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Gemeinderat, 42. Sitzung vom 19.12.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 76 von 115

 

erklärt, warum die Großen bleiben dürfen und die Kleinen nicht bleiben dürfen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit den 26 Kleinen eine Lösung findet, weil derjenige, der jahrelang dort war, hat zumindest ein Stammpublikum gehabt, nicht jenes, das vor der Türe gestanden ist, sondern jenes, das ins Geschäft hineingekommen ist. Das hat es auch noch gegeben, das soll dort vorgekommen sein, dass die Leute etwas verdient haben, sonst hätten sie ja nicht dort bleiben wollen. Sie werden mit denen keine Lösung finden. Das ist das Gleiche, wie wenn Sie heute in Meidling ein Haus im 3. Stock sanieren und einem alten Menschen sagen, er kriegt 10 000 EUR, übersiedelt in die Donaustadt und darf dann dort die letzten zwei oder drei Monate leben. Das geht nicht, das funktioniert nicht! Ich bin gespannt, wie Sie das Problem lösen werden, meine Damen und Herren!

 

Dann gibt es noch etwas ganz Interessantes. Das ist der Geist der Kulturpolitik der SPÖ. Da gibt es „www.godsentertainment“, also Gottesunterhaltung. Dort kann man lesen und wird man aufgefordert. Es gibt 5 EUR Taschengeld - dort heißt es, fürs Geldtascherl. „Jetzt sofort anmelden! Es gibt keine weiteren Verpflichtungen! Termine Karlsplatzpassage, gegenüber der Abgänge U4, U1, U2: Freitag, 28.11., 19 Uhr, Samstag, 29.11., 16 Uhr, Montag, 1.12., 10 Uhr, Samstag, 6.12., 15 Uhr, Donnerstag, 11.12., 14 Uhr, Freitag, 12.12., 15 Uhr, Dienstag, 16.12., 10.30 Uhr." Wissen Sie, was dort passiert? Dort kriegen alle, die dort sind, ob das Drogenabhängige, Dealer, Kleinkriminelle, Banden, wer auch immer, sind, 5 EUR in die Hand gedrückt und dürfen dann einen künstlerischen Text lesen. Ich frage mich, wer das ausgesucht hat. Herr Bürgermeister, kennen Sie die Texte? Ich weiß nicht, ob Sie Texte kennen. Es wäre sehr interessant, wenn wir diese Texte hätten. Mir hat jemand gesagt, dort ist sogar bis zu antisemitischen Äußerungen alles gefallen, weil irgendwelche selbsternannten Künstler die Texte vorlesen haben lassen. Jeder hat ein Headset gekriegt, 5 EUR eingesteckt, die er nachher, für was auch immer, sofort wieder ausgegeben hat, und hat dann einen Text vorgelesen. Das ist Kultur, wie Sie und die Stadt Wien das verstehen? Mich würde sehr interessieren, welche Texte und von wem die Texte ausgewählt worden sind. Wenn wirklich antisemitische Äußerungen und Texte dort waren, dann würde ich eigentlich erwarten, dass die Stadt jene Leute, die das veranlasst und gemacht haben, irgendwie zur Konsequenz zieht oder sagt, so kann man es nicht machen und die dürfen dort nichts mehr tun. Wenn das das Kulturverständnis ist, das dann dort in den nächsten 20 Jahren sein soll, dass jeder um 5 EUR irgendetwas vortragen kann, dann gute Nacht Wien, meine Damen und Herren!

 

So werden Sie den Karlsplatz nicht revitalisieren, meine sehr geehrten Damen und Herren und Herr Bürgermeister! Sie sollen die Drogenszene gemeinsam mit der Wiener Polizei in den Griff kriegen und nicht durch Architektur irgendetwas schönfärben. Das ist nicht der Sinn! Die Passage muss leben! Man darf nicht jene bestrafen, die dort arbeiten, die dort jeden Tag durchgehen und mit Steuermitteln etwas anderes finanzieren als die Ursache, die Drogenszene in Wien, zu bekämpfen! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zum Wort gemeldet ist Frau GRin Cammerlander. - Bitte schön.

 

GRin Heidemarie Cammerlander (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wenn die FPÖ eine Dringliche Anfrage zu diesem Thema macht, ist es eigentlich ziemlich klar, dass es keine seriöse und keine sachliche Diskussion zu diesem Thema geben kann. (GR Mag Wolfgang Jung: Das sagen nur Sie!)

 

Wir haben bereits in der schriftlichen Anfrage Sätze stehen wie: „Immer mehr Mitglieder aus der so genannten Szene tragen ganze Waffenarsenale mit sich." - Das müssen schon richtige Herkules sein, wenn die alle ganze Waffenarsenale mit sich ziehen. Was ich noch schlimmer finde: „Es ist in Mode gekommen, Taschen von Hosen und Jacken mit gebrauchten Injektionsnadeln zu präparieren, damit wir uns bei den Kontrollen verletzen." - So viel Schwachsinn kann man sich doch gar nicht ausdenken. Das ist wirklich traurig. (GR Mag Wolfgang Jung: Das stammt von den armen Polizisten!)

 

Es wäre wichtig, dieses Thema „Suchtkranke und die zunehmende Suchterkrankung in Wien" zu diskutieren. Es sind, das haben Sie sogar selbst gesagt, die illegalen Drogen gerade am Karlsplatz zurückgegangen. Es ist zwar noch immer illegal, am Schwarzmarkt zu verkaufen, aber es sind die legalen Drogen, meine Herren der FPÖ!

 

Trotzdem kann ich die SPÖ nicht ganz aus ihrer Verantwortung entlassen. Im Oktober 2007 gab es einen Drogenbeirat und es wurde ein Beschluss gefasst, erstmals in Wien eine Bedarfserhebung zu machen. Im Frühjahr habe ich den Drogenkoordinator gefragt, was mit diesem Beschluss passiert. Er meinte: „Wir haben die Ausschreibung noch nicht gemacht." Im Herbst habe ich eine mündliche Anfrage an den Herrn Bürgermeister gestellt. Er hat mir dankenswerterweise vor 14 Tagen, also 14 Monate später, mitgeteilt, die Ausschreibung ist abgeschlossen, die Bedarfserhebung läuft. Es gibt bisher noch keine Bedarfserhebung in Wien. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass die Zahl der Suchtkranken zwischen 80, 500, 600 und 1 000 schwankt. Ich bin wirklich neugierig, bis wann es diese Bedarfserhebung endlich geben wird.

 

Nach der Präsentation des Architekturwettbewerbs hat mich ein Journalist angesprochen. Er war ziemlich entsetzt, denn er hat die Frau Vizebürgermeisterin gefragt: „Was werden Sie für die Suchtkranken und die Obdachlosen machen?", und ihre Antwort war: „Das ist hier und heute nicht das Thema." Der Herr Drogenkoordinator ist daneben gesessen, hat er mir gesagt, aber auch er hat sich nicht zum Wort gemeldet.

 

Das ist eigentlich das Traurige. Man macht einen Architekturwettbewerb und ist nicht im Stande, ein Gesamtkonzept für den Karlsplatz zu erarbeiten, ein Gesamtkonzept, bei dem alle eingebunden werden, vor allem Polizei, SozialarbeiterInnen und

 

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