Gemeinderat,
21. Sitzung vom 25.05.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 68 von 105
dieses Jahr, glaube ich, hat eindrucksvoll und für
jeden bestätigt, dass es so ist, was passiert. Es bleiben laut UNO nur mehr
acht Jahre Zeit, um zu handeln.
Darüber hinaus haben wir die Verpflichtung, sind wir
dankenswerterweise die Verpflichtung eingegangen, die CO2-Emissionen
zu reduzieren. Das heißt, wir haben uns Ziele nach Kyoto gesetzt, von denen wir
aktuell weit, weit, weit entfernt liegen! Im Gegensatz zu diesen acht Jahren,
die uns Zeit bleiben, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu treffen, steht uns
die Erreichung des Kyoto-Ziels nicht irgendwann bevor - nicht in acht Jahren,
nicht in sechs Jahren -, sondern buchstäblich, im wahrsten Sinne des Wortes,
fast morgen! Man könnte sagen: Morgen müssten wir eigentlich schon wissen, was
wir tun, um das Kyoto-Ziel zu erreichen.
Der dritte Punkt - und der ist in meinen Augen nicht
minder wesentlich - ist die Tatsache - und auch das ist etwas, bei dem ich
davon ausgehe, dass es jeder hier im Haus weiß -, dass sich die fossilen
Energievorkommen langsam, aber sicher in den nächsten Jahrzehnten dem Ende
zuneigen. Das heißt, die fossilen Energievorkommen werden in den kommenden
Jahren und Jahrzehnten nicht nur knapp, sondern auch teuer.
Dieses „teuer" sollte man sich wirklich sehr zu
Herzen nehmen! Denn allein bereits in den letzten zwei Jahren haben wir alle
erlebt, was es heißt, dass es teurer wird, und um wie viel es bereits jetzt
schon teurer geworden ist. Wer jetzt noch nicht begriffen hat, was los ist, der
wird es, glaube ich, niemals begreifen.
Ich gehe davon aus, dass hier im Haus Menschen sitzen, die das begriffen haben. Das heißt, dass wir hier eigentlich keine Debatte darüber führen müssen, warum es dringend an der Zeit ist, eine Debatte darüber zu führen, was Wien in den nächsten Jahren tun kann und tun muss, um eine Energiewende herbeizuführen. Ich gehe davon aus, dass wir hier und heute mit dieser Debatte beginnen sollten und dass sie hier nicht nur auf Initiative der GRÜNEN heute stattfinden sollte, sondern dass uns insgesamt das Thema „Energiewende für Wien" beschäftigen müsste - in den nächsten Monaten, ja sogar in den nächsten Jahren -, bis wir genau wissen, welchen Weg Wien beschreiten wird.
Tatsache ist, dass Österreich in Sachen Klimaschutz
bis jetzt völliges Versagen an den Tag gelegt hat. 2005 lagen die CO2-Emissionen
Österreichs ganze 36 Prozent über dem Kyoto-Ziel, und Wien sieht auch
nicht viel besser aus, obwohl man es immer wieder behauptet. Denn nicht nur,
dass man es nicht geschafft hat, das selbst gesetzte Ziel von minus
14 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu erreichen - nein, diese minus
14 Prozent hat man nicht erreicht -, kommen dazu darüber hinaus weitere
16 Prozent, wo wir bereits über dem Stand der 90er Jahre liegen. Das
heißt, auch Wien liegt fast 30 Prozent über dem Kyoto-Ziel.
Jetzt könnten wir - und ich weiß, dass es womöglich
kommen wird - über den Tanktourismus diskutieren. Selbst wenn wir uns auf eine
Debatte darüber einlassen, wie viel der Tanktourismus tatsächlich ausmacht und
um wie vieles wir das bereinigen können, würden wir immer noch weit über den
Kyoto-Zielen liegen. Und wir wären immer noch weit über jenen minus
14 Prozent, die wir uns ursprünglich im eigenen Klimaschutzplan zum Ziel
gesetzt hatten.
Fazit, nachdem ich in den letzten Wochen und Monaten
nicht festgestellt habe, dass die Stadt irgendwo verkündet hat, welche Pläne
wir haben: Ich habe nicht vernommen, dass die Stadt gesagt hätte: Das ist
unsere Solar-Offensive, mit dieser wollen wir in den nächsten Jahren dieses und
jenes Ziel erreichen. Ich habe nicht vernommen, dass die Stadt Wien konkrete
Maßnahmen im Bereich Verkehr verkündet hat, mit denen man gesagt hat: Ja, bis
zum Jahr 2008, 2010, 2015, 2020 - egal, welchem Jahr - möchten wir dieses
konkret messbare, evaluierbare Ziel erreichen.
Nachdem ich nicht festgestellt habe, wie die Stadt
Wien sich selbst konkrete, messbare Ziele gesetzt hat, zum Beispiel im Bereich
der thermischen Sanierungen oder auch der Passivbauweise bei Neubauten -
nachdem ich bei all dem bis jetzt, wie gesagt, nicht feststellen konnte, dass
es kommt, kann ich nur feststellen: Wien schläft wieder einmal, auch in der
Klimapolitik, den Schlaf der Gerechten!
Es ist in der Tat der Schlaf der Gerechten. Es ist
eine Stadt, in der man sich selbst rund um die Uhr „bebauchpinselt", indem
man sich selbst wahnsinnig gerne erzählt, wie toll wir eigentlich sind, wie
toll wir das machen - und derweil liegen wir über 20 Prozent über dem
Kyoto-Ziel! Und Kyoto, wie gesagt, ist morgen: 2008 sollten wir bereits eine
Bilanz vorlegen! Aber nein, wir schlafen weiter und kommen uns dabei besonders
toll vor.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass andere Städte
nicht schlafen, dass andere Länder nicht schlafen, das beweist dieses Werk
hier, das ich allen sehr, sehr ans Herz legen möchte: Das ist die Ausgabe des
Jahres 2007 vom Institut Worldwatch, „State of the World", also „Zum
Zustand der Welt". Die diesjährige Ausgabe widmet sich der Zukunft der
Städte, ganz besonders der Zukunft der Großstädte; in Englisch lautet der
Originaltitel heuer „Our Urban Future".
Es ist ein sehr, sehr spannendes Werk, liest sich
irrsinnig schnell, auch wenn es relativ dick aussieht, ist wunderbar, ist voll
mit Best Practices und Beispielen aus der ganzen Welt und hat ein ganz, ganz
spannendes Kapitel zum Thema Klimawandel und Energiepolitik. Übrigens auch zu
anderen Themen: Verkehrspolitik und -planung, Armutsbekämpfung, alle spannenden
Themen, die derzeit die Städte beschäftigen sollten.
Wenn man einen Blick darauf wirft, so stellt man
fest, dass zum Beispiel Berlin beschlossen hat, bis zum Jahr 2010
30 Prozent des Energiebedarfs aller öffentlichen Gebäude aus erneuerbaren
Energiequellen abzudecken. Oder ... (Bgm Dr Michael Häupl: Und was
haben sie gemacht? Was haben sie getan? Beschließen kann man bald etwas! Aber
was haben sie getan?)
Was haben sie getan? Ich kann hier
nur auflisten, lieber Herr Bürgermeister, was alle diese Städte sich selbst zum
Ziel gesetzt haben. Ich kann nur ernst nehmen, dass das, was sich größere
Städte zum Ziel
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