Gemeinderat,
55. Sitzung vom 18.12.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 123
Bevölkerung zu befragen, ob sie nicht dafür eintritt, dass die U-Bahn
verlängert wird?
Wie wäre es mit der Frage, ob es nicht eine gute Idee wäre und die
Bevölkerung vielleicht dafür ist, dass Netzkartenbesitzer bei den Wiener Linien
gratis parken können, wenn Ihnen die Verkehrsprobleme ein Anliegen sind?
Wie wäre es mit der Frage, ob die Bevölkerung einverstanden ist, bis
22 Uhr Kurzparkscheine auszufüllen und bei jedem Theaterbesuch, bei jeder
privaten Einladung, bei jedem Kinobesuch ein Problem zu haben? Wie wäre es zu
fragen: Sind Sie dafür, dass die Parkraumbewirtschaftung um 19 Uhr endet?
Wie wäre es mit Fragen – heißes Thema, das bis jetzt nicht diskutiert
wurde – zur Integration? Vielleicht gibt es hier Vorschläge, die die
Bevölkerung gerne wüsste und vielleicht dazu Ja oder Nein sagen will.
Wie wäre es mit Fragen, ob die Wienerinnen und Wiener Aufklärung haben
wollen, wo Geld versickert? Wie wäre es, wenn man fragt: Sind Sie für die
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, um restlos klarzustellen, wo die
Gelder geblieben sind am Prater-Vorplatz, zum Beispiel? (Beifall bei der
ÖVP.)
Es gibt eine Fülle von Fragen, die interessant sind, und die
Bevölkerung hätte Interesse, darauf Antworten zu geben. Bei diesen Fragen hält
sich das Interesse in Grenzen. Es ist Pfusch, es ist ein Schmäh, und daher
lehnen wir das bei jedem Bekenntnis zur direkten Demokratie ab. – Danke schön. (Beifall
bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Herr GR Dr
Stürzenbecher.
GR Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion
des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte auch bei diesem Thema hier auf der sachlichen Ebene bleiben,
um mich von meinem Vorredner zu unterscheiden (Ironische Heiterkeit bei der ÖVP.), der wieder einmal sehr tief in
die Polemikkiste gegriffen und bei seinem Auftritt hier nur einen Satz aus
dieser Frage da vorgelesen hat: „Sind Sie dafür, dass die U-Bahn am Wochenende
auch in der Nacht fährt?" Nicht vorgelesen hat er, dass im erklärenden
Teil steht: In Wien fahren täglich Nachtbusse von 0.30 Uhr bis 5 Uhr.
Ein 24 Stunden Betrieb am Wochenende, Freitag und Samstag, kostet pro Jahr
5 Millionen EUR und bewirkt veränderte Fahrtrouten der Nachtbusse an
Wochenenden. – Da geht klar hervor, dass es eben um den Nachtbus bisher und
jetzt darum geht, ob die ganze Nacht durch auch die U-Bahn fahren soll, wie es
übrigens die Junge ÖVP, soviel ich weiß, längere Zeit verlangt hat, wenn auch
mit einem etwas anderen Modus.
So gesehen ist das, was Sie, Herr Kollege Wolf, gesagt haben, wirklich
unterste Schublade der Polemik. Wenn man das nicht mit dazu liest, was oben
ganz eindeutig steht und was natürlich jeder in der Wahlzelle dann auch vor
sich haben wird, ist das wirklich unseriös, und so eine unseriöse Vorgangsweise
lehnen wir ab. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich muss gleich bei der ÖVP bleiben. Der Kollege Ulm, der jetzt den
Vorsitz führt, hat in seiner Rede auch kritisiert, dass wir da die
5 Millionen EUR hinschreiben, und hat gemeint, dass das angeblich
suggestiv wäre. Warum soll das suggestiv sein? Die Wählerinnen und Wähler
sollen wissen und sollen entscheiden können: Das kostet 5 Millionen EUR.
Was ist mir jetzt wichtiger, dass die U-Bahn auch in der Nacht fährt und ich
dafür mit meinem Steuergeld zu den 5 Millionen EUR beitrage, oder
nicht? Und es werden sehr viele – durchaus auch aus unseren Reihen, vor allem
Jüngere – dem eher etwas abgewinnen können, und es werden viele Bürgerinnen und
Bürger das eher ablehnen. Und das wollen wir eben wissen, wo hier die Mehrheit
liegt. Das ist urdemokratisch und wirklich eine sehr gute Vorgangsweise, und
damit haben wir diese Frage dann gelöst.
Außerdem würden Sie, wenn Sie nicht im Schmollwinkel sitzen würden, mit
gutem Recht behaupten können, dass hier Ihr Gedankengut in unsere Befragung mit
eingeflossen ist, genauso wie der Gedanke der City-Maut von den Grünen bei uns eingeflossen ist.
Natürlich entscheidet schlussendlich eine Mehrheit, welche fünf oder
wie viel Fragen – aber fünf ist sozusagen gerade eine richtig gute Zahl –
tatsächlich abgestimmt werden. Man kann nicht 30, 40, 50 Fragen abstimmen, ich
meine, das ist ja vollkommen sinnlos, aber in der Willensbildung hat man auf
alle anderen Fraktionen geistig und von den Ideen her Rücksicht genommen.
Natürlich entscheidet dann im Endeffekt eine Mehrheit, was tatsächlich
abgestimmt wird. So ist das in der Demokratie, auch in der repräsentativen
Demokratie.
Damit bin ich beim Grundsätzlichen. Mit gutem Grund sieht unsere
Verfassungsordnung ja vor, dass der Schwerpunkt bei der repräsentativen
Demokratie liegt, aber es gibt sinnvolle Ergänzungen in der direkten
Demokratie. Und genau das üben wir hier aus, und ich glaube, auf eine für die
Bürger sehr attraktive Art und Weise. Das sind wirklich fünf Themen, fünf
Sachfragen, bei denen man nicht von vornherein weiß, wo hier eine Mehrheit ist,
und es interessiert uns ganz einfach feststellen zu können, was die Bürger in
diesen fünf Sachfragen wollen, die keine „No-na-Fragen“ sind – wie schon
zitiert wurde – und auch keine Suggestivfragen. Suggestivfragen sind in der
Strafprozessordnung eindeutig definiert, und da wird Ihnen jeder sagen, dass
das hier nicht der Fall ist, sondern es sind fünf wichtige Fragen, die die
Wienerinnen und Wiener entscheiden werden, und der Bürgermeister hat sehr
deutlich gesagt, dass er, obwohl es formal gesehen nicht verbindlich ist, den
Ausgang als verbindlich ansehen wird.
Also warum man alles schlechtreden muss, nur weil die anderen primär
einmal die Idee gehabt haben, jetzt eine Volksbefragung zu machen, frage ich
mich wirklich. Irgendwie schaut mir das alles ein bisschen nach schlechtem
Verlierer aus, und das müsste ja nicht so sein.
Weil wir gesagt haben, direkte Demokratie, eine
Ergänzung. Es ist eine Ergänzung, und es eignen sich nicht alle Fragen für
direkte Demokratie. Auch darüber
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