Gemeinderat,
43. Sitzung vom 29.01.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 70
immer nur darauf an, wie man diese austrägt!
Der entscheidende Punkt ist jedenfalls für mich ganz
klar nicht die Frage des Kopftuches, sondern die Frage der Vermittlung der
Werte von Demokratie und Freiheit. Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall
bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Wir
kommen zur 2. Zusatzfrage. Sie wird von GRin Mag Vassilakou gestellt.
GRin Mag Maria Vassilakou (Grüner
Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Ich persönlich arbeite an
einer Welt, in der keine Frau glaubt, ihre Haare oder sonstige Körperteile
verhüllen zu müssen, um irgendwelchen antiquierten Moralvorstellungen zu
entsprechen. Menschen haben aber nun einmal ihren eigenen Kopf, und ich pflichte
Ihnen bei, dass es schlussendlich unsere Aufgabe ist, den Menschen
entsprechende Möglichkeiten zu geben, ohne ihnen vorzuschreiben, was sie
glauben müssen oder nicht.
Ich möchte deshalb eher bei
Ihrer letzten Antwort ansetzen, nämlich bei der Vermittlung von Werten wie
Demokratie und Freiheit. Uns liegt eine jüngst veröffentlichte Studie vor, die
uns alle gestern auch medial sehr beschäftigte. Diese Studie bringt unter
anderem sehr besorgniserregende Ergebnisse: So meinen etwa 45 Prozent der
islamischen Religionslehrer, die in österreichischen Schulen unterrichten, dass
eine Integration in Österreich der muslimischen Identität widersprechen würde.
Ich möchte Sie daher fragen:
Sind Sie bereit, sich zum Beispiel im Rahmen der Landeshauptleutekonferenz –
ich weiß, Sie sind heute Bürgermeister und nicht Landeshauptmann, aber ich
hoffe, Sie gestatten mir sozusagen diese Ausdehnung – öffentlich dafür
einzusetzen, dass es zu einer Änderung der Bestimmungen kommt, sodass künftig
sämtliche Lehrer, die an einer österreichischen beziehungsweise an einer Wiener
Schule unterrichten, eine staatliche Ausbildung in Österreich absolvieren
müssen, und dass es darüber hinaus eine staatliche Aufsicht gibt, damit wir
auch für den Religionsunterricht eindeutige Standards schaffen?
Vorsitzender GR Godwin Schuster:
Bitte, Herr Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Ja, ohne
Weiteres, wenn wir es gemeinsam schaffen, dass wir das nicht nur auf
Religionslehrer des Islam, sondern auf alle Religionen ausdehnen. Anders ist
das nicht möglich, aber dann werden wir uns gemeinsam dafür einsetzen müssen,
dass das Konkordat geändert wird. Ich kann mir das persönlich sehr gut
vorstellen, wäre auch extrem dafür, denn es ist aus meiner Sicht in keiner
Weise einsehbar, dass ein Unterrichtsfach, das jedenfalls nach unserer
Rechtsordnung freiwillig besucht werden kann, aus den allgemeinen
Ausbildungsrichtlinien, die es für Lehrer gibt, herausgenommen wird. Das ist
für mich nicht nachvollziehbar, und daher ist die Frage aus meiner Sicht mit einem
sehr einfachen Ja zu beantworten. Ich weise nur darauf hin, dass dieses
einfache Ja allerdings einen ziemlich komplexen Prozess auslösen wird.
Ich möchte aber auch auf die Studie, die erwähnt
wurde, eingehen. Ich kenne diese Studie noch nicht. Auch für mich ist es nicht
so einfach, diese Studie zu bekommen. Wenn sie aber stimmt, dann ist das ohne
Wenn und Aber abzulehnen. Fraglos kann der Unterricht bei uns
selbstverständlich nur auf Basis von Demokratie, Freiheit und Achtung der
Menschenrechte erfolgen. Und wer dies nicht akzeptiert, kann bei uns nicht
unterrichten. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke.
Wir kommen zur 3. Zusatzfrage. Sie wird von GRin Mag Ekici
gestellt. – Ich bitte darum.
GRin Mag Sirvan Ekici (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Die Teilnahme am Religionsunterricht ist nicht immer
freiwillig, denn meine Tochter wird ab Herbst zum Beispiel eine katholische
Privatschule besuchen, und sie ist verpflichtet, den islamischen
Religionsunterricht zu besuchen. (Zwischenrufe bei den GRÜNEN.) Ich
begrüße das zwar, wollte das aber festhalten, weil Sie gesagt haben, dass das
freiwillig ist. – So freiwillig ist es ja nicht! (Lebhafte Zwischenrufe
bei SPÖ und GRÜNEN.) Das ruft jetzt ein bisschen Erheiterung hervor, aber
das ist so!
Ich weiß: Der Islam ist ein Straßenfeger. Wir hören
ja jeden Tag Meldungen dazu. Herr Bürgermeister! Immer wenn heikle Themen an
die Öffentlichkeit dringen, vermisse ich persönlich als Muslimin, dass Sie dazu
Stellung nehmen. Sie tauchen einfach ab und stellen sich gar nicht einer
Diskussion. Das war auch jüngst wieder der Fall: Ich habe einfach vermisst,
dass Sie da Stellung genommen haben! Sie haben sich auch einen Gemeinderat aus
der islamischen Gemeinschaft ins Team geholt, und das ist auch gut und okay.
Also haben Sie auch den besten Draht. Jetzt sagen Sie hier, dass Sie die Studie
noch nicht haben. Der „Falter“ hat sie aber!
Im Hinblick darauf gibt es Fragezeichen in meinem
Kopf zu der Frage: Wie stehen Sie zu dieser Studie? Haben Sie mit dem
Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, mit dem Sie ja beste amikale
Verhältnisse haben, schon ein Gespräch geführt?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.
Bgm Dr Michael
Häupl: Ganz habe
ich jetzt diese aggressive Form der Wortmeldung nicht verstanden! Aber wie dem
auch immer sei: Es bleibt Ihnen völlig überlassen, welche Schule Sie Ihr Kind
besuchen lassen!
Meine Kinder sind in öffentliche Schulen in Wien
gegangen. Mein Sohn ist in eine öffentliche Schule in Ottakring gegangen, und
mein Sohn hat den Religionsunterricht ab dem Zeitpunkt, als er die Möglichkeit
hatte, diesen nicht mehr zu besuchen, nicht mehr besucht. Es bestand für ihn
die Möglichkeit, sich abzumelden. Das war seine Entscheidung. Ich habe ihm das
in keiner wie immer gearteten Weise aufgezwungen. Ich hatte auf Grund des
Wunsches meines Vaters zwei katholische Konvikte und eine katholische Schule zu
besuchen. Daher weiß ich aus der eigenen Biographie, warum ich meinen Sohn in
dieser Frage zu nichts gezwungen habe. (Beifall
bei der SPÖ.)
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