Gemeinderat,
42. Sitzung vom 19.12.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 78 von 115
Sicherheit für die Bevölkerung kommt. Die Situation am Karlsplatz wird nicht besser, indem man sie herunterspielt oder ignoriert.
Unsere Forderung dahin gehend lautet, und die haben
wir schon oft kundgetan, es bedarf der Errichtung von Sozialräumen. Welche
Vorteile bringen Sozialräume für Betroffene und BürgerInnen? Durch die
Schaffung von Sozialräumen wird einerseits der öffentliche Raum entlastet.
Suchtkranke Menschen haben eine Anlaufstelle und eine Kontaktstelle. Vor allem
wird das Sicherheitsgefühl der Wiener Bevölkerung erhöht, und zwar jener
Menschen, die dort tagtäglich öffentliche Verkehrsmittel benützen.
Selbstverständlich muss der Standort für solche
Sozialräume genauestens ausgesucht werden, um nicht einen neuen Anziehungspunkt
zu schaffen und das Problem eventuell noch zu verschärfen.
Hier muss eine enge Zusammenarbeit zwischen Polizei,
Streetworkern und „Help U“ geleistet werden. Die von uns geforderten
Sozialräume kommen somit allen Menschen dieser Stadt zugute.
Unsere Drogenpolitik – das haben wir auch schon
öfters von dieser Stelle aus diskutiert –, geht davon aus, dass Sucht ein
multifaktorielles Problem ist. Nicht nur die persönliche Konstitution und
Geschichte bestimmen den Weg des Süchtigen in die Abhängigkeit, sondern auch
seine sozialen Beziehungen, sein Umgang mit Stress und die gesellschaftliche
Akzeptanz der Droge. Daher sind nicht einfache, sondern differenzierte
Lösungsansätze vonnöten. Suchtkranken Menschen müssen Therapien angeboten
werden, und das Ziel muss eine soziale und arbeitsmarktpolitische Reintegration
sein.
Unser wichtigstes Anliegen in diesem Zusammenhang ist
die Prävention. Denn es ist sehr wichtig, Kinder in ihrem Selbstwertgefühl zu
stärken und auch auf die Bewusstseinsbildung der Gesellschaft, vor allem aber
auch der Eltern zu achten.
Sogar Sie, Herr Bürgermeister dieser Stadt, rufen
jedoch nach mehr Polizei. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das
kommt einer Bankrotterklärung der Stadt in Integrations-, Bildungs- und
Sozialpolitik gleich. Auch der Drogenkoordinator ruft nach mehr Polizei, weil
die von ihm entwickelten Konzepte die Lage nicht verbessert haben. Es zeigt
sich ein Fiasko in der Drogenpolitik dieser Stadt. Herr Drogenkoordinator! Es
fehlt an vorausschauender Planung, und uns ist es zu wenig, wenn man dann
einfach die Exekutive zu Hilfe holt und sagt: Macht ihr für uns weiter, denn
wir sind mit unserem Latein am Ende!
Herr Bürgermeister! Es wurde heute bei Ihrer
Beantwortung der Dringlichen Anfrage der Freiheitlichen von dieser Stelle aus
auch der Drogenbeirat angesprochen. Das Dilemma der Drogenpolitik in dieser
Stadt beginnt ja bereits beim Drogenbeirat, und ich meine, meine Damen und
Herren, das ist sehr traurig! Bevor uns als Gremium des Drogenbeirats Studien
vorgestellt wurden, gab es im Cafe Landtmann bei Kaffee und Kuchen eine
Pressekonferenz, bei welcher der Presse lapidar mitgeteilt wurde – ich
zitiere wörtlich: „Ich zeige Ihnen auch gerne die Liste der Mitglieder des
Drogenbeirates, dem wir morgen diese Daten, die Basisdokumentation von 2007,
vorlegen.“ – Das hat der Drogenkoordinator wörtlich den Journalisten
gesagt. Das heißt, bevor die Daten den zuständigen Gremien dieser Stadt
vorgelegt werden, werden diese Journalisten bei einer Pressekonferenz
präsentiert. – Sehr verehrte Frau Stadträtin! In Anbetracht dessen fordere
ich Sie auf, sich den Sinn des Drogenbeirates noch einmal zu überlegen! (Beifall
bei der ÖVP. – Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Sie sind leider früher
gegangen, aber das war eine sehr gute Diskussion!)
Ich musste früher gehen, aber ich wusste schon aus
der Presse, da ich den „Kurier" vor mir hatte, was Sie uns im Drogenbeirat
mitteilen wollen. Die Fassung, die der Presse am Tag davor vorgelegt wurde, war
umfassender als jene Fassung, die wir im Drogenbeirat erhalten haben. Das kann
ich anhand eines Vergleichs dokumentieren. (Beifall bei der ÖVP.)
Der wirksamste Schutz sind – wie ich schon
gesagt habe – flächendeckende Präventionsmaßnahmen auch in Schulen, denn
ein gesundes Selbstwertgefühl ist bekanntlich, wie wir alle wissen, der beste
Schutz gegen Drogenabhängigkeit.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch auf eine Gruppe
hinweisen, die in der öffentlichen Diskussion oft vernachlässigt wird, nämlich
die Angehörigen der Drogenkranken. Auch diese brauchen natürlich unsere
besondere Unterstützung, denn sie werden oft mit Unverständnis oder Mitleid
konfrontiert oder möglicherweise auch gemieden. Wir als PolitikerInnen haben
die Aufgabe, auch diese Selbsthilfegruppen betroffener Angehöriger zu
unterstützen, denn diese arbeiten meist niederschwellig, bieten Rat und Hilfe
an und sind oft der Erstkontakt für Betroffene.
Meine Damen und Herren! Wie Sie sehen, ist das
multifaktorielle Problem, das das Drogenthema in dieser Stadt darstellt, nicht
mit einer Husch-Pfusch-Aktion der Stadt oder mit einer reinen Alibihandlung zu
lösen, sondern bedarf einer strukturierten Herangehensweise. Und das erwarten
nicht nur wir als Oppositionsparteien von der Stadtregierung, sondern das
erwarten alle Wienerinnen und Wiener.
Es stellt sich die Frage, wann die Wiener SPÖ die
diversen Jubelbroschüren zur Seite schiebt und zum Wohle der BürgerInnen in
dieser Stadt wirklich die Ärmel hochkrempelt. Herr Bürgermeister! Frau
Stadträtin! Herr Drogenkoordinator! Es ist bereits fünf nach zwölf. (Beifall
bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Herr
GR Wagner ist als nächster Redner zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.
GR Kurt Wagner (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Herr Bürgermeister! Meine
Damen und Herren! Hoher Gemeinderat!
Es ist jetzt schon fast Tradition, dass wir in
Monatsabständen immer entweder im Gemeinderat oder auch im Landtag eine
Drogendebatte haben, und zwar meist über Antrag der Freiheitlichen Fraktion.
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