Gemeinderat, 23. Sitzung vom 24.05.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 81
selbst einzugehen, denn die haben wir ja nicht jetzt erfunden, sondern die Parkraumbewirtschaftung gibt es seit geraumer Zeit –: Sie irren auch, wenn Sie meinen, dass etwa in den Innergürtelbezirken der große Aufruhr und die große Unzufriedenheit damit herrschen, sondern ganz im Gegenteil. Fragen Sie einmal im 8. Bezirk oder in anderen Bezirken des Innergürtelbereichs, um einen Bezirk mit einem ÖVP-Vorsteher zu nennen, ob man dort die Abschaffung des Parkpickerls haben will. Oder fragen Sie im 1. Bezirk. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Diskussion mit der Frau Bezirksvorsteherin! Ich wünsche dieses Vergnügen eher der ÖVP, gebe ich zu (Heiterkeit bei SPÖ und GRÜNEN.), aber ich wünsche es auch Ihnen.
Und daher aus meiner Sicht, gar keine Frage, und wenn wir uns der eigentlichen Fragestellung zuwenden: Ja zur direkten Demokratie, aber auch Ja zur Wiener Stadtverfassung und zur Einhaltung dieser Verfassung. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 2. Zusatzfrage wird von GR Dipl-Ing Stiftner gestellt. – Bitte schön.
GR Dipl-Ing Roman Stiftner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Guten Morgen, Herr Bürgermeister!
Die ÖVP mit ihrem Volksbegehren oder mit ihrer Bürgerbeteiligung stellt nicht die bisherige Parkraumbewirtschaftung in Frage, sondern möchte eben, dass die Menschen bei der Ausweitung entsprechend gefragt werden, und ich glaube, das ist die sachliche Grundlage.
Aber viel wichtiger – und das habe ich jetzt Ihren ersten Fragebeantwortungen entnommen – ist doch Ihre sehr subtile und sehr genaue Argumentation der damaligen Volksbefragung, die Sie initiiert haben, zu dem, was jetzt die ÖVP hier initiiert hat. Offenbar gibt es also da durchaus ein sehr heikles juristisches Thema, das zu entscheiden sein wird, aber die Tatsache, dass Sie als Bürgermeister und damit als Stadtoberhaupt so diffizil argumentieren müssen hier in der Fragestunde, zeigt eigentlich, auf welches dünne Eis Sie sich hier schon begeben haben. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. – GR Prof Harry Kopietz: Das ist ja unwahrscheinlich!)
Meine Frage richtet sich aber vielmehr in die Zukunft. Wir haben ja ein direktdemokratisches System, das momentan nicht wirklich ausformuliert ist. Es wird eine Volksbefragung gemacht. Da wird eine Region einmal größer, einmal kleiner gemacht, wie man es gerade braucht.
Meine Frage an Sie: Beabsichtigen Sie, hier klare Regularien zu initiieren, wann eine entsprechende Bürgerbeteiligung einzurichten ist und vor allem in welchem Bereich, wie viele Leute dazu zu befragen sein werden, ob das dann das gesamte Stadtgebiet betrifft oder ob das Teile sind? Gibt es die Absicht von Ihrer Seite, ein solches Regularienwerk in Hinkunft zu erlassen?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Also, Herr Gemeinderat, zunächst einmal bemühe ich mich immer, sehr differenziert – oder diffizil oder wie immer Sie das sonst bezeichnet haben – zu argumentieren, ich gestehe allerdings mutig ein, es gelingt mir nicht immer. Manchmal zwingt man mich auch nicht so sehr dazu, sondern da geht es dann mehr um die Klarheit als um die Differenziertheit, und das steht gelegentlich in einem Widerspruch zueinander.
Was Ihre eigentliche Frage betrifft, so meine ich, dass das Regulativ für die Instrumente der direkten Demokratie aus meiner Sicht heraus gesehen eine hinreichende Klarheit hat, aber sollte hier ein Bedürfnis nach noch größerer Klarheit herrschen oder – dem könnte ich durchaus einiges abgewinnen – eine Zusammenfassung in einer systemischen Form der direkten Demokratie gefragt sein, dann stehe ich dem sicherlich nicht entgegen. Bitte, das im Rahmen der Verhandlungen zwischen den Parteien zur Sprache zu bringen. Dem kann ich durchaus eine Menge abgewinnen.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. – Die 3. Zusatzfrage wird von GR Mag Maresch gestellt. – Bitte.
GR Mag Rüdiger Maresch (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Für die ÖVP scheint die Argumentation diffizil zu sein – vielleicht war differenziert gemeint, aber es war diffizil –, die FPÖ spricht von gotischen Begriffen, das habe ich auch interessant gefunden, Ihre Replik mit dem Runenwerfen hat mir auch sehr gut gefallen, aber jetzt möchte ich sozusagen ein bisschen auf den FPÖ-Hintergrund kommen.
Vor nicht allzu langer Zeit, unter dem seligen Herrn Landeshauptmann aus Kärnten, gab es eine Debatte zur Dritten Republik. Da ist es – erinnern wir uns doch – darum gegangen, dass das Parlament zwar nicht als Quatschbude bezeichnet worden ist, aber grundsätzlich die repräsentative Demokratie in Frage gestellt worden ist und stattdessen eine Summe von, sagen wir, Plebisziten gekommen wäre.
Ich hätte jetzt ganz gerne einmal gefragt in diesem Zusammenhang, ob Sie glauben, dass die FPÖ sich auf diesem Weg befindet? (Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Ganz offen gestanden, ich habe damals den Weg der FPÖ nicht wirklich erkennen können und heute erkenne ich ihn noch weniger. Damals war wenigstens die Argumentation noch einigermaßen stringent nachzuvollziehen, heute ist sie das nicht mehr. Aber wollen wir bei einem Vergleich bleiben, der wahrscheinlich weniger Emotionen bei der FPÖ auslöst, nämlich der Vergleich mit der Schweiz.
Es gibt hinreichend politwissenschaftliche Literatur – man kann damit vermutlich einen ganzen Schrank einer Bibliothek füllen –, worin man sich mit diesem politischen System der Schweiz auseinandersetzt, das ja bekanntlich die plebiszitären Elemente in einer Form vorsieht, die mit Sicherheit gerade noch vereinbar ist mit einem parlamentarischen System und einer
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular