Gemeinderat,
29. Sitzung vom 14.12.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 117
die Frage: Gibt es eigentlich einen Widerspruch zwischen den bestehenden Richtlinien auf europäischer Ebene und den Inhalten dieses Vertrages? Es wird zwar ganz am Anfang durchaus darauf hingewiesen, dass die Verordnung 1191/69 in der gültigen Fassung berücksichtigt wird. (GR Mag Wolfgang Gerstl: Aber nur einseitig berücksichtigt!) Insofern ist es auch ganz wichtig, dass man darauf hinweist, denn hinten steht ja dann, glaube ich, unter § 2 Abs 5, dass es sich jedenfalls um eine Subvention handelt. Das ist auch ein Punkt, der de facto in 1191 geregelt ist, dass dieser Verkehrsdienstevertrag als staatliche Beihilfe und in dem Sinn als Subvention gewährleistet wird.
Aber man muss sich umgekehrt fragen, ob dann dieser
Vertrag tatsächlich die für diesen Fall gültigen Richtlinien des
Altmark-Urteils erfüllt. Einer der wesentlichen Punkte der Urteile bezüglich
Altmark war, dass zukünftig ganz klar, objektiv und transparent, nach
nachvollziehbaren Kriterien die Höhe des finanziellen Ausgleiches geregelt sein
muss.
Jetzt gibt es dazu zunächst einmal eine banale
Grundlage, die meines Erachtens in diesem Vertrag unmissverständlich hätte
aufgeführt werden sollen: Wie viel kostet der gefahrene Zugskilometer? Welches
ist der Betrag, den die ÖBB brutto der Stadt Wien für einen gefahrenen
Zugskilometer eigentlich verrechnen wollen? Welches ist der Betrag, den die ÖBB
der Gemeinde Wien netto für einen gefahrenen Zugskilometer verrechnen wollen?
Denn es gibt natürlich zusätzliche Einnahmen durch die über die Grundversorgung
hinausgehenden Fahrten. Was sind die Nettobeträge?
Dann hätten wir zumindest einmal Beträge, auf deren
Basis wir auch zukünftige Verhandlungen führen könnten und auf deren Basis die
ebenfalls in dem Vertrag beinhaltete gegenseitige Meistbegünstigtenklausel auch
noch einen Sinn machen würde. In Bezug auf die unter § 5 des vorliegenden
Vertrages angeführte gegenseitige Meistbegünstigtenklausel frage ich mich
tatsächlich: Auf welcher Basis ist die Stadt Wien überhaupt in der Lage, diese
Meistbegünstigtenklausel zu realisieren?
Erste Frage: Wissen wir überhaupt, mit welchen
anderen Bundesländern die ÖBB zu welchen Konditionen Dienstleistungsverträge
abschließen? Wissen wir das überhaupt? Werden uns diese regelmäßig bekannt
gegeben, und kennen wir die Kalkulationen? Denn nur dann macht die
Meistbegünstigtenklausel tatsächlich einen Sinn.
Zweite Frage: Erfolgt dann auch ein Vergleich
zwischen diesen Verträgen, um sich tatsächlich einmal anschauen zu können, auf
welcher Basis die ÖBB kalkulieren? Momentan kommt mir eigentlich vor, die ÖBB
kalkulieren auf der Basis: Schauen wir, dass wir möglichst viel von Wien
herauskriegen für möglichst wenig Leistung, damit wir unser verzocktes Defizit
wieder irgendwie ausgleichen können. - Aber es hat eigentlich nichts damit zu
tun, für welche Bereiche der Verkehrsdienstevertrag abgeschlossen wurde. Wissen
wir überhaupt, ob die jetzigen Einnahmen nicht reichen würden?
All das geht aus diesem Vertrag nicht hervor. Ganz im
Gegenteil, es ist im Vertrag sogar dargestellt, dass die Einnahmen aus dem
Vertrag für die ÖBB dazu führen, den Betriebsabgang zu reduzieren. Jetzt habe
ich das Gefühl gehabt, wenn man sich die Urteile von Altmark in Verbindung mit
Verordnung 1191 in der gültigen Fassung und so weiter ansieht, dass es genau
das ist, was der Verkehrsdienstevertrag nicht tun soll: einen durchschnittlichen,
normalen Betriebsabgang decken. Die Verkehrsdiensteverträge sollen tatsächlich
eine Leistung bezahlen, wenngleich es - Gott sei Dank, sage ich dazu - nach wie
vor erlaubt ist, diese direkt zu vergeben. Das halte ich für sinnvoll, aber es
geht natürlich darum, das transparent zu machen und es offenzulegen.
Es hat im Zusammenhang mit verschiedenen Urteilen auf
europäischer Ebene - Berlin/Brandenburg, Deutsche Bahn - dann durchaus das
Erkenntnis gegeben, dass die Deutsche Bahn anderen Bundesländern um ein Zehntel
des Zugskilometerpreises von Berlin/Brandenburg Sachen angeboten hat. Das wäre
tatsächlich auch einmal für Wien interessant.
Nichtsdestoweniger lässt sich auf Basis dieses
Vertrages eigentlich nicht feststellen, wofür die Gemeinde Wien tatsächlich wie
viel bezahlt. Es wäre durchaus spannend, ob dieser Vertrag den europäischen
Kriterien nach dem Altmark-Urteil standhalten wird. Ich denke, es wird
tatsächlich irgendjemand geben, der sich möglicherweise beschwert.
Es gibt viele Gründe - wie gesagt, auch die
verkehrspolitischen Gründe -, warum wir diesen Vertrag ablehnen; darauf wird
Ingrid Puller noch eingehen. Aber ich hoffe doch für die Zukunft, dass man die
vergaberechtlichen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen im Zusammenhang mit
der EU - insbesondere dann, wenn man so überzeugte/r EU-Befürworter/in ist, wie
das in der Wiener SPÖ der Fall ist - tatsächlich auch in diesen Fragen
einhalten wird. Denn das könnte der Stadt Wien einiges an Leistung für den
öffentlichen Verkehr bringen, und letztendlich käme das glücklicherweise der
Bevölkerung zugute, die bislang bei den Schnellbahnen immer noch darauf
angewiesen ist, oft genug mit Unsicherheit darauf zu warten: Kommt sie
überhaupt? Kommt sie pünktlich? Und wenn tatsächlich Zugausfälle da sind, ist
auch durch diesen Verkehrsdienstevertrag noch lange nicht gewährleistet, dass
es einen Schienenersatzverkehr gibt.
Aus all diesen Gründen und den weiteren, die Kollegin
Puller noch erläutern wird, lehnen wir den Vertrag ab. - Danke sehr. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächster am Wort ist Herr GR Mag Gerstl. -
Bitte.
GR Mag Wolfgang Gerstl
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr
geehrter Herr Berichterstatter!
Das Hauptthema des heutigen Tages ist Verkehr:
öffentlicher Verkehr und Individualverkehr. Jede Betrachtungsweise nur des
Individualverkehrs oder nur des öffentlichen Verkehrs wäre falsch, es ist
notwendig, dass wir beide Bereiche miteinander betrachten. Lassen Sie mich
daher zunächst zur ersten Vorlage kommen, betreffend die Einführung eines
2-Stunden-Parkscheines.
Die ÖVP-Fraktion hat am
20. September dieses
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