Gemeinderat,
20. Sitzung vom 27.04.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 56 von 108
die kleinen Unternehmen so schlecht gearbeitet haben,
sondern weil sich die Bevölkerungsstruktur und die Rahmenbedingungen geändert
haben: Es gibt flexible Arbeitszeiten, und die Leute konnten dort nicht mehr
unter Tags einkaufen beziehungsweise konnten dort teilweise auch nicht parken.
Das muss man auch dazu sagen. Da wurde zu wenig getan!
Zur Österreichischen Volkspartei, die die Schuld
immer den Einkaufszentren gibt, sage ich: Die Einkaufszentren sind nun einmal
da, damit muss man sich abfinden, ob man sie mag oder nicht. Das
Einkaufsverhalten hat sich geändert. Bei der Diskussion hat sich
herausgestellt, dass die Leute dabei auch ihr Erlebnis haben wollen; wenn auch
nicht alle das wollen, manche wollen dort auch nur einkaufen. Es ist aber
jedenfalls eine falsche Aussage, wenn man sagt, dass die Einkaufszentren allein
daran schuld sind, dass viele Nahversorgungsgeschäfte eingegangen sind. (Zwischenruf
von GR Dr Matthias Tschirf.)
Ich habe in der Diskussion zu Herrn Klubobmann
Tschirf in aller Deutlichkeit gesagt: Sie machen sich stark, dass in Wien keine
Einkaufszentren mehr gebaut werden dürfen, etwa Rothneusiedl, und reden immer
von der Zahl der Quadratkilometer. Sie vergessen aber gleichzeitig, dass Ihr
Herr Landeshauptmann in Niederösterreich, der, glaube ich, auch zur ÖVP gehört,
in Gerasdorf die Errichtung des größten Einkaufszentrums nach der SCS plant.
Das wird gebaut werden, Herr Kollege Tschirf, aber dazu meldet sich von Ihnen
überhaupt niemand! Es soll um mehr als ein Drittel größer sein als das geplante
Zentrum in Rothneusiedl. Da sollten Sie schon ein bisschen nachdenken! Denn es
kann nicht auf der einen Seite alles gut sein, weil Sie dort die Mehrheit
haben, auf der anderen Seite aber alles schlecht gemacht werden, weil es
populistisch ist und Ihnen eben nicht in den Kram passt.
Abschießend – ich habe noch eine Minute –
zu Ihren Anträgen: Wir können diesen Anträgen aus verschiedensten Gründen nicht
zustimmen. Es ist immer von der Erhaltung der Halle als Bauwerk die Rede. Und
zu den 20 000 m²: Natürlich kann man das fordern! Es gibt aber einen
gültigen Flächenwidmungsplan über 32 000 m² Bruttogeschoßfläche, der
2004 von allen Parteien, wenn ich nicht irre, beschlossen wurde. An diesen
haben wir uns zu halten. Und ein Fachmann hat mich aufgeklärt, dass man, wenn
man großzügig plant, von der Bruttogeschoßfläche zwischen 10 und 30 Prozent
abziehen kann. Wir wissen ja nicht, wie man das dort plant, doch wir halten uns
jedenfalls an den beschlossenen Flächenwidmungsplan und wollen nicht
herumdoktern.
Dem anderen Antrag werden wir auch nicht zustimmen.
Darin ist davon die Rede, dass die Landstraßer Markthalle die Funktion des
Dorfplatzes erfüllt. – Wenn ich mir das so anschaue, dann muss das aber
ein Dorfplatz in Rumänien, irgendwo im hintersten Transsilvanien sein! Dort
kennt man leider nur mehr Stammkunden. Dort gibt es nichts mehr anderes. (Zwischenruf
von GR Dkfm Dr Fritz Aichinger.) Ja! Sie haben vollkommen recht! Und dann
schreiben Sie: „Die Erhaltung der Markthalle ist Voraussetzung für die
wirtschaftliche Existenz der Marktstände und ihrer Angestellten.“ – Ich
sage Ihnen: Die wirtschaftliche Existenz der Marktstandler und Angestellten,
die weitermachen wollen, ist nur dann gesichert, wenn sie etwas Neues planen,
moderner wirken und in ein neues Zeitalter eintreten wollen. Dann wird auch
eine marktähnliche Struktur Überlebenschancen haben, die nicht in einen
Supermarkt involviert, sondern räumlich getrennt ist.
Ich bin guter Dinge, dass wir richtig liegen! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Frau
GRin Cammerlander bitte.
GRin Heidemarie Cammerlander (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr
geehrte Damen und Herren!
Auf meinen Vorredner
möchte ich gar nicht wirklich eingehen. Ich habe versucht, genau zuzuhören,
aber ich weiß nicht, was er will! Er spricht von einer marktähnlichen Halle in
einem Einkaufszentrum, damit die Menschen, die unterschrieben
haben, in vielen Jahren wieder auf einem Markt einkaufen können. Mir ist, wie
gesagt, nicht klar, was die FPÖ will! Aber anscheinend ist sie sich darüber
selbst nicht im Klaren. Vor drei Wochen war sie sich noch ganz einig, im Bezirk
gemeinsam mit allen Oppositionsparteien für die Erhaltung der Markthalle zu
stimmen, dann ist sie jedoch stillschweigend umgefallen.
Bei den Stadtgesprächen am Dienstag in der Urania
wurde tatsächlich viel über Nahversorgung gesprochen. Für mich ist wirklich
erstaunlich, was man sich alles darunter vorstellen kann! Für den roten
Bezirksvorsteher ist Nahversorgung offenbar mit einem Gourmettempel
gleichzusetzen: Er verspricht der Wiener Bevölkerung einen Gourmettempel. Das
erinnert mich irgendwie an den historischen Satz, dass das Volk, wenn es kein
Brot hat, doch Kuchen essen soll. Und ich habe das Gefühl, dass das Thema
Markthalle auch von der SPÖ in Wien derzeit in diese Richtung betrieben wird.
Ich habe mir gestern ein paar österreichische
Zeitungen angeschaut. – Da lese ich zum Beispiel: „Wien ist super –
egal, was es kostet. Wien verfügt über die zweitbeste Bar der Welt. … Es
wäre aber nicht Wien, wenn eine Bar, die so ‚urcool’ ist, nicht auch das Budget
der Stadt über Gebühr belasten würde.“ – Für den Betrieb von sechs Jahren
stellt die Stadt Wien 308 000 EUR zur Verfügung!
Ein anderer Artikel: „Der neue
Riesenradplatz soll das Herzstück des modernisierten Wurstelpraters
werden – und das lässt sich die Stadt Wien die Kleinigkeit von 32,5
Millionen EUR kosten.“ – Überlegen wir uns nur, wie viel Geld ein gewisser
Herr Mongon vor Jahren bekommen hat! Dafür hätte man die Markthalle locker
sanieren können! Aber „Brot und Spiele“ sind eben angesagt, und die SPÖ setzt
ihre Prioritäten. Für die Markthalle sind 10 Millionen EUR zu viel, und 250 Arbeitsplätze,
die verloren gehen, spielen keine Rolle. Menschen, die sich das Einkaufen in
einem Gourmettempel nicht leisten können und auf Grund ihres niedrigen
Einkommens auf eine Markthalle angewiesen sind,
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