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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 30.10.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 33 von 106

 

Deshalb geht es so nicht.

 

Wenn wir es ernst meinen, und wenn wir wirklich alles ernst meinen, und dass es uns darum geht, aus Neuzuwanderern einmal zehn Jahre später Österreicher und Österreicherinnen zu machen, dann sollten wir tatsächlich und auch offen diskutieren, wie wir diese Menschen erreichen können, und wie wir ihnen, wie gesagt, den Einstieg möglichst erleichtern können.

 

Umso mehr finde ich, dass diese Deutsch- und Alphabetisierungskurse, die es in Wien seit vielen Jahren gibt, ein guter Weg sind und wir werden selbstverständlich zustimmen, so wie wir es in früheren Jahren getan haben. Ich würde ersuchen, diesen Weg nicht nur weiterhin zu gehen, sondern nach Möglichkeiten auch auszubauen, denn ein Blick in die Zuwandererstatistik lässt uns nichtsdestotrotz eines erkennen: Die Neuzuwanderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, gehen in der Zwischenzeit gegen Null.

 

Nun haben wir nämlich de facto den größten Anteil der Neuzuwanderung aus Deutschland. Sie werden mir recht geben, dass diese weder Deutschkurse noch Landeskunde noch Verfassungskunde brauchen. Dann, darüber hinaus, ist die zweitgrößte Gruppe diejenigen Menschen, die aus Ländern der Europäischen Union einwandern, und viele kommen aus den neuen EU-Ländern. Im Jahr 2007 waren es an die 7 000 Menschen und 2008 werden es etwa an die 8 000 sein.

 

Wenn man jetzt den Abgang gegenrechnet, den es jedes Jahr gibt, denn es gibt auch Todesfälle und es gibt darüber hinaus auch Abwanderung, also Menschen kehren in ihre Herkunftsländer zurück oder wandern weiter innerhalb der Europäischen Union, dann muss man sagen, die Zuwanderung, das Zuwanderungssaldo aus Ländern außerhalb Europas geht de facto gegen Null. Und ein weiterer Blick in die Statistik wird Ihnen beweisen, dass auch die Anzahl der Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft, die nicht aus einem Land der Europäischen Union stammen, weiterhin schrumpft und immer geringer wird. Inzwischen haben wir an die 117 000 Menschen aus Ex-Jugoslawien in Wien. Diese neuen Länder sind zwar nicht in der Europäischen Union, liegen aber sehr wohl innerhalb Europas. Und wenn ich mir jetzt anschaue, wie viele Menschen es noch gibt, die aus außerhalb Europas liegenden Ländern stammen, in Wien leben und nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben, dann stelle ich fest, dass es derzeit gerade noch 200 000 sind.

 

Sie werden sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Problem, das wir zu bewältigen haben und worüber wir diskutieren müssen, und das ist ein ziemlich schwieriges, ist gar nicht so sehr das, was man mit Neuzuwanderern tut, denn das ist klar. Wir könnten uns relativ rasch einigen, es gibt Orientierungskurse, es gibt kostenlose Möglichkeiten, mitgebrachte Qualifikationen anerkennen zu lassen und es gibt eine Mitwirkungsmöglichkeit beim Besuch dieser Kurse. Wunderbar, wie gesagt, das hat sich dann relativ rasch erledigt.

 

Es stellt sich aber die Frage, womit erreiche ich diejenigen, die hier bereits sind, und womit erreiche ich diejenigen, die schon die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Womit erreiche ich diese, wo gibt es Probleme, wo gibt es Schwierigkeiten. Ja, die gibt es. Wie können wir hoffen, ohne falsches Pathos, und noch einmal, ohne Schuldzuweisungen, darüber zu reden, und wie können wir nach Lösungen suchen, die praktikabel sind.

 

Ich kann Ihnen noch einmal sagen, es ist heute weder der Tag noch die Zeit, um darüber zu reden, aber ich glaube, dass es genau das ist, was wir in diesem Haus in den nächsten zwei Jahren tun müssen. Und ich glaube auch, dass es möglich sein wird, im Rahmen der Zuwandererkommission auf einige Probleme, die es derzeit gibt, Antworten zu finden. Und jedenfalls sind Deutschkurse, so wie wir sie heute beschließen, und Alphabetisierungskurse ein Weg, um diejenigen zu erreichen, die bereits hier leben. Ein Weg, um ihnen etwas anzubieten, das sehr wesentlich und sehr wertvoll für ihren Alltag hier in Wien und auch für ihre Zukunft ist. Und umso mehr kann ich an dieser Stelle einmal mehr an alle appellieren: Bei aller Kritik, die es womöglich an der Ausführung der Kurse gibt, diesen zuzustimmen, weil dieser Weg ein wertvoller und ein wichtiger ist. (Beifall von GRin Nurten Yilmaz.)

 

Gut, ich möchte nichtsdestotrotz abschließend ein paar Worte an die FPÖ richten, auch weil sie hier heute einen Antrag eingebracht hat, in welchem es darum geht, dass man sozusagen Bekenntnisse zur österreichischen Verfassung und der Werteordnung von Zuwanderern einfordert.

 

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ohnedies bereits so, dass, wenn jemand eingebürgert wird, er mit zum Einbürgerungsakt automatisch ein Gelöbnis auf die österreichische Verfassung unterschreibt, und das ist gut, richtig und wichtig. Und nebenbei, ich könnte mir auch vorstellen - jetzt in die Zukunft gedacht - dass man sich tatsächlich auf einen Integrationsweg mit Zwischenetappen einigt. Das heißt, mit begleitenden Kursen, die man besucht und die beispielsweise den uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt beschleunigen, sodass dieser schneller zugänglich gemacht wird, oder dass die Aufenthaltsverfestigung durch den Besuch dieser Kurse schneller erreicht wird - ich nenne jetzt nur Beispiele, um eine positive Anregung zu geben - und wenn man dann, wie gesagt, entlang eines solchen gut organisierten Weges mit Zwischenetappen auch noch, zum Beispiel zum Zeitpunkt des Erlangens der Aufenthaltsverfestigung, genau dieses Gelöbnis auf die österreichische Verfassung miterledigt, dann wäre das schön, das wäre ein schönes Zeichen, es hätte auch etwas Feierliches. Und ich weiß ebenfalls, nicht nur auf Grund der eigenen Erfahrungen, aber ich glaube, jeder und jede von Ihnen wird mir beipflichten, dass manchmal gewisse Rituale auch etwas Schönes sind, sie haben nicht nur Symbolcharakter, sondern sie bedeuten auch etwas für den Betroffenen. Aber was ich nicht nachvollziehen kann, ist, warum wir jetzt extra irgendetwas hier für Menschen finden müssen, die eingewandert sind, und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.

 

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