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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 64 von 90

 

scher früherer Burschenschafter und so weiter, mit der „Arbeiter-Zeitung" auch antisemitische Vorwürfe gegen Danneberg.

 

Etwas wollte ich noch sagen, weil mir Renner auch ein besonderes Anliegen ist. Ich will nicht, dass der Dr-Karl-Renner-Ring umbenannt wird. Man muss jetzt in den Zeitungen von ihm lesen: „Ich habe mit Ja gestimmt." Ich möchte vorlesen, was er tatsächlich gesagt hat, weil das doch ein ganzes Weltbild offenbart. Und zwar hat er seiner Zeit, 1938 gesagt: „Trotzdem habe ich seit 1919 in zahllosen Schriften und ungezählten Versammlungen im Lande und im Reiche den Kampf um den Anschluss weitergeführt. Obschon nicht mit jenen Methoden, zu denen ich mich bekenne, errungen, ist der Anschluss nunmehr doch vollzogen, ist geschichtliche Tatsache, und diese betrachte ich als wahrhafte Genugtuung für die Demütigungen von 1918 und 1919, für St Germain und Versailles. Ich müsste meine ganze Vergangenheit als theoretischer Vorkämpfer des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen, wie als deutschösterreichischer Staatsmann verleugnen, wenn ich die große geschichtliche Tat des Wiederzusammenschlusses der deutschen Nation nicht freudigen Herzens begrüßte. Als Sozialdemokrat und somit als Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes der Nationen, als erster Kanzler der Republik Deutschösterreich und als gewesener Präsident ihrer Friedensdelegation zu St Germain werde ich mit Ja stimmen."

 

Deutschnational in dem Sinn war natürlich auch sein Gegenspieler Otto Bauer.

 

Nach dem Krieg hat Friedrich Adler gesagt: „Ich will lieber dort leben, wo Goethe zu Hause ist und Freiligrath und Marx und Engels und Lassalle, und nicht, wo die Ausländer sind." Dann hat Renner 1945 interessanterweise gesagt, er soll lieber den Mund halten, weil das nichts mehr ist und sie das jetzt nicht mehr sagen können. Dann hat er sich aus der Politik zurückgezogen. Friedrich Adler hat auch ein Ehrengrab in Wien.

 

Renner ist natürlich eine besondere Persönlichkeit. Er hat sich selbst immer als Marxist bezeichnet. Dann hat er sich so für den Anschluss ausgesprochen. Nach dem Krieg, als Wien besetzt wurde, hat Stalin ihn suchen lassen, weil er gerne eine Regierung mit Renner bilden wollte. Renner und Julius Tandler sind wesentliche Elemente der Sozialdemokratie. Da gibt es die Julius-Tandler-Medaille. Dann gibt es den berühmten Renner-Preis der Stadt Wien. Den ersten Renner-Preis hat auch ein Antisemit gekriegt, Leopold Kunschak. Es tut mir sehr leid, er hat auch noch nach dem Krieg gesagt, die Juden haben in Österreich nichts verloren. Nichtsdestoweniger ist er Preisträger des ersten Renner-Preises. Wenn wir jetzt irgendetwas umbenennen wollen, dann muss man auch das umbenennen, das auf das andere zurückgeht. Also, das wird alles sehr kompliziert. Ich bin der Meinung, wir lassen die Geschichte so, wie sie ist, und sind uns dessen bewusst, dass die Herrschaften neben ihren großen Vorzügen für die Stadt Wien auch andere Seiten gehabt haben.

 

Julius Tandler wird einiges später noch behandelt werden, weil es sich noch hinziehen wird. Aber bei all seinen großen Leistungen hat er doch eine gewisse Neigung zur Ausmerzung minderwertigen Lebens, wie das genannt wurde, gehabt. Das wird von der Sozialdemokratie auch immer so ausgelegt, dass man das alles nicht so sehen kann. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Der Grosz!) - Es gibt aber keine Grosz-Medaille. Die gibt es nicht in der Stadt Wien. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Wer weiß, was noch kommt!) Aber eine Julius-Tandler-Medaille gibt es.

 

Heute, wenn wir über dieses Thema reden, könnte ich zum Beispiel auch die These aufstellen, dass, wer ein Palästinensertuch absichtlich trägt, ein Antisemit ist. Wisst ihr eigentlich, wer das Palästinensertuch sozusagen als wirkliche Tragepflicht erfunden hat? Gegeben hat es die Kufiya natürlich schon 1936. Mohammed Amin al-Husseini, der Großmufti von Jerusalem, hat die muslimischen Regimente von Hitler gesegnet, war ein Freund von Himmler und Hitler, hätte in Nürnberg verurteilt werden sollen, ist nach Ägypten geflohen, nicht ausgeliefert worden - das ist Geschichte im Schnelldurchlauf -, hat sich nun dann mit dem Gründer der Muslimbruderschaft - ist Omar Al-Rawi da? - zusammengetan, ist nach Palästina gegangen und hat den Kampf gegen Israel begonnen. Das ist alles Amin al-Husseini.

 

Oder Arafat, ein Freund von Kreisky, der gesagt hat: „Das ist mein politisches Vorbild und ein Held von Palästina."

 

Das ist die Geschichte. Wollen wir alle jetzt ausmerzen? Ist das alles so oder so? Es ist immer alles auf einmal, je nach Sichtweise. Darüber sollte man sich ernsthaft bewusst werden, aber das wird man in diesem Lande nicht. Deswegen möchte ich kurz noch einen Literaten zitieren, der gesagt hat: „Der Österreicher ist alles andere als ein Revolutionär, weil er überhaupt kein Wahrheitsfanatiker ist, der Österreicher lebt seit Jahrhunderten schon mit der Lüge und hat sich daran gewöhnt, der Österreicher ist schon jahrhundertelang mit der Lüge eine Ehe eingegangen, mit jeder Lüge, aber mit der Staatslüge zutiefst und zuallererst. Die Österreicher leben ganz selbstverständlich ihr gemeines niedriges Österreicherleben mit der Staatslüge. Das ist an ihnen das Abstoßende." - Thomas Bernhard. - Danke schön. (Beifall bei der FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Dr Aigner. (GR Dr Wolfgang Aigner: Nein.) - Nicht? (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Gestrichen!) - Das ist nicht bis zu mir gelangt. Dann ist als Nächster Herr GR Dr Troch zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

15.56.01

GR Dr Harald Troch (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates)|: Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Hier sind einige Themen eingebracht worden. Ich möchte mich gleich mit dem Thema auseinandersetzen, das heute schon vielfach diskutiert wurde, die Neubenennung des Dr-Karl-Lueger-Rings.

 

Ich möchte mich nicht mit dem wiederholen, was ich schon in der Aktuellen Stunde gesagt habe. Ich denke mir, wenn wir davon sprechen, ein differenziertes Bild

 

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