Gemeinderat,
28. Sitzung vom 10.12.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 23
Verfassungslage substanziell verändert, meine Damen und Herren. Seither sind 14 europäische Staaten im Jahr 2004 und zuletzt im Jahr 2007 Rumänien und Bulgarien beigetreten. Durch diese neuen Mitglieder verändert sich die Wirtschaftslage der Europäischen Union natürlich, weil die Beitrittsländer volkswirtschaftlich deutlich schwächer sind.
Vor allem haben sich aber die politischen
Verhältnisse grundlegend geändert, weil jedes neue Mitglied die Stimmgewichtung
verändert.
Meine Damen und Herren! Wir müssen heute für alle
zahlen, wir haben aber nichts mehr mitzureden, und allein die Tatsache der
Aufnahme der neuen Mitglieder stellt einen Fall für den Artikel 44,
nämlich für eine Volksabstimmung, dar. Es gibt aber keine Entscheidung des
österreichischen Bundesvolkes, dass wir in einem solchen echten Bundesstaat,
wie er sich jetzt darstellt, Mitglied sein wollen. Es gibt keine Entscheidung,
dass wir unsere staatlichen Souveränitätsrechte aufgeben wollen!
Meine Damen und Herren! Es ist für mich
unverständlich, warum die anderen Fraktionen diesbezüglich einfach die
Lobbyisten für Brüssel sind. Die FPÖ war immer die einzige Partei, die hier die
österreichischen Interessen vertreten hat! (Beifall bei der FPÖ.)
Wir haben schon im Vorjahr im Rahmen eines
Volksbegehrens 250 000 Unterschriften gesammelt, und wir sind jetzt
dabei, eine neue Petition vorzulegen, mit der wir eine solche Volksabstimmung
durchsetzen wollen, meine Damen und Herren! Ich bringe daher folgenden
Beschlussantrag ein:
„Der Gemeinderat der Stadt Wien fordert die
Bundesregierung auf, im Falle einer Ratifizierung des neuen Vorschlags für den
Vertrag für die Europäische Union dem Nationalrat ein Ermächtigungsgesetz
vorzulegen, über welches eine Volksabstimmung durchzuführen ist."
Ich beantrage in formeller Hinsicht die sofortige
Abstimmung und ersuche Sie um Zustimmung, meine Damen und Herren. (Beifall bei
der FPÖ.)
Meine Damen und Herren! In drei Tagen, am 13.
Dezember, soll ein Beschluss gefasst werden, der unsere Rechte in Österreich
ganz wesentlich aushöhlt!
Zum Abschluss noch eine ganz grundsätzliche Bemerkung
zur Demokratie. – Meine Damen und Herren von der ÖVP! Haben Sie sich
eigentlich schon einmal damit befasst, wie dieser Vertrag mit den Rechten des
Parlaments umgeht und dass er daher demokratiepolitisch wirklich gefährlich
ist? Es gibt erstmals einen europäischen Bundesstaat, der uns jede Kompetenz
wegnehmen kann und dessen Recht immer Vorrang haben wird. Dieser Bundesstaat
kann mit der Flexibilitätsklausel jede Kompetenz an sich ziehen. Dann ist es
auch mit unserem Föderalismus vorbei, meine Damen und Herren! Haben Sie sich
das überhaupt durchgelesen?
Meine Damen und Herren! Vor allem gibt es dann auch
das vereinfachte Änderungsverfahren. Dieses vereinfachte Änderungsverfahren
allein kann eine Gesamtänderung der Verfassung bedeuten! Das muss man sich
wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Ich bringe nur eine Passage als
Beispiel: Danach kann der Europäische Rat eine Änderung der Bestimmungen über
die Arbeitsweise der Europäischen Union allein beschließen. Das muss man sich
auf der Zunge zergehen lassen: Der Europäische Rat allein kann die Bestimmungen
über die Arbeitsweise – und das
ist de facto die Verfassung – nach
Anhörung des Europäischen Parlaments ändern. – Wohlgemerkt heißt es hier:
„nach Anhörung“! Und das ist nichts anderes als eine Ausschaltung des
Parlaments und des Parlamentarismus! Meine Damen und Herren! Fragen Sie Ihre
Juristen! Das geschieht erstmals in der Geschichte unserer Verfassung! Bitte
schauen Sie sich das an! Zum ersten Mal wird das demokratische Grundprinzip
unserer österreichischen Verfassung verletzt!
Da frage ich Sie: Soll das Ihre neue Demokratie sein?
Wer ist denn der Europäische Rat? – Der Rat
ist nichts anderes als die Regierung, die Brüsseler Regierung. Soll das Ihre
Demokratie sein, wenn eine Regierung in Brüssel ohne Parlament und daher ohne
demokratische Legitimation Verfassungsänderungen beschließen kann?
Meine Damen und Herren! Wir sollten es ganz offen
aussprechen: Die Europäische Union in Brüssel entwickelt immer mehr
diktatorische Züge!
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich daher zum Abschluss
ganz klar feststellen: Es geht hier auch um unsere Demokratie. Jedenfalls ist
für uns aber klar, dass wir in keiner Diktatur leben wollen. Wir wollen in
keiner Diktatur leben, in der die Zentrale in Brüssel alles bestimmt! Wir
wollen diese Diktatur in Brüssel stoppen, und daher fordere ich Sie auf, meine
Damen und Herren: Lassen Sie die Menschen in Österreich abstimmen! Das ist ihr
Recht. Haben Sie keine Angst vor dem Volk, und lassen Sie die Menschen in
Österreich abstimmen! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: In
Bezug auf die folgenden Wortmeldungen möchte ich bemerken, dass die Redezeit
für den Erstredner jeder Fraktion 30 Minuten beträgt. Die Redezeit jedes
weiteren Redners ist mit 15 Minuten begrenzt.
Als nächster Redner hat sich Herr StR Herzog zu Wort
gemeldet. Ich erteile es ihm.
StR Johann Herzog: Meine sehr
geehrten Damen und Herren!
Wir befinden uns in der Situation, dass am 13. dieses
Monats eine grundlegende Entscheidung für Europa fallen wird, und ich glaube,
dass diese Entscheidung nicht ohne die Zustimmung der österreichischen
Bevölkerung beziehungsweise des österreichischen Wahlvolkes erfolgen soll. Es
ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Bestimmungen dieses neuen
EU-Vertrages, der selbstverständlich als EU-Verfassung zu betrachten sein wird,
die Grundordnung in Österreich ändern werden. Die Verfassung der Republik wird
also einer Veränderung unterworfen, und das Recht der Bürger, über eine solche
Entscheidung abstimmen zu können, ist verfassungsmäßig festgelegt. (Beifall bei
der FPÖ.)
Es ist mir völlig unverständlich,
warum die anderen
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular