«  1  »

 

Gemeinderat, 22. Sitzung vom 25.06.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 47 von 140

 

Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Sehr geehrte Damen und Herren, mir liegen nun keine Wortmeldungen mehr zur allgemeinen Beratung des Rechnungsabschlusses vor.

 

Wir kommen damit zur Beratung der Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke.

 

In der Präsidialkonferenz wurde eine Redezeit für den Erstredner in der Dauer von 25 Minuten und für alle weiteren in der Dauer von 15 Minuten vereinbart.

 

Zum Wort gemeldet ist Herr GR Stark.

 

GR Rudolf Stark (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Bei der Diskussion der Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke ist der Wirtschaftsraum Wien ein wesentlicher Bereich. Dazu gibt es eine interessante Beilage zum „WirtschaftsBlatt" vom 15. Mai 2007, also vor knapp einem Monat. Diese Beilage umfasst 96 Seiten. In dieser Beilage findet sich eine Vielzahl von Artikeln und Beiträgen über den Wirtschaftsraum Wien, unter anderem mit folgenden Überschriften: „Spatenstich für Siemens City", „Nächstes Jahr Startschuss zu Wiens neuer China-Town", „Mehr als 1 Milliarde EUR für neue Hotelprojekte", „OMV: 100 Millionen EUR und mehr für die Zukunft", „St Marx wird das Mekka der Medienbranche", „Freudenau wird zentrales Güterverkehrszentrum", „Für Bombardier wurde in Rekordzeit neues Werk gebaut", „Bald rollen 220 Millionen EUR für Therme Oberlaa" und so weiter. Auch Frau VBgmin Brauner sowie Frau Wirtschaftskammerpräsidentin Jank skizzieren in einem Artikel die Rolle Wiens als bedeutende Forschungs- und Entwicklungsmetropole im Herzen Europas.

 

So interessant und zukunftsweisend all diese Artikel erscheinen mögen, fehlt in dieser Beilage ein ganz wesentlicher Bereich des Wirtschaftsraums Wiens. Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin, genau wie ich werden auch Sie in dieser Beilage den eigentlichen Motor der Wiener Wirtschaft, die Klein- und Mittelbetriebe, vermissen!

 

Schon Herr VBgm Rieder hat in der Zeitschrift „Perspektiven" mit dem Inhaltsschwerpunkt „Wirtschaftsstandort Wien" folgendes Zitat vor einem Jahr verfasst. Ich zitiere: „Zweifellos sind die Klein- und Mittelbetriebe das Rückgrat der Wiener Wirtschaft, sie stellen in Summe 99 Prozent der Wiener Arbeitgeberbetriebe.“

 

Und Herr VBgm Rieder hatte recht mit dieser Aussage: Die Klein- und Mittelbetriebe stellen 99 Prozent der Wiener Arbeitgeberbetriebe, diese sollte doch Wien hegen und pflegen. Dass dies nicht so ist, wissen wir alle. Dem Rückgrat, dem eigentlichen Motor der Wiener Wirtschaft, den Klein– und Mittelbetrieben, geht es ausgesprochen schlecht. Ich habe hier schon mehrmals auf spezielle Probleme dieser Unternehmen hingewiesen, zum Beispiel auf die Eigenkapitalausstattung dieser Betriebe. Von den Betrieben mit 1 bis 9 Dienstnehmern haben fast 55 Prozent ein negatives Eigenkapital, und von den Betrieben mit 10 bis 49 Dienstnehmern haben immerhin noch 35 Prozent ein negatives Eigenkapital. Das bedeutet, dass fast die Hälfte all dieser Betriebe überschuldet oder sogar Krisenbetriebe sind.

 

Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister, auf diese katastrophale Situation verweise ich hier anlässlich der Budget- und Rechnungsabschlussdebatten schon seit vielen Jahren mit dem Ersuchen, sich für diese Betriebe einzusetzen. Konkrete Handlungen seitens des Landes Wien und Ihres sozialistischen Wirtschaftsstadtrats habe ich bisher leider keine feststellen können, sondern im Gegenteil: Sind in die Wirtschaftsförderung im Jahre 2005 noch 39 Millionen EUR geflossen, wurden 2006 dafür nur noch 35 Millionen EUR aufgewendet. Die Förderungen für die Klein- und Mittelbetriebe sind somit gegenüber 2006, gegenüber dem Vorjahr, um 4 Millionen EUR gekürzt worden, und das sind immerhin 10 Prozent.

 

Besonders hinzuweisen ist auf den Umstand, dass die Kürzungen der Wirtschaftsförderung bereits über viele Jahre anhaltender Trend sind. Schon vor einem Jahr hat auch Frau Wirtschaftskammerpräsidentin Jank festgestellt, dass es bei den KMUs Handlungsbedarf gibt. So die Schlagzeilen im „WirtschaftsBlatt“: „Finanzierung: Wirtschaftskammer Wien sieht ein Drittel der KMUs bedroht." Und im Detail, ich zitiere: „17 Prozent der 72 500 Wiener Klein- und Mittelbetriebe befinden sich in einer katastrophalen Situation. Sowohl die Eigenkapitalquote als auch die Umsatzrendite sind negativ. Nimmt man KMUs mit niedriger Eigenkapitalquote, und zwar 0 bis 10 Prozent und niedrigem Gewinn vor Steuern, und zwar 0 bis 2,5 Prozent dazu, sind 31 Prozent der Wiener KMUs extremst gefährdet." – So das Zitat der Frau Wirtschaftskammerpräsidentin Jank.

 

Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister, überträgt man dies linear auf die Arbeitsplätze, könnte das für den größten Dienstgeber Wiens bedeuten, dass auch fast ein Drittel aller Wiener Arbeitsplätze bei den KMUs in Gefahr sind, und das ist doch entsetzlich. Hier müssten doch die Alarmglocken läuten, hier ist doch dringendes Handeln geboten. Bitte handeln Sie, Frau Vizebürgermeister. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Dazu ein Blick auf die Insolvenzstatistik, Bundesländer-Ranking: „Wien führt die Statistik der Unternehmensinsolvenzen mit 2 034 - fast jede dritte Insolvenz 2006 - an. Bei den Privatinsolvenzen hält die Bundeshauptstadt mit 2 235 Insolvenzen einen neuen Rekordzuwachs von 52,6 Prozent.“ Aus dieser Insolvenzstatistik über den Zeitraum 2006 der Kreditreform Österreichs geht hervor, dass Wien bei den Firmenpleiten und Privatinsolvenzen gegenüber den anderen Bundesländern leider weiter an der Spitze liegt.

 

Auch die Anzahl der Privatinsolvenzen ist entsetzlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, und dazu eine Bemerkung: Bei den Privatinsolvenzen handelt es sich nicht nur um Privatpersonen im Sinne von Nichtunternehmern, sondern ein wesentlicher Teil dieser Privatinsolvenzen betrifft Einzelunternehmen, bei denen durch den Fristenlauf des Insolvenzverfahrens der Unternehmer den Insolvenzantrag erst einbringen konnte, nachdem der Rollbalken seines Unternehmens unten war,

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular