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Gemeinderat, 26. Sitzung vom 19.11.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 120

 

Anspruch auf die elementarsten Grundbedürfnisse hat. Wir lehnen das neoliberale Prinzip des „Survival of the Fittest" entschieden ab, das suggeriert, dass Eigenverantwortung alles und der Zusammenhalt des Gemeinwohls nichts ist.

 

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bekennen uns klar dazu, jene Menschen zu vertreten, die auf gemeinschaftliche Solidarität angewiesen sind und bereit sind, diese Solidarität zu leben. Wir bekennen uns dazu, dass der Zugang zur Kunst und Kultur ein ebensolches elementares Grundbedürfnis darstellt. In Wien wird auch nächstes Jahr so viel an öffentlichen Mitteln für Kunst, Kultur und Wissenschaft ausgeschüttet und investiert wie noch nie zuvor. Das dies allein schon alles andere als selbstverständlich ist, erkennt man spätestens dann, wenn man sich die Kunst- und Kulturpolitik à la Schüssel und Morak der letzten Jahre vor Augen hält, sofern man eine solche Politik überhaupt als Kunst- und Kulturpolitik bezeichnen kann. Es wurde gekürzt und gestrichen, und alleine dem unermüdlichen Kampfgeist und Überlebenswillen der Kunstschaffenden selbst und einigen verantwortungsbewussten LandespolitikerInnen ist es zu verdanken, dass nicht viel mehr unwiederbringlich zerstört wurde.

 

Ich möchte gedanklich noch ein bisschen weiter gehen, um zu veranschaulichen, dass Wien auf dem richtigen Weg ist. In den USA etwa gibt es nahezu keine öffentliche Kulturförderung, somit wird nur jenes hervorgebracht und es überleben ausschließlich jene Initiativen, die zum aktuellen Zeitpunkt Gewinn abwerfen. Neues und Zeitgenössisches findet also nicht statt oder nur dann, wenn sich ein Mäzen bereit erklärt, viel Geld in die Hand zu nehmen. Von Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit also absolut keine Rede. Die drohende Konsequenz einer solchen Entwicklung: Geistiges Leben und kritisches Denken verschwinden. Gerade diese Fähigkeiten sind aber unheimlich wichtig für die Selbstreinigung einer Gesellschaft, sie fungieren in gewisser Weise als geistige Katalysatoren. Wir brauchen und bekennen uns also weiter zur öffentlichen Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft. Auf den Punkt gebracht: Kunst und Kultur nicht nur für jene, die es sich leisten können, sondern für alle. Öffentliche Subventionsförderungen und Subventionen sind vor allem für die Existenz zeitgenössischer Kunstformen eine wesentliche Bedingung, und deswegen ist die Förderung unerlässlich: Je mehr, um so besser. Es gibt noch viel zu tun.

 

Meine Damen und Herren! Wenn ich über die gesellschaftspolitische Komponente öffentlicher Subventionsförderungen spreche, meine ich auch und vor allem die Wissenschaftsförderung. Das, was heute nicht gedacht wird, kann morgen nicht angewandt werden. Die schnelllebige Zeit stellt viele Forderungen und Anforderungen an uns. So müssen etwa Problemstellungen formuliert werden, die heute noch gar nicht aktuell sind, um morgen rasch passende Lösungen parat zu haben.

 

Die Stadt Wien ist sich der wirtschafts- und standortpolitischen Bedeutung von Forschung und Technologie bewusst und setzt daher seit Jahren einschlägige Initiativen und Maßnahmen, die der wissenschaftlichen Kreativität und dem wirtschaftlichen Innovationsprozess zugute kommen. Eine dieser Initiativen stellt die so genannte FTI-Strategie dar, die heute schon im Gespräch war: Über 80 hochkarätige ExpertInnen aus Bildungsinstitutionen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen wurden vom Herrn Bürgermeister und Mitgliedern der Stadtregierung eingeladen, wesentliche Lebensfragen zu stellen und mögliche Antwortstrategien auszuarbeiten. Meine Damen und Herren: Wien denkt Zukunft. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Die Ziele der Wiener Kulturpolitik bleiben also: Das Kleine soll und muss neben dem Großen bestehen können, Neues neben dem Alten, und diese zwei Pole sollen sich weiterhin gegenseitig befruchten und inspirieren können. Und wir wollen weiterhin Kultur für alle. Wir kämpfen weiter für ein offenes Klima, das Kritik nicht nur zulässt, sondern Kritik auch aufnimmt, um noch besser und lebensnaher zu werden. Die Einstellung nach dem Motto: Die Hand, die einen füttert, die beißt man nicht!, spielt es vielleicht in Kärnten oder vor einem Jahr noch auf Bundesebene, aber sicher nicht in Wien. Wir lassen uns nicht beirren, machen weiter Kunst-, Kultur- und Wissenschaftspolitik nach sozialdemokratischen Grundsätzen. Wir verteidigen die Kulturstadt Wien und den freien Zugang zu Kunst und Kultur gegen alle Versuche, neoliberale Ausschlusspolitik zu betreiben.

 

In diesem Sinne möchte auch ich den MitarbeiterInnen des Kulturressorts für die Vorarbeit danken. Meine Fraktion unterstützt den Stadtrat auch weiterhin, wenn es um mehr Mittel für Kunst, Kultur und Wissenschaft geht. Wir werden dem hier vorliegenden Budgetvoranschlag mit voller Überzeugung zustimmen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Am Wort ist der Herr Amtsf StR Dr Mailath-Pokorny.

 

Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!

 

Was bezwecke ich mit dem Budget 2008? Es geht prinzipiell darum, Kunst zu ermöglichen – und zwar anspruchsvolle Kunst zu ermöglichen –, Kreativität zu fördern und natürlich ein offenes Klima in dieser Stadt weiterhin zu schaffen. Das sagt sich leicht, ist aber natürlich eine Aufgabe, die Tag für Tag neu angegangen werden muss. Die Zahlen des Budgets wurden ja schon genannt, die Steigerung um 5,5 Prozent, vor allem aber – und auf das möchte ich auch noch hinweisen – die Steigerung von 35 Prozent innerhalb des letzten halben Jahrzehnts. Ich kenne nicht viele Kommunen in Österreich, aber auch in Europa oder überhaupt global, wo das geschehen ist – und zwar, nicht weil wir uns so gerne mit Zahlen spielen oder weil vielleicht die Frau Budgetstadträtin oder der Herr Bürgermeister nicht wüssten, was sie mit diesem Steuergeld anfangen sollen, sondern weil wir der Meinung sind, dass man selbstverständlich in Kunst und Kultur investieren muss. Ich verwende dieses Wort lieber als den Begriff der Subvention, weil es letztendlich ja auch um einen Mehrwert geht – nicht im klassischen, ökonomischen Sinn, sondern natürlich um einen

 

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