Gemeinderat,
31. Sitzung vom 29.02.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 73 von 95
Gesellschaft der Wiener SPÖ ausgeliefert sind.
(Beifall bei der ÖVP.)
Das ist auch der Grund, warum wir gemeinsam mit der
Grünen Fraktion eine Gemeinderätliche Untersuchungskommission einsetzen werden.
Ziel ist es, auf Basis der lückenlosen Aufklärung der Missstände die
politischen Versäumnisse - und die sind sehr groß -, die zu tiefen
strukturellen Mängeln geführt haben, offenzulegen. Und Sie werden mittels
dieses Befundes, Frau Stadträtin, am Ende der Tätigkeit dieser
Untersuchungskommission gezwungen sein, unverzüglich die längst dringend
fälligen Schritte zu einer zeitgemäßen und menschenwürdigen Psychiatrie
einzuleiten. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als
nächster Redner am Wort ist Herr GR Deutsch.
GR Christian Deutsch
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Frau
Vorsitzende! Frau Stadträtin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Aufgabe einer Untersuchungskommission des Wiener
Gemeinderates ist es, den behaupteten Sachverhalt in einem behördlichen
Verfahren zu ermitteln und dann dem Gemeinderat auch darüber zu berichten. Und
damit es von Anfang an keine Missverständnisse und Unterstellungen gibt, halte
ich gleich zu Beginn fest, dass selbstverständlich alle behaupteten Vorwürfe
aufzuklären sind, nichts beschönigt wird, alles auf den Tisch kommt und jeder
Beschwerde auch nachgegangen wird. Denn niemand sagt - ausgenommen die
Vertreter der GRÜNEN und der ÖVP, dass alles super wäre. Das sagt niemand, aber
ich sage Ihnen, es wird intensiv daran gearbeitet, dass es permanent zu
weiteren Verbesserungen in dieser Stadt kommt.
Wir stehen für volle Transparenz, wir nehmen die
Tätigkeit in der Untersuchungskommission sehr ernst und werden uns auch sehr
engagiert - und das kann ich garantieren - auch sehr offensiv an der
Überprüfung der Vorwürfe beteiligen und die Schlussfolgerungen daraus ziehen.
Aber gleichzeitig halte ich es auch für falsch zu verallgemeinern und das
gesamte Fach der Psychiatrie schlechtzureden.
Ich verstehe schon, dass sich die ÖVP heute in einer
sehr schwierigen Position befindet, da sie einerseits mit der Einsetzung von
Untersuchungsausschüssen an sich Probleme hat - wie wir wissen -, weil das
demokratische Instrument des Untersuchungsausschusses auf parlamentarischer
Ebene ja derzeit aktuell von der ÖVP abgelehnt wird, und die Bevölkerung ja
immer stärker das Gefühl hat, dass man auf Bundesebene versuchen möchte, etwas
zu vertuschen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Herr
Vizekanzler Molterer davon spricht, dass er einen Untersuchungsausschuss
deshalb ablehne, weil das Risiko einer Politbühne gegeben sei, oder der
Generalsekretär der ÖVP der Meinung ist, es wäre ja ohnehin nur ein politisches
Tribunal und es blieben letztlich ausschließlich hohe Kosten und verlorene Zeit
über, also das sagt alles. Das lässt eigentlich sehr, sehr tief blicken.
(Beifall bei der SPÖ.) Aber die gleiche Partei nimmt mittels Minderheitenrecht,
zu dem wir uns bekennen, ja, zu dem wir uns bekennen, selbstverständlich dieses
Recht gerne in Anspruch. Und daher werde ich diesen Eindruck auch nicht los,
dass das parlamentarische Instrument eines Untersuchungsausschusses von Seiten
der Österreichischen Volkspartei nicht ernst genommen wird, sondern lediglich
genutzt wird. Denn würden Sie Ihre eigene Argumentation tatsächlich ernst
nehmen, dann müssten Sie auf Bundesebene der Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)
Diese Widersprüchlichkeit ist, kann man ja fast
sagen, in Herrn Bundesminister Hahn personifiziert, der auf der einen Seite auf
Bundesebene alles dazu beiträgt, dass die Österreichische Volkspartei im
Parlament einer Einsetzung des Untersuchungsausschusses nicht zustimmen wird,
aber auf der anderen Seite in Wien dieses Instrument nutzen will. Diese
Widersprüchlichkeit ist auch ganz deutlich, Frau Kollegin Korosec, in der
Argumentationsnot, in der Sie sich heute befunden haben, zum Ausdruck gekommen.
Die GRÜNEN, so hört man, sind hier unterschiedlicher
Meinung. Das ist ja an und für sich noch nichts Neues, würde ich sagen, weil das
ja bei vielen Anträgen immer wieder durch unterschiedliches
Abstimmungsverhalten auch entsprechend dokumentiert wird. Und ich verstehe
auch, dass die Politik einer absoluten Skandalisierung, wie es die Frau
Kollegin Pilz betreibt, ja wirklich nicht jedermanns Sache ist.
Aber es ist schon bemerkenswert, dass sich eigentlich
eine gesamte Fraktion dadurch in Geiselhaft nehmen lässt, weil ich es wirklich
für widerlich halte, ja wirklich für widerlich halte, wenn hilfsbedürftige,
schwer kranke Menschen für politische Ziele missbraucht werden, denn das ist
es, was Sie tun. (Beifall bei der SPÖ.)
Frau Kollegin Pilz hat dazu öffentlich aufgerufen,
dass sich Betroffene melden sollen, um sie vorführen zu können. Was Sie wollen,
ist eben, kranke, hilfsbedürftige Menschen vorzuführen, um zu skandalisieren.
Das ist ungeheuerlich und auf das Schärfste zurückzuweisen. (Beifall bei der
SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Schutz der
Patientinnen und Patienten hat für uns oberste Priorität. Es wird ein öffentliches
Vorführen von Patientinnen und Patienten mit psychiatrischen Krankheitsbildern
durch unsere Unterstützung mit Sicherheit nicht geben, denn die Patientinnen
und Patienten haben ein Recht auf Intimität, haben ein Recht auf Ruhe, und es
wäre verantwortungslos, dass sich das Krankheitsbild durch das Vorführen der
Patienten - wie sich das die Frau Kollegin Pilz vorstellt - möglicherweise noch
verschlechtern würde. Was Sie im Sinne haben, ist Skandalisierung und das hat
mit einer Problemlösung nichts zu tun. (Beifall bei der SPÖ.)
Zu den aufgeworfenen Fragen von
Pilz und Korosec möchte ich nur sagen, dass bereits im Dezember in einer sehr
ausführlichen Stellungnahme im Sonder-Gemeinderatsausschuss darauf eingegangen
wurde, aber die Antragsteller haben die Antworten nicht einmal
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