verkehr, früher wurde das als Leitlinien zur Verkehrsentwicklung bezeichnet. So haben wir beispielsweise 1993 beschlossen, einen Radfahranteil von 6 Prozent in Wien zu erreichen. Das haben wir in der Zwischenzeit erreicht. Darum haben wir vor einigen Jahren unser Wunschziel wesentlich höher gesetzt: Nunmehr beträgt unser Ziel 10 Prozent und noch mehr, und um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es eben, wie ich schon gesagt habe, in einem eng begrenzten Straßenraum mehrerer Maßnahmen.

 

Eine dieser Maßnahmen hat Kollege Chorherr schon erwähnt, nämlich das Radfahren gegen die Einbahn. In den 60er und 70er Jahren musste der Radverkehr in jenen Straßen weichen, wo wir, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Fahrzeuge auch abzustellen, die gegenläufigen Fahrbahnen zu Einbahnen erklärt haben, damit man Autos auf beiden Seiten abstellen kann. Wir hatten auch damals, in den 60er und 70er Jahren, Radwege in Wien, und zwar baulich getrennte Radwege. Diese sind dann aber auch den Parkspuren zum Opfer gefallen. Im Jahr 1980 gab es jedoch einen entscheidenden Wendepunkt hier in diesem Haus. Damals – das ist nun schon über 30 Jahre her – haben wir eine Trendumkehr beschlossen. Wir haben gesagt: Wir brauchen ein anderes Verkehrskonzept. Und seitdem beschreiten wir diesen Weg mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen.

 

Das Wichtigste ist – wie ich schon gesagt habe – der öffentliche Verkehr. Und darum möchte ich einen Punkt, den Kollege Ulm erwähnt hat, nicht so stehen lassen: Er hat gesagt, dass wir jetzt aus den Straßenbahnen schon die Sitze herausreißen müssen. – Sie wissen ganz genau, dass das andere Gründe hat! Weil ein so großer Anteil von Menschen den öffentlichen Verkehr benutzt, ist es so, dass man halt oft im Eingangsbereich stehen bleibt, wenn man nur zwei, drei oder vier Stationen fährt. In der U-Bahn hat man viel mehr Platz im Aufstellbereich. In der Straßenbahn ist das hingegen nicht ganz so, und speziell ältere Menschen oder auch kleinere Menschen – so wie beispielsweise ich, ich bin beides, älter und kleiner (GRin Nurten Yilmaz: Du bist nicht klein!) – tun sich halt sehr schwer, wenn sie in der Straßenbahnmitte sind und aussteigen möchten. Daher bleiben viele einfach automatisch und gewohnheitsmäßig im Eingangsbereich stehen, und das behindert natürlich das Ein- und Aussteigen anderer. Dadurch sind die Aufenthalte in den Stationen länger. Das ist wiederum sehr unattraktiv für den öffentlichen Verkehr, weil man dann wiederum länger braucht. Daher wurden jetzt diese Pilotversuche gestartet, im Eingangsbereich der Straßenbahnen Sitzflächen herauszunehmen, damit es dort, analog wie in den U-Bahnen, im Aufstellbereich mehr Platz gibt, damit sich dort viel mehr Menschen aufhalten können und dass man auch leichter ein- und aussteigen kann.

 

Mir ist sehr wichtig, festzuhalten, dass das ganz andere Gründe hat, als das in der Öffentlichkeit beziehungsweise in Ihrer Rede dargestellt wurde. Grundsätzlich könnte ich – und da zeigt sich wieder, dass es gut ist, wenn ein Jurist darüber spricht – Ihre Rede zu 30 bis

 

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