Gemeinderat,
30. Sitzung vom 24.01.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 77 von 95
sondern Frau Kalousek -, dass die eins-zu-eins-Überwachung nicht immer möglich ist, insbesondere, wenn eine räumliche Distanz zwischen Zimmern und sozialen Räumen besteht: „Eine eins-zu-eins-Überwachung ist vor allem im Nachtdienst und an Sonn- und Feiertagen auch im Tagdienst über längere Zeit aus Personalmangel nicht machbar." - Das ist, bitte, Text vom 20.12.2007!
Am Schluss heißt es: „Der Aufwand durch
Dokumentation", auf den hier Bezug genommen wird, „erhöht sich bei der
Betreuung kleinerer Patientengruppen. Die Zeit für die Betreuung der Mehrzahl
von PatientInnen wird reduziert, und diese können damit mit einer noch
geringeren Intensität betreut werden. Dadurch wird sich für den größeren Teil
der Patienten und Patientinnen die wünschenswerte Betreuungsqualität weiter
verringern."
Die Dokumente sind zahllos! Sie sind in keiner
einzigen Ihrer Stellungnahmen auf das eingegangen, was die Leute aus dem Haus
sagen. Sie behaupten, ich hätte sozusagen nur Quellen, die alle behaupten, die
Erde sei eine Scheibe, wo Sie doch wüssten, dass sie eine Kugel ist.
Ich möchte jetzt noch einmal zum Thema
freiheitsentziehende Maßnahmen zurückkommen, weil das ein zentrales Thema ist.
Sie haben davon gesprochen, dass es diese verschiedenen Fixierungsmöglichkeiten
gibt und dass es Netzbetten gibt. Ich möchte es Netzbett nennen, weil dann die
Leute wissen, wovon wir reden.
Es gibt Dokumente, und da ist jetzt keines aus dem
Otto-Wagner-Spital, sondern von anderen westeuropäischen Verantwortungsträgern
und -trägerinnen, die sich auch etwas denken. Zum Beispiel das bayerische
Staatsministerium hat ein Papier herausgegeben: „Verantwortungsvoller Umgang
mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege". Darin steht, was man
alles tun muss, bevor man die Freiheit entzieht, dass man ständig überprüfen
muss, ob es noch passt, und dass man so kurz wie möglich und so gelind wie
möglich vorgeht. (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Das ist ja minutenmäßig dokumentiert! Das ist alle fünf Minuten anders,
wo sich alle fünf Minuten die Beschränkung ändert!)
Es geht nicht nur um die Dokumentation, es geht vor
allem darum, dass man seine Haltung ändert. Es geht vor allem darum, dass man
sich im Zweifel dafür entscheidet, eins zu eins jemanden dazuzusetzen, wenn
jemand in einer Ausnahmesituation ist. Es geht darum, dass man jemanden zum
Beispiel zu dritt oder zu viert festhält, statt ihn oder sie zu fesseln. Es
geht zum Beispiel darum, dass man den Ursachen auf den Grund geht, warum jemand
in einer Unruhesituation oder in einer aggressiven Situation ist. (Amtsf
StRin Mag Sonja Wehsely: Weil er oder sie schwer krank ist!)
Zum Beispiel ist er oder sie schwer krank ... (Amtsf
StRin Mag Sonja Wehsely: Sonst wäre er nicht im Spital!) Aber hören Sie zu:
„Sind die Ursachen der Probleme behebbar? Bewohnerbezogene Ursachen,
Gangunsicherheit, Beleuchtungsverbesserung, Vereinsamung?" Vereinsamung:
Man kann auch im Otto-Wagner-Spital im Einzelzimmer, wenn es zu wenig Personal
gibt, unfassbar vereinsamen. (GRin Mag Sonja Ramskogler: ... Mehrbettzimmer!) Im
Einzelzimmer in der Psychiatrie im Netzbett fixiert, videoüberwacht - wenn Sie
meinen, dass das State of the Art ist, dann sind Sie weit weg von dem, was wir
hier brauchen.
Ich möchte jetzt all denen, die nicht wissen, was
Fixierung ist, dieses Bild zeigen: So schaut es aus, wenn jemand fixiert wird. (Die
Rednerin hält eine Fotografie in die Höhe.) Da ist ein Gurt, der zugemacht
wird, die Beine werden hier fixiert, da werden die Arme fixiert, und so liegt
man dann. Nur dass Sie das sehen, so schaut es aus. (GRin Nurten Yilmaz: Glauben Sie, Sie sind die Einzige, die das
weiß?)
Nein, aber es ist gut, wenn die Menschen sehen, was
es heißt, fixiert zu sein. Das sind Gurte, die eng an den Gelenken, eng am
Körper sind. Wenn man so fixiert ist, dann hat man das Gefühl der absoluten
Ohnmacht und des Ausgeliefertseins. Niemand kann sich aus dieser Situation
selbst befreien - das ist auch der Sinn der Fixierung -, aber man ist darauf
angewiesen, dass andere ihre Verantwortung sehr gut wahrnehmen.
Wenn man hier zum Beispiel allein bleibt und in eine
Erregungssituation kommt, die man nicht beherrschen kann, kann man ersticken.
Wenn jemand anderer, zum Beispiel ein Mitpatient oder eine Mitpatientin, in
dieser Situation Aggressionshandlungen setzt, kann man sich nicht wehren. Wenn
in dieser Situation irgendetwas ausbricht, kann man sich nicht wehren. Also sie
sollten, bevor Sie diese Dinge anwenden, überlegen, ob es gelindere Mittel
gibt, und es gibt ... (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Ich wende
überhaupt nichts an! Das sind medizinische Indizierungen!)
Sie nicht, Sie verantworten sie. Sie verantworten
nur, dass es ausreichend Personal gibt, dass niemand fixiert werden muss, und
dass man nicht aus Personalmangel sagt: Besser, man fixiert, als man setzt eins
zu eins jemanden zu einem Patienten. Das haben Sie sicherzustellen, und wir
haben Zweifel, dass Sie es sicherstellen können.
Weil wir Zweifel haben, haben wir heute in
Zusammenarbeit mit der ÖVP ein Prüfersuchen an das Kontrollamt in Auftrag
gegeben, betreffend die Mängel der stationären und ambulanten Versorgung
psychisch kranker Erwachsener in Wien ab dem Jahr 2005. Wir wollen, dass das
Kontrollamt genau hinschaut, dass das Kontrollamt Fragen stellt und dass auf
den Tisch des Hauses kommt, wie es in der Psychiatrie ausschaut.
Wir haben erhebliche Zweifel daran, dass Sie sich vor
Ihren Ausführungen, was das Bild davon betrifft, wie es in der Psychiatrie
zugeht, ausreichend mit denen in Verbindung gesetzt haben, die hier Kritik
geübt haben. Wenn Sie das getan haben, haben Sie es nicht gesagt. Sie haben mit
keinem Wort darauf Bezug genommen, was für Sorgen Ihre Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen im Dienstweg geäußert haben. Ich wundere mich, dass Sie
das nicht tun. Ich wundere mich vor allem deshalb, weil Sie sicher sein können,
dass dieses Protokoll bei den Mitarbeitern
und Mitarbeiterinnen ankommt.
Ich sage Ihnen eines: Die Energie,
die man jetzt im
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