«  1  »

 

Gemeinderat, 18. Sitzung vom 26.01.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 4 von 76

 

Missbrauch und erlebten schrecklichen Vorkommnissen in Einrichtungen ist durchaus nicht auf den Wilhelminenberg beschränkt gewesen. Es ist dies auch nie in Frage gestellt worden, und es handelt sich hier tatsächlich um Missbrauch, Missbrauchsvorwürfe, aber auch Misshandlungsvorwürfe in verschiedensten Einrichtungen. Ich habe ja auch bereits in der Fragestunde hier durchaus immer wieder auf andere Einrichtungen verwiesen.

 

Ich denke, trotzdem ist es notwendig, dass gerade die Vorwürfe, die am Wilhelminenberg erhoben wurden, die ja durchaus und zweifellos von einer anderen Qualität sind als viele andere Missbrauchsvorwürfe, einer eingehenderen Untersuchung unterzogen werden. Wir haben uns daher entschlossen, gerade diesem Bereich - es geht hier doch um Vorwürfe systematischer Vergewaltigung, systematischen Missbrauchs bis hin, ich sage es jetzt einmal, zu Mädchenhandel -, wo ich denke, dass dies notwendig ist, besonderes Augenmerk zu widmen.

 

Nichtsdestotrotz wurden natürlich auch in den anderen Einrichtungen jene Maßnahmen gesetzt, zu denen wir uns auch bekannt haben, nämlich einerseits und in erster Linie entsprechende Unterstützung der Opfer im Bereich der Therapie, aber auch von Entschädigungszahlungen - ein ganz wichtiger und wesentlicher Bereich -, aber andererseits auch durch die Einsetzung der Historikerkommission dem Wunsch vieler Opfer Rechnung zu tragen, ihrem erlittenen Leid auch eine entsprechende Stimme zu geben.

 

Ich weise noch einmal darauf hin, denn die Verkürzung der Darstellung ist durchaus etwas, das vielen Opfern auch nicht gerecht wird, wenn es immer reduziert wird auf die entsprechenden finanziellen Entschädigungszahlungen. Viele der Opfer wandten sich an die Kinder- und Jugendanwaltschaft als erste Anlaufstelle beziehungsweise an den Weissen Ring gerade auch immer wieder mit dem Wunsch, dass ihr erlittenes Leid letztendlich auch in der Öffentlichkeit bekannt wird und auch historisch aufgearbeitet wird. Das war für uns auch die zentrale Motivation, die Historikerkommission einzusetzen, um diesem Wunsch auch Rechnung zu tragen.

 

Viele der Opfer haben auch gesagt, es geht uns nicht um finanzielle Entschädigung, aber es geht uns um die Anerkennung von erlittenem Leid. Und ich denke, die Erklärung, die gerade auch der Bürgermeister und ich im Rahmen einer Pressekonferenz abgegeben haben, wo wir jene Opfer auch öffentlich um Verzeihung gebeten haben, war hier, zusammen mit den entsprechenden unterstützenden Maßnahmen, vor allem auch im Bereich der Therapie, ein wichtiges und wesentliches Zeichen.

 

Ich bitte aber gleichzeitig auch um Verständnis, dass die Stadt Wien als solche nicht dem Wunsch nach einer lückenlosen Aufklärung in jedem einzelnen Fall Rechnung tragen können wird. Es gibt dafür die entsprechenden Institutionen, die auch die Strafverfolgung vornehmen können. Aber wir bekennen uns zu diesem erlittenen Leid, nicht zuletzt durch jene Unterstützungsmaßnahmen, die den Opfern besonders helfen: die Vorfälle nicht zu verheimlichen, sie historisch aufzuarbeiten und den Opfern jene Unterstützung zu geben, die sie sich verdient haben, in Form von Therapie beziehungsweise auch in Form von finanziellen Entschädigungszahlungen.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 2. Zusatzfrage wird von Frau GRin Mag Anger-Koch gestellt. - Bitte schön.

 

9.10.32

GRin Mag Ines Anger-Koch (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sie haben jetzt gerade das anerkannte Leid der Opfer bei der Wilhelminenberg-Geschichte angesprochen. Ich möchte jetzt trotzdem noch einmal darauf zurückkommen, dass eigentlich auch das anerkannte Leid der anderen Opfer, die missbraucht worden sind, wichtig wäre, und würde Sie bitten, mir zu erklären, warum zum Beispiel eine Ausdehnung des Prüfungsauftrags und der Prüfungskompetenz der für den Wilhelminenberg eingesetzten Prüfungskommission auf die anderen Missbrauchsfälle nicht erfolgen kann.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Christian Oxonitsch: Einmal mehr: Ich denke, die Vorwürfe, die in Bezug auf den Wilhelminenberg erhoben wurden, unterscheiden sich sehr grundlegend von jenen Fällen, die bekanntlich nicht nur Wien, sondern letztendlich natürlich alle Bundesländer beschäftigen. Und ich denke, wenn wir uns ansehen, in welchem Ausmaß sich die Stadt Wien hier zu jenem erlittenen Leid bekannt hat, nämlich in Form auch der bereits getroffenen Gemeinderatsbeschlüsse, in Form der Höhe der Entschädigungen - 5,6 Millionen EUR in einem ersten Beschluss des Gemeinderats, eine Aufstockung der entsprechenden Mittel im Rahmen von 3 Millionen EUR in einer der letzten Gemeinderatssitzungen -, so zeigt dies, wie ernst wir diesen Bereich nehmen.

 

Wie ernst wir ihn nehmen, zeigt sich auch dadurch, dass wir die Opferschutzorganisation des Weissen Rings beauftragt haben, die Abwicklung vorzunehmen, weil es dort auch jene Expertinnen und Experten gibt, die gerade im Bereich des Opferschutzes über große Erfahrung verfügen, und es zeigt sich vor allem auch – ich habe das auch schon in der vorhergehenden Antwort angesprochen – im Bereich der Hilfestellung nicht nur materieller Art, sondern auch durch Therapien. Darin unterscheiden wir uns sehr grundlegend von allen anderen Bundesländern, dass wir gerade auch in diesem Bereich den Opfern eine unmittelbare Unterstützung geben, und es zeigt, wie sorgsam und sorgfältig wir mit diesen Vorwürfen umgehen und wie ernst wir diese nehmen, wir ernst wir die Aufarbeitung nehmen, nicht zuletzt auch durch die Historikerkommission, wo es schon auch darum geht, den gesellschaftlichen Kontext ein wenig im Zusammenhang mit diesen Vorwürfen zu sehen und mit der Erziehungspraxis in Einrichtungen, sei es in solchen der Stadt, sei es natürlich auch in anderen Einrichtungen innerhalb der Stadt, nämlich jenen Einrichtungen, die der Aufsicht der Stadt unterliegen.

 

Ich möchte daher den Vorwurf, dass man jene Vorwürfe nicht ernst nimmt, jedenfalls zurückweisen.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular