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Gemeinderat, 22. Sitzung vom 25.06.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 84 von 140

 

möglichen Stellen, natürlich auch, wo man in Wien zuerst hingeht, wenn man etwas will, bei der SPÖ, weil die sitzt überall, auch zusätzlich dann natürlich noch in den sozialen Organisationen. Es konnte ihr mit ihrem Anliegen nicht geholfen werden oder es wurde ihr nicht geholfen, sagen wir so. Vermutlich war sie zu leise und zu unbedeutend oder vielleicht auch zu schüchtern, um laut zu schreien, denn das hätte sie wirklich tun können.

 

Sie kümmern sich um Fremde, um Zuwanderer, um Asylanten, da gibt es x Vereine, von der Caritas bis zur Ute Bock, die sich sogar Sorgen um diejenigen macht, die bereits kriminell geworden sind. Wenn es um die Einheimischen geht, schaut es anders aus!

 

Diese junge Frau, Hauptschulabschluss, am Beginn einer Berufsschule, wurde in der gewaltfreien Stadt Wien bei einer Busfahrt von der Schule zurück von einem Gleichaltrigen angepöbelt und niedergetreten. Das passiert oft in dieser Stadt. Der Ausgang war aber in diesem Fall ein besonders unglücklicher, sie hat eine schlimme Kopfverletzung mit langer Heilungsdauer, bleibende Epilepsie, Verlust der Geschmacksnerven, der Geruchsnerven als Ergebnis des Ganzen und, wie gesagt, Epilepsie bei großer Anspannung und Aufregung. Aus war es mit der Möglichkeit, einen Beruf zu erreichen. Ihr Berufsziel Kindergärtnerin oder Gastronomie war weg. Sie hat dann versucht, in Meidling in verschiedenen Kaufhäusern und so weiter als Verkäuferin unterzukommen. Wissen Sie, was passiert ist? Ich habe das am Anfang auch nicht geglaubt, aber es war eine Zeugin dabei, die das bezeugt hat. Sie wurde gefragt: „Können Sie Serbisch oder, noch besser, Türkisch? Sonst können wir Sie nicht brauchen!" - So schaut es im heutigen Österreich bereits aus! (GR Dipl-Ing Omar Al-Rawi: Geh, bitte! Das ist doch nicht wahr!) Nein, das ist ein Faktum, Herr Kollege! Sie können noch so tun, es ist ein Faktum! Was wollen die Frauen denn, wenn sie einkaufen gehen und nur Türkisch können? Dann wollen sie eine türkische Verkäuferin, weil sie sich sonst nicht ausdrücken können. So schaut es aus!

 

Weiter, die ganze Geschichte ist damit noch nicht beendet. Sie hat versucht, einen Arbeitsplatz zu bekommen, ist auf das Arbeitsamt gegangen. Dort hat man ihr gesagt: „Wir sind nicht zuständig für Sie, weil Sie als Schülerin noch nicht die nötigen Tage an Arbeitszeit erworben haben." Nichts war es damit. Sie hat weitergesucht, denn sie möchte arbeiten und möchte nicht der Allgemeinheit zur Last fallen. Sie ist auch fähig zu arbeiten und willens, sogar sehr, von ihrer Ausbildung und ihrer ganzen Art her.

 

Nächster Versuch war, eine Kleinstwohnung in der Nähe ihrer Familie zu erhalten. Sie lebt nämlich mit ihren Eltern in einer Kleinwohnung und teilt sich mit dem Alter von fast schon zwanzig Jahren das Zimmer mit ihrer jüngeren Schwester, was besonders dann, wenn sie einen ihrer Krankheitsanfälle hat, zur Belastung für alle wird. Sie war erfolglos. „Wer eine Wohnung bekommt, bestimmen wir.", war die Auskunft, sie möge doch leerstehende Wohnungen aufzählen und dann wiederkommen. Sie hat es getan, hat aber trotzdem keine Wohnung bekommen.

 

Mittlerweile ist es uns gelungen, ihr zumindest einen Praktikumsplatz mit einer gewissen Aussicht auf eine Anstellung zu verschaffen. Auch die Wohnungsfrage schaut nach einer massiven Intervention auf einmal ganz anders aus. Das versteht niemand, wieso das auf einmal möglich war und was vorher ein Problem war. Auch der Behindertenanwalt befasst sich nun mit der Sache.

 

Ich frage mich wirklich: Braucht es in der Stadt eine politische Intervention, dass ein junger Mensch, der arbeiten will und der in einer gewissen Notlage ist, eine Unterstützung bekommt? Muss man da erst zu den Parteien als Bettler laufen, damit man unterkommt? Weit sind wir gekommen, meine Damen und Herren von der SPÖ!

 

Aber damit nicht genug. Im Gespräch mit diesem Mädchen erhielt ich, und das tun wir viel zu selten, einen deutlichen Eindruck und Einblick in den Gemeindebau und in die Lebensumstände junger Menschen in diesem Gemeindebau. Sie erzählte mir, dass ihr, wie anderen Bekannten auch, vor einiger Zeit das Handy geraubt worden wäre. Der Täter hat auch die Frechheit gehabt, sie dann zu Hause am Festnetz anzurufen und zu verhöhnen. Weil er so dumm war und eine gute Personenbeschreibung da war, wurde er gefasst, Asylant, Nigerianer, Drogenhändler. Er ist noch immer in Österreich.

 

Damit nicht genug. Es geht weiter. Wir haben uns dann über die Schulsituation unterhalten und ich habe geglaubt, dass Liesing ein ziemlich problemloses Pflaster auf diesem Sektor ist, aber ich merke zunehmend, auch bei uns ist es nicht mehr, wie es einmal war. Die heile Welt ist vorbei. Sie erzählte von Diebstählen, vom Einschreiten der Polizei, es wurden sogar zehn-, elfjährige Schüler aus einer dieser Schulen mit dem Arrestantenwagen über wenige hundert Meter hinweg in die gegenüberliegende Polizeiwache gebracht.

 

Aus ihrem Bekanntenkreis, Schulversuch Gesamtschule, Frau Stadträtin, von der Sie gerade so begeistert sind, könnte ich Ihnen einiges berichten. Dort werden die Kinder, hat sie selbst von ihrer Schwester erzählt, regelmäßig abgeholt, weil die Eltern, weil die Angehörigen Angst um die Kinder haben. Ein Beispiel dazu, ebenfalls mit Zeugen: Das Kind wird abgeholt, wird von einem Burschen niedergeworfen. Er nimmt ihm die Brille weg, ohne Gründe, aus Jux und Tollerei, zerbricht sie und wirft sie ihm vor der anwesenden Erwachsenen vor die Füße. Das ist der Zustand in unseren Schulen, weil die Direktoren natürlich nicht mehr interessiert, was vor dem Schulgebäude passiert. Wenn die Türe einmal geschlossen ist, ist das vorbei. Das geht noch weiter. Sie hat mir noch eine ganze Serie von anderen Beispielen gebracht. Als sie dann meine Irritation, fast Fassungslosigkeit bemerkt hat, sagt sie: „Das ist doch heute normal in Wien! Wissen Sie das nicht?" - Ja, Wien, Frau Stadträtin, ist anders, jedenfalls anders als früher!

 

Weil ich dann noch immer skeptisch war, habe ich noch drastischeren Anschauungsunterricht erhalten. Sie hat gesagt: „Ich kann wegen meiner Epilepsie nicht in eine Disco gehen, ich kann keine laute Musik hören und

 

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