Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 118
Beratung des Rechnungsabschlusses liegt keine Wortmeldung
mehr vor.
In der Präsidialkonferenz wurde für die
Spezialdebatte folgende Redezeit verändert: Dem ersten Redner 25 Minuten,
danach dann 15 Minuten.
Wir kommen nun zur Beratung der Geschäftsgruppe
Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke. Zum Wort gemeldet ist Herr
GR Stark. Ich erteile es ihm.
GR Rudolf Stark (Klub der Wiener
Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Zu Beginn der Diskussion der Geschäftsgruppe Finanzen
und Wirtschaftspolitik darf ich gleich auf den größten Dienstgeber Wiens, auf
die Klein- und Mittelbetriebe zu sprechen kommen. Fast 98 Prozent aller
Wiener Betriebe beschäftigen 1 bis 49 Dienstnehmer und sind somit im
Wesentlichen Klein- und Mittelbetriebe. Nur knapp 2 Prozent der Wiener
Betriebe beschäftigen mehr als 50 Mitarbeiter. Auch die
Firmenneugründungen in den letzten Jahren betrafen etwa 85 Prozent nicht
protokollierte Einzelunternehmen, also Kleinbetriebe.
Über die generelle Wichtigkeit dieser Betriebe
herrscht ja bundesweite Einstimmigkeit. Einige Zitate dazu: Präsident Leitl:
„Die österreichischen Klein- und Mittelbetriebe sind nicht nur das
wirtschaftliche, sondern auch das soziale und gesellschaftliche Rückgrat
Österreichs. Damit die KMUs ihre Aufgaben erfüllen und wettbewerbsfähig
bleiben, sind sie aber im besonderen Ausmaß zu stützen.“ Oder Bundeskanzler
Schüssel bei der EU-Kommission über das Wachstum und die Beschäftigung:
„Besonderes Augenmerk soll dabei auf Klein- und Mittelunternehmen gelegt
werden. Der stärkste Jobmotor, den es gibt, ist der Mittelstand.“ So Schüssel,
und weiter: „Große Industrieunternehmen werden Arbeitsplätze bestenfalls halten
und da und dort ausbauen, aber die wirkliche Jobmaschine sind die KMUs“, betont
der Kanzler.
Aber auch Sie, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister,
sehen die wirtschaftliche Zukunft bei den KMUs, wie Sie in Ihrem
Einleitungsreferat erwähnt haben, aber auch in einem Interview des
“WirtschaftsBlatt“ zum Städtetag 2006 Ende Mai auf folgende Frage
geantwortet haben.
Die Frage lautete: „Die Stadt Wien setzt stark auf
die Modernisierung ihrer Industrie. Wo geht es in den nächsten Jahren hin?“ Sie
haben Folgendes geantwortet: „Unser Ansatz lautet, die Industrie der Zukunft
wird ohne rauchende Schlote auskommen müssen. Gute Voraussetzungen dafür sind
die über 50 Prozent Klein- und Kleinstunternehmen in der City.“
Anhand dieser und weiterer gleichlautender
Erklärungen, nämlich von Politikern unterschiedlichster Fraktionen aus Bund,
Land und Wirtschaftskammer, könnte man annehmen, dass Österreich und
insbesondere Wien ein Eldorado für Klein- und Mittelbetriebe ist. Sie alle,
meine sehr geehrten Damen und Herren, wissen, dass die Realität leider ganz
anders ist.
Ich habe schon bei der Budgetdebatte für das
Jahr 2005 auf die Eigenkapitalausstattung dieser Betriebe hingewiesen. Die
Eigenkapitalausstattung dieser Betriebe ist aber so dramatisch, dass ich sie
wiederholen muss. Die traurige Realität und Zahlen: Betriebe, die 10 bis
49 Dienstnehmer beschäftigen, haben ein durchschnittliches Eigenkapital
von 14 Prozent und Betriebe, die 1 bis 9 Dienstnehmer
beschäftigen, haben überhaupt nur 2 Prozent Eigenkapital. Aber was noch
viel dramatischer ist: Von den Betrieben mit 1 bis 9 Dienstnehmern
haben 53,5 Prozent ein negatives Eigenkapital und von den Betrieben mit
10 bis 49 Beschäftigten haben immerhin 34,5 Prozent ein
negatives Eigenkapital! Das bedeutet, dass 88 Prozent dieser Betriebe
überschuldet sind oder sogar Krisenbetriebe sind.
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, auf diese
katastrophale Situation verweise ich hier schon seit vielen Jahren anlässlich
der Budget- und Rechnungsabschlüsse mit dem Ersuchen an Sie, sich für diese
Unternehmen einzusetzen. Konkrete Handlungen seitens des Landes Wien habe ich
bisher leider keine feststellen können, sondern im Gegenteil: Für die
Wirtschaftsförderung waren im Jahr 2000 noch 49 Millionen EUR
reserviert, im Jahr 2005 waren es überhaupt nur noch 39 Millionen EUR
und heute in Ihren einleitenden Worten haben Sie überhaupt nur noch von
35 Millionen EUR gesprochen. Aber diese 39 Millionen EUR
wären um 10 Millionen EUR weniger und das ist bedauerlich, denn mit diesen
10 Millionen EUR könnten bis zu 1 000 Betriebe pro Jahr
gerettet werden. Seit 2001, seit dieser Kürzung, wären es mehrere Tausend
Betriebe gewesen.
Vor einigen Monaten hat nun auch die Frau
Wirtschaftskammerpräsident Jank festgestellt, dass es bei den KMUs
Handlungsbedarf gibt. Schlagzeile im Wirtschaftsblatt: „Finanzierung: Laut
Wirtschaftskammer Wien sind ein Drittel der KMUs bedroht.“ Und im Detail:
„17 Prozent der 72 500 Wiener Klein- und Mittelbetriebe befinden
sich in einer katastrophalen Situation. Sowohl die Eigenkapitalquote als auch
die Umsatzrendite sind negativ. Nimmt man KMUs mit niedriger Eigenkapitalquote
und niedrigem Gewinnversteuern dazu, sind 31 Prozent der Wiener KMUs
extremst gefährdet. Dem stehen 15 Prozent der Wiener KMUs gegenüber, die
mit einer Umsatzrendite von mehr als nur 5 Prozent und hohem Eigenkapital
aufwarten können.“ So die Frau Wirtschaftskammerpräsidentin.
Und was bedeutet dieses Zahlenmaterial, meine sehr
geehrten Damen und Herren? Nun, 15 Prozent der Wiener KMUs sind finanziell
und wirtschaftlich gut abgesichert. Aber bei 85 Prozent ist das Gegenteil
der Fall, die stehen wirtschaftlich eben nicht gut da und 31 Prozent der
Wiener KMUs sind leider extrem gefährdet. Überträgt man dies linear auf die
Arbeitsplätze, könnte das für den größten Dienstgeber Wiens bedeuten, dass auch
da ein Drittel aller Wiener Arbeitsplätze bei den KMUs in Gefahr sind.
Sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister, fast ein Drittel aller Arbeitsplätze sind gefährdet. Hier
müssten doch die Alarmglocken läuten, hier ist dringendes Handeln geboten, wie
auch ein Blick auf die Insolvenzstatistik zeigt.
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