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Gemeinderat, 30. Sitzung vom 24.01.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 88 von 95

 

selbst gesagt hat: Liebe SPÖ, Realitäten zur Kenntnis nehmen! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet ist Frau GRin Mag Ramskogler. Ich erteile es ihr.

 

GRin Mag Sonja Ramskogler (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

 

Ich möchte so beginnen: Was heißt eigentlich Psychiatrie? Was bedeutet eigentlich Psychiatrie? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie, die Sie hier in diesem Raum anwesend sind, tatsächlich wissen, was es heißt, wenn Patienten auf eine Psychiatrie – egal, ob freiwillig oder unfreiwillig - gehen müssen. Was heißt das, vor Ort auf einer Psychiatrie zu sein, dort zum einen zu sehen, welche Krankheitsbilder dort tatsächlich behandelt werden, und zum anderen, welchen belastenden Situationen das Personal dort ständig - und das jeden Tag! - ausgesetzt ist? (GRin Dr Sigrid Pilz: Eben! Eben!)

 

Ich möchte von dieser Stelle aus sagen: Ich hatte die Gelegenheit, im Rahmen meiner Ausbildung auf der Psychiatrie im Otto-Wagner-Spital eine Zeit lang verbringen zu dürfen, um dort mein Praktikum zu machen. Und ich möchte Ihnen aus meinen Protokollen von dieser Stelle aus sagen, dass die Situation am Otto-Wagner-Spital kein Desaster ist, kein Skandal ist und auch kein Zustand! Das möchte ich hier von dieser Stelle aus behaupten. (StR David Ellensohn: Das haben Sie bei Lainz auch gesagt!) Denn dort werden PatientInnen mit einem wirklich extrem schwierigen Krankheitsbild sehr gut behandelt. Und Sie diffamieren hier alle, indem Sie die am Otto-Wagner-Spital geleistete schwere Arbeit als „Desaster", „Skandal" und sonst irgendetwas behandeln. (Beifall bei der SPÖ. – GRin Heidemarie Cammerlander: Wer verlangt denn mehr Personal? Das waren doch wir, oder? Sie lassen das Personal im Stich!) - Ich komme noch darauf zurück, aber nicht gleich.

 

Ich möchte von dieser Stelle aus - und das ist mein persönliches Privileg, keine Frage - nicht aus Briefen zitieren, sondern aus eigenen Erfahrungen, die ich machen konnte. (GRin Dr Sigrid Pilz: Aber lies die Briefe auch!) - Keine Frage. Ich habe gehört, was hier die Opposition vorgetragen hat, ich habe mich gut informiert. Ich habe dort auch Kollegen und Kolleginnen. Ich habe dort Kontakte zu diversen SozialarbeiterInnen, zu PsychologInnen, zu PsychotherapeutInnen, persönliche Kontakte zu Personen, mit denen ich durchaus gesprochen habe. Von dieser Stelle aus kann ich sagen: Wir haben es dort mit PatientInnen etwa mit folgender Aufnahmediagnose zu tun - nur ein Beispiel -: Bei einer Klientin liegt eine rezidivierende depressive Störung, schwere Episode mit psychotischen Symptomen vor. Die Situation bei der Aufnahme ist wie folgt: Die Patientin kommt mit der Rettung, nachdem sie auffällig wurde und störende Verhaltensbilder gezeigt hat. Sie macht sich große Sorgen um ihre Gesundheit, zeigt starke Suizidtendenz, ist im Verhalten sehr misstrauisch und meint, nicht auf die Psychiatrie zu gehören. Das ist das Stichwort: „Meint, nicht auf die Psychiatrie zu gehören." Das ist ein Krankheitsbild, keine Frage! - Verschärfte Aufnahmesituation.

 

Sie können sich den Ablauf in etwa so vorstellen: Dort ist das Pflegepersonal zur Stelle, dort sind die Ärzte zur Stelle und auch die Assistenzärzte - und diese möchte ich auch in Schutz nehmen, weil das immer wieder gekommen ist: „Assistenzärzte?" - Assistenzärzte sind, bitte, genauso qualifiziert! Assistenzärzte können genauso Diagnosen stellen! Mir ist es hier immer so vorgekommen, als ob ein Assistenzarzt ... (StR David Ellensohn: Turnusärzte?) Ja, auch Turnusärzte! Auch Turnusärzte! - Also, ich möchte die Turnusärzte hören, wenn Sie ihnen sagen: Sie kennen sich in ihrem Fach nicht aus, Sie sind kein guter Arzt! (StR David Ellensohn: Das hat keiner gesagt!) Gut. (GRin Dr Sigrid Pilz: Was willst du beweisen?) Was ich beweisen möchte, ist, dass die Aufnahmesituationen, die Aufnahmediagnosen dementsprechend sorgfältig abgehandelt werden, und dies in einer Situation, die bedrohlich sein kann.

 

Und hier komme ich auf weitere Krankheitsbilder zu sprechen: Aggressives Verhalten, Gewalt auf der psychiatrischen Klinik ist ein Thema, keine Frage, und mit diesem Thema muss man dementsprechend seriös umgehen - und nicht mit „Skandal!", mit Foto im „profil" und in anderen Medien, mit dieser Art der Darstellung von Gewalttaten von psychisch Kranken. Das hilft doch den psychisch Kranken nicht, sondern damit wird nur skandalisiert und der Eindruck erweckt, psychisch Kranke seien alle gewalttätig und hätten alle mit Brutalität und Aggression zu tun.

 

So ist es aber nicht! Der Alltag auf einer Psychiatrie schaut anders aus. (GRin Dr Sigrid Pilz: Wo ist der Widerspruch zu dem, was ich sage? Was willst du beweisen?) Er schaut nämlich so aus, dass 99 Prozent der behandelten Personen auf der Psychiatrie im Otto-Wagner-Spital zu ihrer Zufriedenheit, bestmöglich, qualitativ hochwertig behandelt werden. 99 Prozent, bitte! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Jetzt kommt der Punkt: Die Polizei kommt. - Die Aufnahmediagnose auf der Station lautet wie folgt: Der Patient tobt, der Patient schlägt um sich, der Patient hat sich nicht mehr im Griff, der Patient ist dementsprechend gewalttätig. - Was passiert dann? - Die Pflegemannschaft rückt aus, die Polizei wird informiert. Mit dem Patienten kann man in dieser Situation nichts anderes tun, als dass man ihn in ein Netzbett gibt.

 

Und damit kommen wir auf die Netzbetten zu sprechen. Es geht darum, dass ein Netzbett zum einen zum Schutz des Patienten und zum anderen zum Schutz der Menschen, die in seiner Umgebung sind, nämlich der Ärzte, der PflegerInnen und der anderen Personen, dient, dass es für sie einen Schutz darstellt. Es ist nicht so, dass die PflegerInnen und die Ärzte so furchtbare Monster sind und die Patienten deshalb in Netzbetten hineinstecken.

 

Und, sehr geehrte Damen und Herren, Sie wissen nicht ganz genau, wovon Sie sprechen, denn: Wenn die Europäische Menschenrechtskommission sagt, sie ist dagegen, dann ist sie nicht gegen - wie Sie hier

 

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