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Gemeinderat, 41. Sitzung vom 02.12.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 3 von 26

 

(Beginn um 9 Uhr.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

 

Ich eröffne die 41. Sitzung des Wiener Gemeinderates.

 

Entschuldigt für diese Sitzung sind GR Bacher-Lagler, GR Mag Ebinger, GRin Frank, GRin Ludwig-Faymann, GR Dr Madejski, GR Reiter, GRin Schubert und GR Wagner.

 

Wobei wir in der Präsidiale darauf hingewiesen haben, dass für den Fall, dass wir heute nicht vollzählig sind, das heißt, die eine oder andere Person entschuldigt ist, die Redner darauf nicht negativ eingehen mögen, und ich würde bitten, das zu berücksichtigen. Diese heutige Sitzung ist nicht vorgeplant gewesen für die Terminplanung einzelner Menschen.

 

Vom Grünen Klub wurde ein Verlangen auf Einberufung einer Sitzung des Gemeinderates zum Thema „Armut explodiert in Wien – kalte Weihnachten für tausende Familien und kleine Kinder" eingebracht.

 

Der Herr Bürgermeister hat in Entsprechung des § 21 Abs 4 der Wiener Stadtverfassung im Zusammenhalt mit § 8 der Geschäftsordnung des Gemeinderates der Stadt Wien zu dieser Sitzung eingeladen.

 

Die Geschäftsordnung sieht vor, dass in Sitzungen des Gemeinderates auf Verlangen keine Geschäftsstücke verhandelt werden. Der Entfall von Fragestunde, Aktueller Stunde und Dringlicher Initiative ist in der Fraktionsvereinbarung festgeschrieben.

 

Gemäß § 15 Abs 2 der Geschäftsordnung gebe ich bekannt, dass eine schriftliche Anfrage von Gemeinderatsmitgliedern des ÖVP-Klubs der Bundeshauptstadt Wien eingelangt ist.

 

Wir kommen nun zum Verlangen.

 

Ich eröffne die Debatte. Zur Begründung hat sich Frau GRin Vassilakou zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr, wobei ich bemerke, dass die Redezeit auf zehn Minuten beschränkt ist. Bitte schön.

 

GRin Mag Maria Vassilakou (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Verehrte Damen und Herren!

 

Lassen Sie mich zu Beginn drei Alltagsgeschichten erzählen. Es sind drei kurze Alltagsgeschichten von drei Kindern, die ich kenne, das ist der Leon, das ist der Edi und das ist die Anna.

 

Bei Leon ist es so, dass er ungefähr sechs Jahre alt ist. Er geht zur Schule, es hat geheißen, man braucht Turnschuhe mit Klettverschluss. Dazu ist zu sagen, er lebt in beengten Verhältnissen. Seine Füße wachsen schnell, er hat die Schuhe vom älteren Bruder bekommen, sie haben keinen Klettverschluss, sie haben Schnüre.

 

Das hat bedeutet, dass es in der Schule zunächst einmal eine Abmahnung gegeben hat, dann hat es eine kleine Eintragung gegeben für die Eltern, dann hat die Mutter am Ende mit der Lehrerin sprechen müssen und hat einfach sagen müssen, dass sie sich neue Schuhe mit Klettverschluss nicht leisten können.

 

Die Geschichte von Edi ist ein bisschen anders gelagert, er ist schon ungefähr elf Jahre alt. – Ich sehe gerade, GRin Kato schüttelt den Kopf mit Empörung. Ich verstehe nicht, was das Problem ist und warum es so schlimm ist, wenn ich erzähle, wie es dem Edi geht. Der Edi ist, wie gesagt, ungefähr elf Jahre alt, er ist ein ziemlich schwieriges Kind. Er hat Lernschwierigkeiten, er hat zu Hause nicht die Betreuung, die er bekommen sollte. Man hat zusammengekratzt, er ist für ein Jahr ins Internat gekommen. Man hat sich dann das Internat nicht mehr leisten können, er ist für ein weiteres Jahr in die Nachmittagsbetreuung gekommen, genau genommen Halbinternat. Das kann man sich jetzt auch nicht leisten. Und jetzt steht der Edi da, und man überlegt, wie es mit ihm weitergehen soll, weil er, wie gesagt, nicht die Betreuung bekommen kann, die er braucht, und weil sich die Familie keine bessere leisten kann.

 

Und drittens auch eine ganz kurze Geschichte, die von der Anna. Die Anna ist 16 Jahre. Sie ist übrigens eine der Klassenbesten. Die Klasse fährt dieses Jahr auf Sprachurlaub nach Frankreich. Die Reise kostet 500 EUR, die Mutter kann sich den Betrag nicht leisten. Man ist gerade dabei, diese 500 EUR aus dem familiären Umfeld zusammenzukratzen, damit die Anna mit den anderen Kindern auch nach Frankreich fahren kann.

 

Verehrte Damen und Herren! Das sind drei Geschichten aus Wien. Alle diese drei Kinder haben etwas gemeinsam: Alle drei sind Kinder von Alleinerzieherinnen, alle drei sind Kinder von Frauen, die arbeiten, aber so wenig verdienen, dass sie sich das nicht leisten können, was das Kind so braucht im Schulalltag, und alle diese drei Kinder sind im Übrigen Enkel von Mindestpensionistinnen. Das heißt, auch die Oma kann in diesem Fall kaum etwas beisteuern, damit man innerhalb des Familienverbandes das finanzielle Problem, mit dem man konfrontiert ist, lösen kann.

 

Also was bleibt über, was bleibt über in all diesen drei Fällen? – Man spricht mit Freunden, mit Bekannten, man muss sich den Lehrerinnen und Lehrern anvertrauen, man muss in irgendeiner Art und Weise das Geld zusammenkratzen. Manchmal gelingt es, manchmal gelingt es nicht.

 

Ich weiß nicht, wie es Ihnen so geht, aber mir geht es so, dass ungefähr jetzt die Jahreszeit ist, wo ich diese Briefe aus den Schulen bekomme. Es gibt Schulen im 21. Bezirk, von wo ich regelmäßig Briefe bekomme, weil es Kinder gibt, die nicht auf Schullandwoche fahren können, die nicht zum Schulschikurs fahren können und wo die engagierten Lehrerinnen und Lehrer manche von uns eben regelmäßig anschreiben, und man gibt 50 EUR, 100 EUR, damit man das Geld zusammenkratzen kann für diese Kinder.

 

Und diese Kinder, die ich gerade geschildert habe, haben noch etwas gemeinsam mit vielen anderen Kindern in dieser Stadt: Sie sind keine Einzelfälle. Genau genommen sind es 30 000 Kinder und Jugendliche, die in Wien in bitterer Armut leben und weitere 70 000, die ebenfalls knapp an der Armutsgrenze, also in äußerst beengten Verhältnissen mit ihren Familien leben müssen. Das heißt, wir sprechen hier insgesamt von nahezu

 

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