Gemeinderat,
47. Sitzung vom 25.05.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 69 von 88
Schmerzgrenze, jeder Wert, der in diesem Grundkonsens
enthalten ist, wird angetastet und es wird versucht, das Ganze ein Stückchen
weiterzuschieben.
Es handelt sich um eine Fraktion, die noch dazu immer
wieder von Mandatarinnen und Mandataren vertreten ist, die Probleme mit dem
Gedächtnis und mit dem Geschichtsverständnis haben. Ich rufe in Erinnerung,
dass sich Herr Bundesrat Gudenus nicht ganz sicher war, ob es Gaskammern
gegeben hat oder nicht. Ich rufe in Erinnerung, dass wir vor relativ kurzer
Zeit einen dritten Nationalratspräsidenten erhalten haben, den Herrn Graf, der
nicht nur Mitglied einer zeitweise verbotenen Burschenschaft war, wo wir davor
gewarnt haben, was das eigentlich bedeutet, jemand, der sich in diesem Umfeld
bewegt, der in früheren Jahren bei Veranstaltungen auch Saalschutz gegeben hat,
wo Rechtsextremisten ihre Ansichten zum Besten gegeben haben, in so ein hohes
Amt der Republik zu heben. Es ist passiert, teilweise sogar mit den Stimmen der
Sozialdemokratie. Das muss man an dieser Stelle mit großem Bedauern sagen. Was
haben wir danach gehabt? Was haben wir danach erlebt? Binnen kürzester Zeit
wurde dann bekannt, dass die Mitarbeiter aus seinem Büro bei rechtsextremen
Versandhäusern eindeutiges Material bestellen. (GR Mag Dietbert Kowarik: Wir sind hier im Wiener Gemeinderat!)
Wir haben es zuletzt auch mit einem allerletzten
Phänomen aus den letzten Wochen zu tun, auf das ich kurz zu sprechen kommen
möchte. Zu Rassismus, zu Hetze, zu antisemitischen Inseraten, zur Leugnung von
Straftaten aus der NS-Vergangenheit gesellt sich nämlich sozusagen noch etwas
Neues dazu, nämlich Politik mit dem Kreuz in der Hand. Das heißt, auch
bestimmte neue Formen des religiösen Fanatismus, wenn Sie so möchten, die wir
eigentlich bisher noch nicht in der Republik hatten. Denn so lange ich mich
erinnern kann, ist mir nicht bewusst, dass irgendeine Partei in Österreich mit
dem Christentum als Vorwand Hetze in einem Wahlkampf betrieben hat. (GRin Henriette Frank: Sie verstehen das
nicht!) Eines möchte ich Ihnen schon sagen, verehrte KollegInnen, ich
verstehe sehr viel und ich verstehe einiges sehr gut, aber ich finde es absolut
unangebracht und vermessen, auch Menschen gegenüber, die sehr religiös sind und
für die das Kreuz sehr viel bedeutet, es auf diese Art und Weise einfach zu
missbrauchen, damit bei Veranstaltungen zu wacheln, es als Vorwand zu nehmen,
um gegen andere zu hetzen und auf diese Art und Weise alle Prinzipien mit Füßen
zu treten, für die das Christentum eigentlich stünde. Aber das soll nicht mein
Problem sein, das soll Ihr Problem sein. Das sollen Sie mit sich selbst und
auch mit denjenigen, deren religiöse Gefühle Sie auf diese Art und Weise
verletzt haben, ausmachen. Was ich jedenfalls nicht möchte, ist, dass eine
Kultur mit unserer indirekten Unterstützung in dieser Stadt Einzug hält, in der
mit religiösen Vorwänden neuerdings Hetze betrieben wird, Menschen ausgegrenzt
werden, Minderheiten ausgegrenzt werden, der soziale Frieden in Frage gestellt
wird, Gräueltaten aus der Nazi-Vergangenheit in Frage gestellt werden, wo
Menschen, die sich in diesem Umfeld bewegen, hohe Ämter bekleiden und wo wir
von Wahlkampf zu Wahlkampf nicht mehr wissen, womit wir noch rechnen können.
Damit komme ich zu dem Teil, der für mich sozusagen
der spannendere in der heutigen Debatte ist und den Sinn dessen macht, warum
wir diese dringliche Initiative ergriffen haben.
Wir alle wissen, dass der Wiener Wahlkampf uns
bevorsteht. Es wird ein Wahlkampf sein, der sehr wichtig ist, wie alle
politischen Kommentatorinnen und Kommentatoren einschätzen. Es wird ein
Wahlkampf sein, in dem sämtliche politischen Kräfte versuchen werden, ihr
Bestes zu tun, um das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Es wird ein Wahlkampf
sein, der auch für die Bundespolitik von immenser Bedeutung sein wird. Es ist
also ein Wahlkampf, der mehrere Monate lang dauern wird und der mit großem und
hohem Aufwand betrieben wird, sowohl finanzieller Natur als auch natürlich mit
breiter medialer Aufmerksamkeit. Die Anzeichen, wie sich alles gestalten wird,
wie wir sie aus dem aktuellen EU-Wahlkampf erlebt haben, lassen befürchten,
dass es teilweise ziemlich gruselig wird. Ich verwende bewusst dieses Wort,
weil es einem wirklich zeitweise gruseln kann im wahrsten Sinne des Wortes. Es
kommt einem wirklich das Grauen, wenn sogar das allerletzte Tabu, das wir in
diesem Land gekannt haben, nämlich die Sensibilität im Umgang mit Israel und
dem Judentum gegenüber mit Füßen getreten wird. Das heißt, wir können noch
einiges erwarten und darauf gefasst sein.
Der Herr Bürgermeister und
sonstige namhafte Vertreterinnen und Vertreter der SPÖ, zum Beispiel ihre
Bundesgeschäftsführerin, Frau Rudas, werden nicht müde zu wiederholen, dass die
SPÖ das Bollwerk gegen diese Art von Politik wäre, dass diese Art von Politik
in dieser Stadt keinen Platz hat und dass man entschieden gegen
Rechtsradikalismus, gegen Faschismus, gegen Rassismus auftreten und kämpfen
wird. Sehr geehrter Herr Bürgermeister, wenn das der Fall ist, dann bin ich
sehr dafür, dass wir nicht bei Worten bleiben. Weil in den Worten sind wir alle
stark, niemand von uns ist auf den Mund gefallen, sonst wären wir alle nicht
Politiker und Politikerinnen geworden. Aber den Worten müssten Taten folgen.
Eine sehr simple Tat, die wir heute ergreifen können, ist sicherzustellen, dass
solche und ähnliche Politiken nicht verbreitet werden mit indirekter
Unterstützung und Finanzierung seitens der Stadt. Denn wir alle wissen, wenn
wir Inserate in solchen Blättern schalten, dann tragen wir dazu bei, dass diese
Blätter produziert werden und größere Verbreitung finden können. Ich, einmal
mehr, finde es untragbar, dass es solche Publikationen gibt, wo die Rede von
der „Zigeunerkriminalität" ist, um einmal mehr ein konkretes Beispiel aus
der jüngsten Vergangenheit zu bringen, und dass daneben die Stadt Wien
inseriert. Sie haben die Möglichkeit, dem Antrag der GRÜNEN zuzustimmen, und
ich hoffe auch, dass er ihre Zustimmung finden wird, um damit sicherzustellen,
dass solche Politiken einmal mehr nicht mit Unterstützung und unter
Finanzierung der Stadt Wien verbreitet werden und dass weder die „Neue Freie
Zeitung"
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