Gemeinderat,
57. Sitzung vom 26.02.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 79 von 111
entscheiden, was Kunst ist! (StR
Johann Herzog: Es geht um die Förderung!) - Über die Steuergelder können
wir auch diskutieren. Wir können auch über Subventionen diskutieren. Aber er
hat gesagt, das ist keine Kunst. Und das ist nicht seine Aufgabe! Das ist nicht
Aufgabe der Politik! (StR Johann Herzog:
Das ist eine Meinung!) Das hatten wir schon und das ist schiefgegangen! (Beifall
bei GRÜNEN und SPÖ. - StR Johann Herzog: Dass es gefördert wird, ist zu
diskutieren!)
Zur Anfragebeantwortung sei mir nur eine kleine Anmerkung erlaubt, Herr
Stadtrat. Sie haben gesagt, dass null Steuergelder der Wienerinnen und Wiener
in dieses Kunstprojekt geflossen seien. Das mag sein. Ich kann das jetzt nicht
einmal überprüfen, ich weiß es nicht. Wenn schon, auch ein Kulturstadtrat kann
zu diesem Projekt stehen, kann zur Secession und auch zu dem öffentlichen
Diskurs zu heiklen Themen stehen. Ich finde, es ist offensichtlich in dieser
Stadt notwendig, das auch zu sagen. Das ist auch einer der Gründe, warum wir
GRÜNE uns ganz sicher hinter den Künstler, hinter dieses Projekt und hinter die
Secession stellen und sie vollends unterstützen werden.
Nun sind wir eben ein Teil dieses Kunstwerks. Also diskutieren wir
darüber, weil immerhin ermöglicht das auch gewisse Diskussionen darüber, was
denn überhaupt die Aufgabe der Kulturpolitik ist. Ist die Aufgabe der
Kulturpolitik zu werten, was moralische und unmoralische Kunst ist? Ist es
unsere Aufgabe als Kulturpolitiker und Kulturpolitikerinnen zu sagen, was
statthaft und unstatthaft ist? Ist es unser Ding zu sagen, was anständig oder
unanständig ist? Oder ist das eine Frage der öffentlichen Diskussion? Natürlich
können wir diese öffentliche Diskussion beeinflussen, aber eines sage ich Ihnen
schon, sehr geehrte Damen und Herren, mit Bigotterie und mit Doppelmoral kommen
Sie sicherlich nicht weiter! Ich finde es eine absolut widerliche Doppelmoral
der FPÖ, ein Kunstprojekt in dieser Form anzugreifen, obwohl - wir wissen es
doch alle - es Heuchelei ist. In dieser Stadt gibt es Sexshops. In dieser Stadt
gibt es Swingerklubs. In dieser Stadt gibt es eine kommerzialisierte Szene der
Sexualität und eine nichtkommerzielle Szene der Sexualität. In dieser Stadt
findet zum Glück Sexualität in einem freien Ambiente, in einem liberalen
Ambiente statt. Jetzt allerdings dieses Kunstprojekt zu nehmen und anzugreifen,
ist absolute Doppelmoral. Selbstverständlich ist es Grundaufgabe der Kunst,
Dinge, Geschehnisse, Ereignisse, Situationen, das menschliche Leben, das in
unserer Stadt stattfindet, an sich zu artikulieren, Menschen damit zu
konfrontieren und diese Verfremdung, einen Swingerklub in einem
Ausstellungsraum zu machen, ist genau das.
Ich war gestern, zum Unterschied von Ihnen, vor 21 Uhr, zugegeben,
dort. Aber das ist eigentlich spannend. Ich war auch noch nie in einem
Swingerklub. Man geht durch ein Museum und erfährt zum ersten Mal Dinge, über
die sich ganz viele Menschen in Wahrheit Gedanken machen. Viele kennen es von innen
und wir alle kennen es von außen. Jeder, der es nur von außen kennt, fragt
sich, wie es darin eigentlich ist. Wer behauptet, es sei nicht so, lügt meiner
Meinung nach. Selbstverständlich macht die Kunst genau das. Sie macht etwas
sichtbar. Sie thematisiert etwas, was in dieser Stadt tagtäglich stattfindet.
Was daran schlecht ist, können Sie beantworten. Ich sehe darin
überhaupt nichts Schlechtes, im Gegenteil. Wenn wir uns die Kunstgeschichte
anschauen, und ich hatte das Vergnügen, immerhin drei Jahre Kunstgeschichte
studiert zu haben, war und ist Sexualität immer ein wichtiges Element der
Kunstgeschichte gewesen, seit, und das hat der Herr Stadtrat gesagt, und da hat
er recht, die Menschheit Kunst macht. Die Sumerer, denen wir die Schrift zu
verdanken haben, haben bereits Sexualität dargestellt. Wir wissen sehr viel
über die Sexualität der alten Ägypter, weil es nämlich Papyrusrollen aus
Bordellen gibt. Wir haben Wandmalereien in Pompeji und im Römischen Reich. Wir
haben Sexualitätsdarstellungen auf griechischen Vasen. Wir hatten erotische
Darstellungen aus allen Kunstepochen und es war immer eine wichtige Phase. Es
gab aber auch die Phasen, wo zensiert wurde, zum Beispiel Michelangelos
„Jüngstes Gericht" in der Sixtinischen Kapelle. Da mussten dann die Schleier
übermalt werden, weil Nacktheit nicht dargestellt werden durfte. Oder von
Statuen wurden später die Genitalien mit Feigenblättern überdeckt, weil das
nicht zumutbar ist.
Sie reihen sich gerade in die Feigenblattfraktion ein, während wir
sagen, wir verteidigen die Freiheit der Kunst. Das ist ganz wichtig! (Beifall
bei den GRÜNEN. - GR Mag Wolfgang Jung: Wir haben gesagt, nicht zumutbar ist
die öffentliche Förderung! Das ist ein Unterschied!)
Die Doppelmoral der Freiheitlichen Partei, und damit komme ich
eigentlich schon zum Abschluss, denn länger braucht man nicht darüber zu
diskutieren, zeigt sich durch sexuelle Intervention im öffentlichen Raum, die
wir durchaus auch von Ihrer Fraktion gewohnt sind. Ich werde Ihnen zum
Abschluss einfach ein Foto vor Ihre Fraktion hinstellen, weil es Ihr eigener
Parteivorsitzender ist, der überhaupt kein Problem damit hat, in Diskotheken,
wo Jugendliche und junge Menschen sind, sein Autogramm auf Brüste zu geben! So
viel zu Ihrer Doppelmoral! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. - GR Marco Schreuder
stellt ein vergrößertes Foto, auf dem Heinz Christian Strache beim Signieren
von weiblichen Brüsten zu sehen ist, vor die Sitzreihen der FPÖ. - GR Dr
Herbert Madejski: Wer sagt, dass er kein Künstler ist!)
Vorsitzende GRin Inge Zankl:
Als Nächster am Wort ist Herr GR Dr Wolf. Ich erteile es ihm.
GR Dr Franz Ferdinand Wolf (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Das Projekt von Christoph Büchel funktioniert. Herr General, Sie sind
eine Art Idealbesetzung. Sie realisieren hier, Sie spielen mit und sind in der
Erregungsfalle. Ich fürchte, genau das war bezweckt. (Beifall bei der ÖVP.)
Aber auch Rot-Grün spielt genau die Rolle, die
Christoph Büchel Ihnen zugemessen hat. Sie verteidigen
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