Gemeinderat,
41. Sitzung vom 02.12.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 26
nicht schämen müssen, zu kommen und zu sagen: Wir brauchen Geld, wir können uns das nicht mehr leisten.
Aber was machen Sie? Sie machen – das hat die
Kollegin Wehsely, die jetzt anscheinend nicht mehr da ist, gezeigt – das
Gegenteil. Sie stellen sich hin und leugnen. Das ist genau der falsche Zugang.
Ich finde, das ist nicht nachzuvollziehen, das ist zumindest für mich nicht
nachzuvollziehen, wo wir doch alle eigentlich, dachte ich, der Meinung sind,
dass wir Armut bekämpfen, Kinderarmut bekämpfen müssen. Ich glaube nicht, dass
es irgendjemandem in diesem Raum egal ist, wenn Kinder sich kein Essen leisten
können, sich keine neuen Schuhe leisten können.
Ich dachte, das ist der Konsens hier, aber
offensichtlich nicht, denn die Kollegin Wehsely hat sich hier herausgestellt
und uns in üblicher SPÖ-Manier erklärt: Wir reden alles schlecht. Nur die SPÖ
weiß, was gut ist für die Menschen in dieser Stadt. Am besten haben wir hier
gar nichts dazu beizutragen und schon gar nicht irgendwelche Vorschläge
einzubringen, denn – das hat sie auch gesagt – die SPÖ weiß am besten, was gut
ist für diese Leute.
Das ist kein Zugang zu diesem Thema. So werden Sie
die Probleme der Kinder in dieser Stadt nicht lösen. Vielleicht können Sie sich
ja doch überwinden, dem einen oder anderen Antrag, zumindest dem Antrag, den
der Herr Bürgermeister ja auch schon angekündigt hat, zuzustimmen, denn sonst
werden wir dieses Thema auch nächstes Jahr wieder diskutieren. Vielleicht sind
es dann nicht wir, die dieses Thema als Sondergemeinderat einbringen, sondern
eine andere Fraktion. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als
Nächste am Wort ist Frau GRin Praniess-Kastner.
GRin Karin Praniess-Kastner (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte
Frau Stadträtin! Meine Damen und Herren!
Erlauben Sie mir ein paar Vorbemerkungen zu der
vorherigen Diskussion.
Frau Kollegin Smolik, ich muss Ihnen leider
widersprechen. Die Frau Wehsely hat uns hier aufgefordert, konstruktive
Vorschläge zu machen. In Form der heute von mir eingebrachten Anträge, aber
auch bei den von den GRÜNEN und den Freiheitlichen eingebrachten Anträgen
können Sie ja beweisen, dass Sie die konstruktiven Vorschläge der Opposition
ernst nehmen, und ich hoffe, Sie werden das dann bei der Abstimmung zeigen und
unseren Anträgen zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wurde auch
das Wort Zynismus hier strapaziert. Ich möchte meiner Meinung Ausdruck
verleihen und sagen, Zynismus ist es und sehr zynisch ist es von der
SPÖ-Mehrheitsfraktion, sich hier herauszustellen und zu sagen, es ist eine
Zumutung, dass die Opposition das Thema Armut hier überhaupt anspricht. Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Das ist reiner Zynismus und zeigt das
Rollenbild der SPÖ-Mehrheitsfraktion hier in diesem Haus. (Beifall bei der
ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich jetzt aber
zum Thema kommen, zum Thema Armut. Armut hat ja sehr viele Gesichter. Armut hat
das Gesicht der Obdachlosigkeit, der Arbeitslosigkeit, der Vereinsamung, der
Krankheit, und vor allem trifft Armut ja keine spezielle Gruppe, sondern Alt
und Jung, Frauen und Männer, In- und AusländerInnen sind von Armut betroffen.
Aber, meine Damen und Herren, Armut beginnt nicht
erst beim Sozialhilfeanspruch, beim Heizkostenzuschuss oder bei der
Mietbeihilfe. Sie beginnt dort, wo die Menschen ihr Leben trotz eines
persönlichen Einsatzes nicht mehr so gestalten können, wie sie es wollen. Sie
leben nicht mehr selbstbestimmt, sondern fremdbestimmt. Sie sind auf Hilfe von
anderen und von außen, von uns als Gesellschaft angewiesen. Und manche von
Ihnen leider sogar auf Dauer.
Menschen mit Behinderung sind besonders stark von
Armut betroffen. Armut bedeutet hier nämlich nicht nur ausschließlich einen
Mangel an Geld, sondern in den meisten Fällen einen Mangel an Chancen. Gerade
heute und hier möchte ich über dieses Thema sprechen, denn Sie wissen alle,
morgen ist der Internationale Tag der behinderten Menschen.
Was meine ich, meine Damen und Herren, mit dem Mangel
an Chancen? Möglicherweise denken Sie jetzt, ich habe ja bereits für Licht ins
Dunkel gespendet, ich habe einen Charity-Punsch ausgeschenkt oder getrunken
oder werde das noch tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das mag sein,
aber es ändert leider nichts an den eingefahrenen Strukturen dieser Stadt. An
den Stadteinfahrten prangen Schilder mit „Wien ist anders", und hier,
meine sehr verehrten Damen und Herren der SPÖ-Fraktion, muss ich Ihnen
zustimmen. Es stimmt, Wien ist anders. Es ist nämlich sehr spät dran, was die
Chancengleichheit für behinderte Menschen in dieser Stadt betrifft.
Falls nun der Einwand kommt, dass ich vieles von
dieser Stelle aus schon thematisiert habe, dann liegt das wahrscheinlich an der
Fehleinschätzung Ihrerseits, denn Sie gehen davon aus, dass Mängel und
Versäumnisse durch beharrliches Ignorieren früher oder später einfach
verschwinden.
Meine Damen und Herren! Für behinderte Menschen in
dieser Stadt ist die Situation doppelt prekär, denn diese Menschen sind doppelt
so stark von Armut betroffen. Die höhere Armutsgefährdung von Menschen mit
Behinderung hängt vor allem mit der geringeren Erwerbseinbindung, mit dem
geringeren Erwerbseinkommen und mit den Folgen der fehlenden oder schlechten
beruflichen Position zusammen. Diese Situation spiegelt sich auch im
Prozentsatz der Erwerbstätigkeit wider, die um die Hälfte niedriger ist als von
Menschen ohne Behinderung, nämlich 34 zu 67 Prozent.
Menschen mit Behinderung leben häufiger alleine als
nichtbehinderte Menschen und sind häufig belasteten Wohnverhältnissen
ausgesetzt, wie meine Kollegin Smolik auch schon ausgeführt hat hinsichtlich
der von Armut betroffenen Kinder in dieser Stadt, wie etwa Lärm, Feuchtigkeit,
Überbelag und so weiter.
Aus einer Österreich-weiten
Untersuchung der
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
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