Gemeinderat,
29. Sitzung vom 14.12.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 68 von 117
Insbesondere der jüngst bekannt gewordene Fall eines achtjährigen Mädchens aus Wien Favoriten lässt Kritik an der Arbeit des Wiener Jugendamts aufkommen. Frau Stadträtin, Sie haben diesen Fall heute in der mündlichen Fragestunde schon geschildert. Das heißt, ich werde ihn nicht weiter ausführen. Wir wissen alle, das Mädchen ist in einer äußerst konfliktträchtigen Situation, hat mit einer alkoholkranken Mutter gelebt und die Situation war dem Jugendamt bereits mehrere Jahre bekannt. Nach den neuerlichen Misshandlungsvorkommnissen wurde der Mutter jetzt bei Gericht die Obsorge entzogen (VBgmin Grete Laska: Woher haben Sie die neuerlichen?), aber das Jugendamt wollte in diesem Fall die Situation mit der Mutter bereinigen, nachdem die offenkundigen Misshandlungen dem Jugendamt angezeigt wurden. (VBgmin Grete Laska: Das stimmt ja überhaupt nicht! Sie haben nicht zugehört!)
Bestürzend ist, dass das Jugendamt nicht die Polizei
oder das Gericht verständigt hat, nachdem die Misshandlungsspuren dem Jugendamt
offiziell angezeigt wurden. (VBgmin Grete Laska: Ihre Darstellung wird nicht
wahrer, wenn Sie immer wieder die falsche wiederholen!) - Ich wiederhole es
nicht, sondern ich sage in meiner Begründung jetzt ganz konkret, worum es uns
geht. (VBgmin Grete Laska: Sie haben gesagt, Sie haben mir zugehört! Aber Sie
erzählen wieder dasselbe, was in den Zeitungen falsch gestanden ist!) - Ich
habe wiederholt, Frau Stadträtin, was Sie uns heute in der Fragestunde erzählt
haben! (VBgmin Grete Laska: Es ist aber Tatsache, dass Sie eine falsche
Darstellung wie ein wiederholtes Abspielen zum Besten geben! Wollen wir jetzt
sachlich diskutieren oder nicht?)
Hier ging es nicht um eine normale Konfliktsituation,
die natürlich zuerst innerhalb der Familie geregelt werden müsste, sondern es
ging um eine Kindesmisshandlung! (VBgmin Grete Laska: Das ist der einzige
Punkt, der stimmt!) Das ist ein Fall von vielen, aber es wird wahrscheinlich
nicht der letzte sein! (VBgmin Grete Laska: Bedauern Sie das? Das ist ja
unglaublich!) Befremdlich für uns ist, und das ist der Grund, warum wir diese
Dringliche Anfrage stellen, dass es keine Reaktion der SPÖ-Stadtregierung in
diesem Fall gab. (GR Franz Ekkamp: Ihre Behauptung ist unglaublich!) Es gab
keine Reaktion von Ihnen! (VBgmin Grete Laska: Das ist das Einzige, worauf Sie
sich beziehen und worüber sie sich empören!) - Das ist nicht das Einzige, aber
das ist eine Möglichkeit, das heute einmal zur Sprache zu bringen! (VBgmin
Grete Laska: Da tun mir alle Kinder leid, für die Sie vielleicht verantwortlich
sind!)
Herr Bgm Häupl, die Wienerinnen und Wiener erwarten
von Ihnen, Stellung zu beziehen, Schritte einzuleiten und die Sache zu klären!
- Danke. (Beifall bei der ÖVP. - VBgmin Grete Laska: Das ist eigentlich
unfassbar! Es gibt offensichtlich in der ÖVP keine höhere Qualität, um zu
argumentieren! Unglaublich!)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Zur
Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bürgermeister zum Wort
gemeldet. - Ich bitte darum.
Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrte Frau
Gemeinderätin!
Ich möchte, wiewohl das heute schon mehrmals der Fall
war, noch einmal zum Anlassfall zurückkommen, denn die Begründung hat gerade
bewiesen, dass, so hoffe ich jedenfalls, ständige Wiederholung den Unterrichtsertrag
sichert.
Ich wiederhole daher: Ab Bekanntwerden der
Misshandlung des Mädchens war das Jugendamt involviert. Schon am Wochenende,
als die Bekannte, zu der sich das Mädchen flüchtete, die Polizei rief, wurde
das Jugendamt, im konkreten Fall das zuständige Krisenzentrum, informiert. Da
das Mädchen jedoch nicht ins Krisenzentrum wollte, wurde von der Polizei das
Einverständnis der Mutter eingeholt und das Mädchen bei der Bekannten belassen.
Am Montag erschien das Mädchen in Begleitung des Onkels, jener Bekannten, bei
der es genächtigt hatte, und jenes Mannes, der sich später an die Medien
wandte, in der Regionalstelle. Die SozialarbeiterInnen wollten das Mädchen im
Krisenzentrum aufnehmen, doch das Mädchen und der Onkel lehnten das ab, weil der
Onkel das Mädchen gleich nach Polen mitnehmen wollte. Dem konnte und durfte das
Jugendamt aber nicht zustimmen, da der Onkel völlig unbekannt war, seine
Lebensverhältnisse in Polen ebenso nicht bekannt sind und einer solchen
Übernahme des Kindes die Obsorgeberechtigten beziehungsweise das
Pflegschaftsgericht zustimmen müssten. In der Folge vereinbarte die
Sozialarbeiterin für den Onkel einen Termin am zuständigen Pflegschaftsgericht,
den dieser dann auch wahrnahm. Die Linie des Jugendamts war weiterhin, Aufnahme
des Kindes ins Krisenzentrum und weitere Abklärung der nächsten Schritte. Auch
im Hinblick darauf, dass das Mädchen österreichische Staatsbürgerin und
schulpflichtig ist, erschien dem Jugendamt ein Verbleib des Mädchens in Wien
sinnvoller. Die Richterin am Bezirksgericht entschied dann nach mehrmaliger
telefonischer Rücksprache mit dem Jugendamt für die vorläufige
Obsorgeübertragung an den Onkel. Bis hierher hatte das Jugendamt ganz
unbestreitbar korrekt gehandelt.
Im Gegensatz zu manchen, vielleicht auch lancierten,
öffentlichen Darstellungen, kam es in den Jahren der Betreuung der Familie
durch das Jugendamt nie zu derartigen Übergriffen und Misshandlungen der Mutter
gegenüber ihrer Tochter. Daher hatte das Jugendamt bis zu jenem Tag, den ich
eben schilderte, keinerlei Grund, der Mutter das Kind wegzunehmen. Auf Grund
der schwierigen familiären Verhältnisse, die eine Betreuung erforderlich
machten, gab es zudem ein Controlsetting mit der Schule. Auch in der Schule
fielen nie Misshandlungsspuren auf. Das Mädchen wurde von der Schule als
gepflegtes, von der Mutter gut versorgtes Kind wahrgenommen. Die Mutter galt
als kooperativ und bemüht. Auch die Absenzen in der Schule waren nicht gegeben.
Das
Jugendamt ist grundsätzlich angehalten, stets die gelindesten zum Ziel
führenden Maßnahmen anzuwenden. Eine sofortige Herausnahme des Kindes darf nur
bei Gefahr in Verzug erfolgen und es muss innerhalb von acht Tagen ein
entsprechender Antrag nach § 215 ABGB in Verbindung mit
§ 176 ABGB vom Jugendamt beim Pflegschaftsgericht eingebracht werden,
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