Gemeinderat,
60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll -
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mit den Wiener Linien zu fahren, sondern man bekommt damit auch
Ermäßigungen bei den Städtischen Büchereien, in den Städtischen Bädern und seit
Herbst des Vorjahres kann man auch ermäßigt Kurse in den Volkshochschulen
besuchen. Das bezieht sich nicht nur auf die Fahrt.
Armut gibt es nicht nur in Wien, sondern in allen Bundesländern und in
allen Staaten Europas. In allen Großstädten ist sie überdurchschnittlich, weil
in den Städten mehr Alleinerziehende, mehr Arbeitslose, mehr Zuwanderer und
mehr ältere Menschen leben. Es sind häufig genau diese Bevölkerungsgruppen, die
in der Hoffnung auf Arbeit und Einkommen in die Städte ziehen, weil sie in
ihren Heimatregionen oder in ihren Heimatländern keine Perspektiven haben. Die
Zahl der armutsgefährdeten Menschen ist in den letzten Jahren in Österreich
daher gestiegen, weil auch die Zahl der Arbeitslosen angestiegen ist. Auch in
Wien, aber nicht nur in Wien. Leider schützt auch Erwerbsarbeit nicht immer vor
Armut, weil die Wirtschaft immer mehr prekäre Arbeitsverhältnisse anbietet, die
in Wahrheit nicht mehr zum Leben reichen. So hat etwa auch in den letzten Jahren
die Zahl der RichtsatzergänzungsbezieherInnen in Wien zugenommen, das heißt,
jene Anzahl von Personen, die trotz Erwerbstätigkeit nicht genug Einkommen aus
dieser Arbeit erzielen. Es ist das Phänomen der Working Poor, der
Armutsgefährdung trotz Arbeit. Die Zahl der armutsgefährdeten Menschen ist in
den letzten Jahren auch gestiegen, weil die Zahl der Zuwanderer nach Österreich
gestiegen ist. Allein in den Jahren 2000 bis 2005 unter der
ÖVP/FPÖ-Bundesregierung hat sich die Zahl der Zuwanderer verdoppelt. Bei
zugewanderten Familien treffen mehrere Probleme zusammen: Geringer bezahlte
Jobs, höheres Risiko, arbeitslos zu werden, eine größere Kinderanzahl, welche
wiederum die Erwerbstätigkeit von Frauen erschwert.
Armut und Armutsbekämpfung werden in der Wissenschaft schon lange nicht
mehr rein einkommensorientiert gesehen, ist also nicht nur an der Zahl der
Sozialhilfeempfänger zu messen, wie das die GRÜNEN tun, ganz im Gegenteil.
Armut bedeutet vor allem geringere Verwirklichungschancen in vielen Lebensbereichen
und daher kann Armutsbekämpfung nicht nur darin bestehen, mehr Geld etwa in
Form von Einkommen oder Sozialhilfe sicherzustellen, obwohl, und auch das weist
die Statistik Austria klar nach, in Wien durch Sozialleistungen von allen
Ländern und Regionen am meisten die Armutsgefährdung gesenkt wird.
Sozialleistungen wirken in Wien also am besten gegen Armutsgefährdung.
Es geht aber vor allem darum, trotz geringer Einkommen die
Verwirklichungschancen ärmerer Menschen sicherzustellen. Der Markt tut das nicht
und daher müssen Staat und Stadt einspringen, wo der Markt versagt. Die
Verwirklichungschancen von ärmeren Menschen werden in Wien erhöht, etwa wenn
man sich kein Auto leisten kann, aber die Mobilität durch öffentliche
Verkehrsmittel gewährleistet ist, wie das in Wien etwa auch mit dem Mobilpass
der Fall ist. Die Verwirklichungschancen von ärmeren Menschen werden erhöht,
wenn ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen bereit gestellt werden, wodurch
sie Frauen ohne Erwerbstätigkeit ermöglicht wird, wie das in Wien weit besser
der Fall als in vielen ländlichen Regionen. Noch dazu, da die Kinderbetreuung
in Wien seit Herbst des Vorjahres beitragsfrei ist. Die Verwirklichungschancen
von ärmeren Menschen und deren Kinder werden erhöht, wenn ihnen ein leistbares
und modernes Bildungssystem offen steht, wie das in Wien in Form der
Ganztagsschulen der Fall ist. Diese werden bereits weiter ausgebaut und es wird
auch die ganztägige Betreuung angeboten, wodurch wiederum Frauen mehr Chancen
auf Erwerbstätigkeit haben. Die Verwirklichungschancen von ärmeren Menschen
werden auch erhöht, wenn sie nicht bloß Arbeitslosengeld bekommen, sondern neue
Berufschancen durch neue Qualifikation erhöht werden, wie das etwa durch den
Wiener Arbeitnehmerförderungsfonds in vielfältiger Weise getan wird, denn
Arbeit ist noch immer die beste Form der Armutsbekämpfung. Armutsgefährdung
wird auch vermieden, wenn gute ambulante Dienste für betreuungs- und
pflegebedürftige Menschen zur Verfügung stehen. Diese Menschen müssen dann
nicht mehr durch ihre Angehörigen betreut und gepflegt werden, wodurch diese
Angehörigen, und das sind auch meist wieder Frauen, ihre Erwerbstätigkeit nicht
einschränken müssen. Auch das ist in Wien in überdurchschnittlicher Weise der
Fall. Armutsgefährdung wird auch vermieden, wenn eine große Anzahl von
finanziell leistbaren Wohnungen zur Verfügung steht. 220 000
gemeindeeigene Wohnungen leisten in Wien einen wesentlichen Beitrag dazu.
Armutsbekämpfung durch Erhöhung von Verwirklichungschancen ist also
etwas, was viele Teile der Wiener Politik und der Stadtverwaltung ganz konkret
und in höherem Maße als andere Städte und Bundesländer tun. Leistungen der
öffentlichen Hand senken nachweislich die Armutsgefährdung. Wien trägt durch
seine öffentlichen Dienstleistungen wesentlich dazu bei, dass armutsgefährdete
Menschen in Wien tatsächlich vor Armut geschützt sind. Wien trägt durch seine
öffentlichen Dienste dazu bei, die Verwirklichungschancen armutsgefährdeter
Menschen zu erhöhen. Und Wien ist mit all diesen Angeboten federführend im
Auseinanderdriften unserer Gesellschaft und hilft den Menschen, die es wirklich
brauchen. Wien hilft den Menschen konkret und rasch! (Beifall bei der SPÖ.)
Wien hat, wie die Statistik Austria nachweist, mit
Abstand die höchsten Sozialausgaben aller Bundesländer. Sie sind etwa doppelt
so hoch wie in Oberösterreich
und Niederösterreich. Ja, es stimmt, die meisten SozialhilfeempfängerInnen in
Österreich gibt es in Wien. Das bedeutet aber nicht, dass die Armut in Wien die
höchste ist und in den Bundesländern geringer wäre. Ganz im Gegenteil. Am Land
ist das Phänomen der verschämten Armut zu beobachten, wo eigentlich
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