Gemeinderat,
57. Sitzung vom 26.02.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 86 von 111
Hauses – das übrigens im Besitz der Stadt Wien ist – und für
das Personal ausgegeben. Das sind knapp 800 000 EUR.
Es ist sehr wohl gerechtfertigt, dass eine ehrwürdige, international höchst
angesehene Kunstinstitution von der Stadt Wien gefördert wird. Dieses Haus hat
jedes Jahr 100 000 Besucherinnen und Besucher, von denen mehr als die
Hälfte insbesondere kommen, um den Beethoven-Fries zu sehen. (Zwischenrufe
bei der FPÖ.)
Das ist ein ganz wesentlicher Faktor auch für den Wien-Tourismus. Sie
aber stellen sich hierher und sprechen von Zusperren, Zensurieren, Abdrehen und
vom Streichen der Subvention! Das ist einfach unglaublich! Das ist
unverantwortlich! Das muss man einmal deutlich sagen, auch wenn es Ihnen noch
so oft nicht passt! (Beifall bei der
SPÖ. – Zwischenruf von GR Mag
Wolfgang Jung.)
Die Wienerinnen und Wiener werden das genau so sehen. Die Secession ist
durch diese Konstruktion und durch diese Finanzierung tatsächlich das Haus der
Freiheit der Kunst. Das Motto steht nicht zufällig auf der Kuppel der
Secession, sondern das ist das zentrale Motto, und das müssen wir auch
akzeptieren.
Derzeit laufen in der Secession zwei Ausstellungsprojekte. Sie meinen
offenbar, da gibt es nur einen Swingerklub, und das ist die Secession! Es
werden jetzt aber zwei Kunstprojekte in der Secession gezeigt. Im Hauptraum
wird die Arbeit „Atlas“ der österreichischen Künstler Nicole Six &
Paul Petritsch präsentiert, und in den darunter liegenden Räumen ist ein
vielfältiges Kunstprojekt von Christoph Büchel zu sehen, das aus vier Teilen
besteht, und zwar aus einem Fassadenprojekt mit zwei sehr witzigen
Sponsoring-Projekten, die in die Gestaltung integriert sind. Was daran witzig
ist ... (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Ich weiß
schon, was für Sie witzig ist! Verschonen Sie aber bitte wirklich den Wiener
Gemeinderat mit Ihren Phantasien und Ihren Zwischenrufen! (Beifall bei der
SPÖ.)
Das Projekt von Christoph Büchel besteht aus diesem Fassadenprojekt,
aus dem Kuppelprojekt, wo er das Motto für die Zeit der Ausstellung adaptiert
hat sowie aus der Installation und Interpretation des Traumes mit dem
weltberühmten Beethoven-Fries. Dazu kann ich Ihnen auch sagen: Die
Besucherinnen und Besucher der Secession, insbesondere Kinder und Jugendliche,
gelangen in den Raum mit dem Beethoven-Fries, ohne dass sie durch das Grafische
Kabinett gehen müssen. All das ist ganz genau überlegt. All das verstehen Sie
aber nicht beziehungsweise wollen Sie gar nicht verstehen, weil Ihnen das nicht
passen würde!
Im Prinzip ist der „Raum für Sexkultur“ nur einer der vier Teile dieses
Projekts: Nur ein Raum im Souterrain, der tagsüber als ganz normaler
Ausstellungsraum über Eintritt in die Secession zu besuchen ist, wird nachts an
gewissen Abenden von Element6 bespielt.
Christoph Büchel – das wurde heute schon gesagt – ist ein
international gefragter Künstler, einer der bedeutendsten Künstler der Schweiz.
Er ist Konzeptkünstler und ein besonders talentierter Provokateur. Er realisiert
all seine Projekte so, dass vorher nicht bekannt ist, welches Projekt es geben
wird. Es war daher nicht einmal außerhalb der Secession bekannt, welches
Projekt gezeigt wird. Daher konnten weder der Herr Kulturstadtrat noch sonst
jemand aus der Kulturabteilung der Stadt Wien wissen, was da gezeigt werden
wird! Und das ist auch gut so, denn das ist nicht unsere Entscheidung.
Christoph Büchel trifft mit seinen Arbeiten immer haargenau Wunden
einer Stadt, eines Ortes und einer Gesellschaft. Und Büchel kann Ihnen einfach
nur applaudieren, so genau hätte er sich das wahrscheinlich gar nicht
vorstellen können! Er inszeniert reale Gesellschaftszustände, setzt soziale
Realitätsstücke in verfremdete Zusammenhänge und stellt sie in Kunsträumen
kommentarlos aus. Das eigentliche Kunstprojekt ist der öffentliche Diskurs, und
den haben Sie nun tatsächlich geführt, und Sie führen ihn weiter!
Sie haben das Projekt Parteienmesse „Politica“ in Kassel schon erwähnt.
Büchel hat damals – um noch einmal deutlich zu sagen, worum es gegangen
ist – alle in Deutschland zugelassenen politischen Parteien eingeladen,
sich bei dieser Politikmesse mit Messeständen und Präsentationen vorzustellen.
Der eigentliche Gag dabei war, dass dann plötzlichen die SPD, die CDU, die CSU
und die FDP neben der NDP gestanden sind, daraufhin entrüstet abgezogen sind
und gesagt haben, dass sie sich nicht neben die NDP stellen wollen. Dann war
nur mehr die NDP dort, und dann wurde das Kunstprojekt abgebrochen, weil damit
der Zweck erfüllt war. Büchel wollte der deutschen Öffentlichkeit zeigen, dass
es einfach unmöglich ist, dass eine Partei wie die NDP eine offiziell in
Deutschland zugelassene Partei ist.
In Salzburg hat er 2006 ein Bürgerbegehren gegen die Verschandelung der
Stadt durch zeitgenössische Kunst initiiert, und er hat für dieses
Bürgerbegehren so regen Zulauf bekommen, dass die Stadt Salzburg es dann
gestoppt hat.
Diese Konzeptkunst von Christoph Büchel funktioniert selbstverständlich
nur, wenn der öffentliche Diskurs funktioniert und es öffentliche Erregung
gibt, und das ist ihm nun tatsächlich genau gelungen! Der Herr Stadtrat hat
schon ausgeführt, dass alles genehmigt ist und nichts geschieht, was verboten
ist. Der vierte Teil des Projekts im Raum für Sexkultur ist eine autonome wirtschaftliche
Veranstaltung und funktioniert ohne Förderung. Der Künstler hat
tatsächlich – das habe ich auch gesehen! – eine
Verlustabdeckungsgarantie abgegeben. Sollte es sich mit den Einnahmen nicht
ausgehen, dann zahlt er. Und er kann sich das wirklich leisten! Durch Ihre
Teilnahme an seinem Projekt hat er nämlich seinen Marktwert so sehr gesteigert,
dass er das aus der Portokassa zahlen könnte! Darüber braucht er sich keine
Sorgen zu machen!
Die Politik entscheidet nicht über Kunst, nicht über
Spielpläne, nicht über Ausstellungen, nicht über Programme und Projekte,
sondern die Politik schafft nur finanzielle und sonstige Rahmenbedingungen
sowie ein Klima der Offenheit und Liberalität. Die Politik garantiert die
Freiheit der Kunst. Und gerade durch dieses Projekt
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