Gemeinderat,
57. Sitzung vom 26.02.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 84 von 111
Auch wenn man durchaus dafür sein kann, dass es auch ein bisschen Spaß
in der Politik gibt, muss ich trotzdem sagen: Das waren jetzt Wortmeldungen,
Herr Madejski und Herr Jung, die der Würde dieses Hauses nicht entsprechen.
Davon kann man sich wirklich nur distanzieren! Leben Sie bitte Ihre
schlüpfrigen Phantasien anderswo aus, aber nicht hier im Gemeinderat der Stadt
Wien! (Beifall bei der SPÖ. – GR Dr Herbert Madejski: Das ist
traurig!)
Ich werde versuchen, was jetzt nicht leicht ist, wieder zum Thema
zurückzukommen. Ich werde versuchen, wieder ernsthaft auf das Thema Kunst und
auf das, was das mit der dringlichen Initiative in diesem Haus zu tun hat, zu
sprechen zu kommen.
Kunst hatte immer wieder mit Widerspruch, Irritation und Provokation zu
tun. Diese Tatsache ist so alt wie die Geschichte der Kunst. Dafür gibt es
unzählige Beispiele in der Kunstgeschichte. Manche haben das perfekt gekonnt.
Ich nenne jetzt nur Klaus Peymann, der den Skandal mit „Heldenplatz“ wochenlang
inszeniert hat. Und das hat perfekt funktioniert! Außerdem erinnere ich an die
legendäre Aktion von Markus Geiger, der die Secession rot angemalt hat. –
Man könnte hunderte Beispiele erwähnen.
Provokation funktioniert manchmal. Manchmal funktioniert sie nicht.
Gestern hat sie beispielsweise nicht funktioniert. Ihr Parteiführer HC Strache
wollte einen Skandal in der Josefstadt herbeischreiben. Er hat gesagt, man
ziehe den armen Hans Moser in den Dreck, und hat prophezeit, dass das ein
riesiger Skandal wird. – Dieser riesige Skandal hat aber nicht
stattgefunden! Die Provokation hat nicht funktioniert. Das Premierenpublikum
der Wiener Josefstadt hat gestern dem Stück, der Aufführung, den Schauspielern
und Schauspielerinnen und dem Autor heftig Applaus gespendet, und dabei handelt
es sich tatsächlich in der Josefstadt nicht um ein Publikum, in dem
linksradikale oder besonders linke Kräfte vertreten sind, sondern eher um ein
bürgerliches Publikum.
So ist das mit Provokation: Manchmal funktioniert Provokation nicht.
Christoph Büchel ist ein talentierter Provokateur. Bei ihm hat es funktioniert.
Das Ganze ist aber viel differenzierter, als es bei dieser Debatte wirken mag.
Es hat in Wirklichkeit zwei wichtige Akteure bei diesem Kunstprojekt gegeben:
Der eine Akteur waren die Gratiszeitungen „Heute“ und „Österreich“, die sich in
der Stadt ein beinhartes Match in den Tiefen der Wiener U-Bahn um Gratisleser
und -leserinnen und Auflagestärken und damit um den Marktwert für Inserate
liefern. (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Diese Gratiszeitungen
müssen das journalistische Niveau offensichtlich jeden Tag noch weiter senken,
um diesen beinharten Kampf gegen die andere Gratiszeitung bestehen zu können.
Daher scheuen diese Zeitungen vor keiner Unwahrheit, keiner Erfindung, keiner
Halbwahrheit oder Verdrehung von Tatsachen zurück. Die Zeitung „Österreich“,
deren Redaktion in der unmittelbaren Nachbarschaft der Secession liegt, hat
bisher noch nie über eine Ausstellung der Wiener Secession geschrieben.
Jetzt hat „Österreich“ aber wirklich nicht darauf verzichtet, die
tiefsten Register zu ziehen, um einen Skandal zu haben. Man scheut bei dieser
Zeitung nicht davor zurück, Fotos zu veröffentlichen, die nichts mit der
Kunstinstallation in der Secession zu tun haben und nicht einmal dort
aufgenommen wurden, sondern inszeniert sind und von einschlägigen Agenturen
zugekauft wurden. Man wusste in der Redaktion haargenau: Bilder sagen mehr als
viele Worte. Deswegen wurden Bilder gebracht, die der Realität nicht entsprochen
haben.
Das muss gesagt werden: Hier hat ein Akteur seine voyeuristischen
Phantasien ausgespielt, und darüber freuen sich die Herausgeber, vielleicht
einzelne Redakteure und wahrscheinlich der kaufmännische Direktor von
„Österreich“, und darüber freuen sich leider auch viele Leserinnen und Leser
dieser Zeitung.
Der zweite wesentliche Akteur dieses Kunstprojekts ist die Wiener FPÖ.
Sie ist ein ganz verlässlicher Partner für provozierende Künstler. Auf die FPÖ
kann man sich verlassen. Immer funktioniert dieser Reflex des sabbernden
Pawlow’schen Hundes. (Zwischenruf von StR Johann Herzog.) Immer, wenn es
in dieser Stadt ein Kunstprojekt gibt, das der FPÖ nicht gefällt oder das die
FPÖ nicht versteht, dann schreit sie nach Zensur, nach Zusperren, nach
Subventionsentzug, nach Verbot, nach Beseitigung.
Das stimmt, auch wenn Sie jetzt sagen, Sie sagen das nicht! Sie haben
sofort verlangt, dass der Bürgermeister die Subvention zurückzieht. Sie haben
sofort verlangt, dass zugesperrt wird. Ihr Parteiführer HC Strache hat
gestern sofort verlangt, dass das Stück „Moser“ von Franzobel in der Josefstadt
abgesetzt wird. Sie haben sofort verlangt, dass die Kunstinstallation „Warten
auf Vögel“, das Holzkunstwerk mit 100 Vogelnistkästen des burgenländischen Künstlers
Josef Bernhardt, umgeschnitten wird. Sie haben auch einen Antrag in der
Bezirksvertretung Landstraße gestellt, dass das Kunstwerk beseitigt wird.
Sie sind nicht nur gegen die Freiheit der Kunst, sondern Sie sind
garantiert gegen alle Kunstprojekte, die Ihnen nicht genehm sind! Und wir
stellen uns dem entgegen, weil wir wissen, wo das in der Geschichte schon
einmal geendet hat! Da ging es nicht nur um Zensur, um Verbieten, Absetzen und
Zusperren, sondern da ging es um das Verbrennen von Büchern und letztlich um
die Beseitigung von Menschen. Dieser Entwicklung werden wir allerdings auch in
der Kunstdiskussion unseren heftigen Widerstand entgegensetzen! (Beifall bei der SPÖ.)
Wie tief die politische Kultur insbesondere durch die FPÖ gesunken ist,
zeigt auch der Text der Anfrage. Ehrlich gesagt: Jeder Deutschlehrer in der
Volksschule würde das nicht durchgehen lassen! Solche Formulierungen sind
einfach in einem normalen, der Öffentlichkeit vorliegenden Druckwerk nicht
zulässig! Ich will das jetzt nicht noch einmal vorlesen, es ist heute leider
ohnedies schon vorgelesen worden. Diese Sätze würde jeder Deutschlehrer
ausbessern. Sie beinhalten sprachliche Fehler, Rechtschreibfehler und
inhaltliche Fehler. (GRin Henriette Frank: Das ist die Freiheit der Kunst!)
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