Gemeinderat,
39. Sitzung vom 25.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 106
und starke Stadt haben, denn
das brauchen die Schwachen ganz besonders, wenn die Zeiten rauer werden. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Wir
kommen nun zur Beratung der Geschäftsgruppe Bildung, Jugend, Information und
Sport.
Zu Wort gemeldet ist Herr GR Mag Gudenus. Ich erteile
ihm das Wort.
GR Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub
der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Frau Vizebürgermeister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Es wird Sie nicht überraschen, dass wir diesen
Budgetentwurf ablehnen, und zwar nicht zuletzt aus großer Sorge hinsichtlich
der Situation, in der sich vor allem viele Jungfamilien in Wien jetzt befinden,
und weil in den letzten zwei bis drei Jahren viele Wahlversprechen gebrochen
wurden. – Die Belastung von
Familien und vor allem von Jungfamilien ist gestiegen. Sie beträgt pro Haushalt
um 1 069 EUR mehr pro Jahr auf Grund von Gebührenerhöhungen bei
Strom, Gas, Kanal und Müll. Da hat sich wirklich ein gewaltiger Wahlschwindel
abgezeichnet! Es war ja versprochen worden, wie Sie wissen, dass es keine
Gebührenerhöhungen geben wird, und das bedeutet eine Mehrbelastung von
89 EUR pro Monat pro Haushalt! Da fragt man sich schon, wo hier das
soziale Wien und die Jugendfreundlichkeit bleiben. Das Belastungspaket trifft
nämlich vor allem kleinere Einkommen und junge Leute und Jungfamilien. Das
soziale Gewissen dieser Stadt ist anscheinend überhaupt nicht vorhanden! Und
nicht zuletzt deswegen werden wir dieses Budget ablehnen.
Aber auch die Stellung der Lehrlinge hat sich
verschlechtert. Ich kann mich erinnern, dass beim Budget vor einem oder zwei
Jahren auf eine Lehrstelle fünf Lehrstellensuchende gekommen sind, mittlerweile
kommen auf eine Lehrstelle sieben Lehrstellensuchende. – In Salzburg schaut es zum Beispiel ganz anders aus: Auf
jeden Lehrstellensuchenden kommen 2,3 offene Lehrstellen. Da kann man sich also
einiges auch vom roten Salzburg abschauen! Es gäbe auch noch andere Beispiele,
etwa das Fonds-Modell in Vorarlberg oder das Lehrabschnitts-Modell in
Oberösterreich, wo innerhalb kürzester Zeit 3 000 Lehrplätze geschaffen
wurden. Im roten Wien herrscht hingegen Konzeptlosigkeit.
Wir haben auch schon gestern einige Anträge dazu
eingebracht. Ich möchte sie kurz noch rekapitulieren und um Ihre Zustimmung
bitten. Wir fordern die Einrichtung von Lehrlingsbüros, die über Trends, die
Weiterentwicklung und Umsteigemöglichkeiten nach der Lehre informieren, ferner
die Gleichstellung der Meisterprüfung mit der Berufsreifeprüfung im
öffentlichen Dienst, die Förderung von Lehrlingsweiterbildung auch im Ausland,
die Verbesserung des Images des Lehrlingsberufs, bezahlte Überstunden für
Lehrlinge sowie die verpflichtende Weiterbildung für Berufsschullehrer. All das
sind, glaube ich, Forderungen, die sinnvoll und wichtig sind. Wir haben
diesbezügliche Anträge eingebracht.
Außerdem fordern wir die Möglichkeit eines verbilligten
Führerscheinerwerbs für Lehrlinge, die Schülerfreifahrt für Lehrlinge zur
Ausbildungsstätte und geförderte günstige Wohnungen für junge Wiener im
städtischen Wohnbau, um es jungen Leuten zu ermöglichen, ein Eigenheim zu
gründen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auch
heute wieder feststellen, dass Lehrlinge keine billigen Arbeitskräfte sind,
sondern eine Investition in die Zukunft eines Arbeitsmarktes und in die Zukunft
einer Gesellschaft. Im Gegensatz zu Ihnen wollen wir die Lehrlinge nämlich
nicht im Regen stehen lassen!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein
Dauerbrenner ist natürlich im Jugend- und Bildungsbereich das Thema Gewalt, und
zwar auch an den Schulen. Wir meinen, dass hier nicht ausreichend
Präventionsarbeit geleistet wird. Fraglos ist in ganz Europa das Thema Gewalt
an Schulen und im Jugendbereich mittlerweile zu einem sehr ernsten Problem
geworden, und fraglos haben auch die neuen Medien dazu beigetragen, dass es
hier zu einer Verschärfung gekommen ist. Ich vermisse jedoch auch hier im roten
Wien geeignete Gegenmaßnahmen.
Es haben sich auch hier mittlerweile schon gewisse
Trends im Zusammenhang mit Gewalt
durchgesetzt, etwa Happy Slapping, das über das Handy aufgenommen, übertragen
und weitergeschickt wird. Ebenso sind auch schon Snuff-Videos im Umlauf, in
denen brutale und perverse Gewaltmaßnahmen gezeigt werden. Diese Entwicklung
hat auch zu Gewaltausbrüchen geführt. Zeitungsmeldungen oder Meldungen von
Schülern oder Lehrern aus Schulen, die sich offiziell allerdings nicht melden
dürfen, bestätigen unsere Auffassung, wenn sie sagen, dass es mittlerweile in
Wien schon zu Zuständen wie in Berlins Schulen kommt, wie zum Beispiel in der
Rütli-Schule in Berlin/Neukölln, wo man im Jahre 2006 dem Chaos nahe war.
Die Rektorin dieser Schule hat sich in einem offenen Brief an die
Öffentlichkeit gewandt.
Ich gebe dessen Inhalt sinngemäß wieder: Es wird
berichtet, dass der Anteil der Schüler mit islamischem Hintergrund
60 Prozent und der Gesamtanteil der Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft
83,3 Prozent beträgt. Die Stimmung in einigen Klassen sei von
Aggressivität, Respektlosigkeit und Ignoranz gegenüber den Erwachsenen geprägt.
Die Gewaltbereitschaft gegen Sachen wachse. Türen werden eingetreten,
Papierkörbe als Fußbälle missbraucht, Knallkörper gezündet und Bilderrahmen von
den Flurwänden gerissen. In vielen Klassen sei das Verhalten im Unterricht
geprägt durch totale Ablehnung des Unterrichtsstoffes und menschenverachtendes
Auftreten. Lehrkräfte werden gar nicht wahrgenommen, Gegenstände fliegen
zielgerichtet gegen Lehrkräfte durch die Klassen, Anweisungen werden ignoriert.
Einige Lehrer gehen nur mit dem Handy in bestimmte Klassen, damit sie über Funk
Hilfe holen können. Termine werden seitens der Eltern, die in die Schule
gerufen wurden, meist nicht wahrgenommen, und Telefonate scheitern meist am
mangelnden Sprachverständnis.
Das ist der Inhalt eines offenen
Briefs der Rektorin der Rütli-Schule vor zwei Jahren, und viele Erzählungen,
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