Gemeinderat,
13. Sitzung vom 25.10.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 54 von 80
geben. Ich war – in den
Medien wurde damals genügend darüber geschrieben, auch viel Unsinn – während
des Balkankrieges beruflich sehr intensiv mit der Verfolgung der Vorgänge auf
dem Balkan befasst. Ein Schlüsselerlebnis für die Mentalität der Menschen in
diesem Raum und für die Vorgänge war für mich ein mir überkommenes Zitat aus
einer Rechtfertigung eines serbischen Offiziers über die Massaker in Bosnien.
Er hat fast wörtlich in dieser Form begründet: Wir haben aus dem Zweiten
Weltkrieg gelernt, wie man ethnische Probleme löst: durch Vertreibung. So
wurden die Probleme des Zweiten Weltkrieges gelöst. Man hat dort die
Donauschwaben, also die deutsche Bevölkerungsgruppe, vertrieben. Doch bevor man
sie vertrieben hat beziehungsweise damit sie geflüchtet sind, wurden –
Umsiedelung nennt man das dann nachher so schön – entsprechende Massaker
begangen, sodass dort Furcht und Schrecken entstanden sind und die Leute,
soweit sie entkommen konnten, geflüchtet sind. Damit wurde ein so genanntes
ethnic cleansing, wie das heutige Modewort so schön heißt, die ethnische
Säuberung, durchgeführt. Für die Jugoslawen damals eine erfolgreiche Aktion.
Man konnte die Häuser besetzen, man konnte das Vermögen übernehmen und hatte
keine fremde Volksgruppe, hat man geglaubt, im Staat.
Nun wollte man das Gleiche, so hat dieser Offizier
argumentiert, fortsetzen bei den Bosniern und bei den Albanern. Und dann kam
für die Serben plötzlich die furchtbare Enttäuschung und das Unverständliche:
Der Aufstand der öffentlichen Meinung im Westen gegen diese Vorgänge. Da hat er
gesagt: „Wir haben von den Staatsgründern gelernt und jetzt das Gleiche getan
wie damals Tito und die Seinen. Diese aber wurden im Westen von Königen und
Staatsoberhäuptern empfangen und haben Orden erhalten. Und uns, die wir handeln
wie die Helden unserer Schulbücher, uns verdammen die Westler." So wurde
dort gedacht.
Der jungtürkische Ideologe Nazım Bey hatte
einstmals geschrieben: „Es ist erforderlich, das armenische Volk vollständig
auszurotten." – Dass er und seinesgleichen nicht Helden der türkischen
Schulbücher bleiben, zumindest nicht aus europäischer Sicht, das wollen wir
heute mit unserer Stimme klarstellen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zu
Wort gemeldet ist nun Frau GRin Mag Vassilakou.
GRin Mag Maria Vassilakou (Grüner Klub im
Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Verehrte Damen und Herren!
Ich hatte ursprünglich vor, mich streichen zu lassen,
denn die Ausführungen meiner Fraktionskollegin Alev Korun kann ich vollends
teilen, und somit wäre meine Wortmeldung an dieser Stelle überflüssig gewesen.
Nichtsdestotrotz musste ich mich nun doch zu Wort melden, nachdem Sie, Herr GR
Strache, eine Aussage getätigt haben, die ich als ehrenrührig einstufe, darüber
hinaus empörend und lächerlich, aber allem voran ehrenrührig. Denn wenn Sie
sagen, dass den Mitgliedern der Präsidiale der Mord an über einer Millionen
Menschen egal war, er hatte für sie keine Wertigkeit, dann empfinde ich es als
beleidigend. Ich sitze in dieser Präsidiale, und ich empfinde es, wie gesagt,
in der Tat als ehrenrührig. Ich erwarte daher eine Entschuldigung von Ihnen.
Nicht, dass ich sie bekommen werde, aber ich erwarte sie. (Beifall bei den GRÜNEN, der SPÖ und der ÖVP.)
Wie lächerlich es ist, ausgerechnet mir ob des
Details meiner Herkunft so etwas vorzuwerfen, müsste an anderer Stelle erörtert
werden. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich brauche mir von einer Fraktion, die bis
vor Kurzem Apologeten des Nationalsozialismus und Gaskammernleugner auf
öffentliche Mandate gehievt hat – denn der Herr Gudenus ist von Ihrer Partei
aus auf ein öffentliches Mandat gekommen, der Herr Kampl, der später beim BZÖ
landete, war ursprünglich auch in der FPÖ (GR
Mag Harald STEFAN: Das macht den Mord an den Armeniern nicht besser!) –,
ich brauche mir also von einer Fraktion oder einer Partei, besser gesagt, die
Apologeten des Nationalsozialismus und Gaskammernleugner auf öffentliche
Mandate hievt, meine eigene Geschichte, die Geschichte meiner Familie nicht
erklären zu lassen. (GR Mag Harald
STEFAN: Ihre Geschichte kennen wir nicht!) Und diese Krokodilstränen, die
können Sie sich sparen, die sind absolut fehl am Platz.
Und weil wir hier schon einiges von Geschichte
geredet haben, lassen Sie mich an dieser Stelle vielleicht auch noch ganz kurz
ein paar Ausführungen anbringen. Ja, in der Tat, der gesamte Raum des damaligen
Osmanischen Reiches und auch des Balkans war ein Pulverfass im ersten Viertel
des 20. Jahrhunderts. Ja, in der Tat, dort sind mehrere Millionen Menschen
insgesamt zu Tode gekommen. Es hat mehrere Massaker gegeben. Es hat Massaker an
Armeniern gegeben, es hat Massaker an Christen griechischer Herkunft gegeben, es
hat Massaker an Muslimen gegeben, es hat Massaker an Türken gegeben, und auch
als die Griechen einmarschierten – denn es waren griechische Truppen, die beim
Kleinasienkrieg in den 20er Jahren einmarschierten – hat es mehrere
Hunderttausend Tote gegeben – auf beiden Seiten. Ja, es macht Sinn, das
aufzuarbeiten, und darum geht es eigentlich in den Debatten der letzten Jahre.
Aufarbeiten bedeutet, bilaterale Beziehungen stärken,
es bedeutet, bilateral und international besetzte Historikerkommissionen zustande
zu bringen, die gemeinsam aufarbeiten, was passiert ist, die Einsicht erreichen
auf beiden Seiten und die gar schlussendlich das eine schaffen, was das
Gesuchte ist in der Politik: eine Annäherung, das Verständnis, die Einsicht.
Nur auf dieser Basis sind überhaupt Lösungen zu erreichen.
Das ist es, worum sich die
internationale Gemeinschaft bemüht, aber das ist es nicht, worum es Ihnen geht
mit diesem Antrag heute und mit Ihren Krokodilstränen. Ihnen geht es vielmehr
darum, einmal mehr zu zündeln. Ihnen geht es darum, einen Antrag einzubringen
in der Hoffnung, die von den anderen Fraktionen werden sich jetzt schwer tun,
sich da herauszuwinden. Auf diese Art und Weise wollen Sie irgendwie eine
Zustimmung erreichen, obwohl Sie wissen, dass Sie nur
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