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Gemeinderat, 20. Sitzung vom 27.04.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 84 von 108

 

Frau Stadträtin! Ich meine daher, Sie sollten als Wiener Stadträtin eben auch die Interessen der Wiener Arbeitnehmer an die allererste Stelle setzen. Sie sollten sich in dieser Frage zumindest auch an Ihrem Parteigenossen, am Bundeskanzler dieser Republik, an Alfred Gusenbauer, ein Beispiel nehmen. Ich meine und fordere Sie auf: Hören Sie auf mit dieser uralten, überholten Einwanderungspolitik und vertreten Sie endlich die Interessen der Menschen in dieser Stadt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Frau Stadträtin! Sie hätten sich vor diesen Interviews auch in Ihrer eigenen Fraktion ein bisschen umhören sollen. Ich lasse mir noch einreden, dass Ihnen vielleicht der Bundeskanzler wurscht ist, denn es soll ja, wie man hört, zwischen der Wiener Sozialdemokratie und der Bundespartei durchaus unterschiedliche, sage ich einmal ganz vorsichtig, Interessen geben: Auffassungsunterschiede. Ich lasse mir also einreden, dass Ihnen vielleicht der Bundeskanzler wurscht ist.

 

Aber, Frau Stadträtin, es widerspricht das ja auch den Anträgen und den Intentionen Ihrer eigenen Fraktion hier im Haus! Da beschließt die Sozialdemokratische Fraktion gemeinsam mit der Freiheitlichen Fraktion einen Antrag im Interesse unserer heimischen Arbeitskräfte, der die Zulassung von Arbeitern möglichst restriktiv regeln sollte. Wir haben diesen Antrag gemeinsam beschlossen, SPÖ und Freiheitliche, und wir haben dieser Tage auch die Antwort des Herrn Wirtschaftsministers erhalten.

 

Meine Damen und Herren! Wissen Sie, wie diese Antwort lautet? Er schert sich überhaupt nicht um unseren Antrag, ihm ist das völlig egal! Er vertritt ausschließlich die Interessen der Wirtschaft und der Industrie. Die Facharbeiter werden natürlich zugelassen, trotz unserer Resolution. Am 1. Mai, am Dienstag, geht’s los - egal, wie es unserem Arbeitsmarkt hier in Österreich geht!

 

Meine Damen und Herren! Politik ist ja immer ein Kampf der Interessen, zwischen den Interessen der Industrie, die natürlich möglichst viele billige Arbeitskräfte hereinholen will, die Lohndumping will, weil sie möglichst billige Arbeitskräfte in diesem Land haben will. Aber das Interesse unserer Jugend muss es doch sein, eine gute Lehrstelle zu finden, in der die Lehrlinge dann auch eine gute Facharbeiterausbildung erhalten. Das Interesse unserer Arbeitslosen muss es sein, möglichst bald wieder einen Arbeitsplatz zu finden.

 

Es hat daher in diesem Interessenkampf Gott sei Dank dieser Gemeinderat eindeutig Position bezogen. Er hat Stellung bezogen, eben mit den Stimmen der Sozialdemokratischen Fraktion und der Freiheitlichen Fraktion. Und die Ablehnung dieses Antrages durch den Wirtschaftsminister zeigt doch, wie hart dieser Kampf in Wirklichkeit ist.

 

Ich meine daher, es ist diese Fehlleistung nicht zu entschuldigen. Sie ist vor allem nicht zu entschuldigen vor dem Hintergrund der Biographie dieser Stadträtin. Denn diese neue Stadträtin kommt ja aus genau diesem Bereich: Sie kommt aus der Arbeiterkammer, sie kommt aus dem Gewerkschaftsbund, und sie hätte daher natürlich auch die Interessen der Arbeiterkammer und des Gewerkschaftsbundes zu vertreten! Gerade der Gewerkschaftsbund ist ja jene Organisation, die hier in Österreich am härtesten auf die Bremse tritt.

 

Das ist der Grund, warum wir so ganz besonders enttäuscht sind: Weil sich diese Stadträtin mit dieser Biographie vor den Karren der Wirtschaft, der Industrie spannen lässt, weil sie hier in die Knie geht, weil sich diese Stadträtin zum Werkzeug der Industrie machen lässt, zum Erfüllungsgehilfen der Großindustrie, und weil sie damit letztendlich auch Anträgen dieses Hauses in den Rücken fällt.

 

Meine Damen und Herren! Es ist daher diese Fehlleistung vor allem vor dem Hintergrund der Biographie dieser Stadträtin nicht entschuldbar. Ich meine daher, eine Stadträtin, die so instinktlos ihre eigene politische Heimat, ihre eigene politische Herkunft verleugnet, eine solche Stadträtin ist eigentlich rücktrittsreif. Sie ist reif für den Rücktritt!

 

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wir fordern Sie daher auf: Nehmen Sie, bitte, diese Stadträtin an die Kandare! Oder ziehen Sie sie ganz aus der Stadtregierung zurück, bevor sie mit ihrer unüberlegten Vorgangsweise weiteren Schaden in dieser Stadt anrichten kann. Meine Damen und Herren von der SPÖ, diese Stadträtin ist rücktrittsreif! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächste am Wort ist Frau GRin Mag Vassilakou.

 

GRin Mag Maria Vassilakou (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Verehrte Damen und Herren!

 

Ob der fortgeschrittenen Stunde ist es, glaube ich, schön langsam fehl am Platz, wenn wir eine Grundsatzdebatte über die Integrationspolitik in Wien und in Österreich beginnen würden, wiewohl es schon einiges dazu zu sagen gäbe.

 

Ich denke, man sollte sich vielleicht lieber auf das Wichtigste konzentrieren, und das Wichtigste, was uns alle beschäftigt hat, vor allem in den letzten Monaten, ist die traurige Geschichte, das traurige Schicksal von vielen Familien, die in Österreich in einer Vielzahl von Gemeinden leben, die seit Jahren in diesen Gemeinden leben, die Kinder haben, die die Schule besuchen, die bestens integriert sind - und die eines Tages den Ausweisungsbescheid bekommen und erfahren, dass sie nach fünf, nach sieben, nach acht Jahren das Land verlassen sollen. Warum? Weil wir es auch nach der x-ten Reform und Novelle mit einem Fremdenrecht zu tun haben, das es Menschen verunmöglicht, auch nach vielen Jahren ihren Weg in Österreich zu finden!

 

Hier sind Asylwerberfamilien ganz besonders hart und massiv betroffen. Sie reisen ein, sie stellen einen Antrag - was ihnen ja auch zusteht -, und die Bearbeitung dieses Antrags dauert manchmal drei Jahre, manchmal fünf Jahre, manchmal eben länger. In der Zwischenzeit hat man die Sprache bestens gelernt, man hat sich integriert, man ist Teil einer Community, einer Gemeinde geworden. Die Kinder besuchen die Schule, man hat Freunde, man hat Nachbarn, man gehört zu

 

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