Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 118
wo Sie keine eigenen Leute hier in Wien ausbilden, sondern auch billige Kräfte hereinholen, um nicht den Preis zahlen zu müssen, der eigentlich in diesem Bereich zu zahlen wäre. Keine Frage, das ist Ihre Methodik, hier spielen Sie mit.
Strukturschwächen im Unternehmensbereich. Es gab
519 Fälle von Unternehmensinsolvenzen der Wiener Wirtschaft im ersten
Quartal, Herr Stadtrat. Ein neuer Negativrekord im Vergleich zum Vorjahr. Das
bedeutet, dass im Grunde genommen in Wien derzeit bereits sechs Unternehmen pro
Tag zahlungsunfähig werden. Und Sie stellen sich da her und sagen, ein toller
Rekord ist das. Ja, ein Negativrekord ist das.
Gegenüber dem Jahr 2000 ist das kommunale
Investitionsniveau um 202 Millionen EUR eingeschränkt worden. Die
Wohnbauförderungen ist in den letzten fünf Jahren um
166 Millionen EUR gekürzt worden. Die Förderung für die Wiener Klein-
und Mittelbetriebe ist in den letzten fünf Jahren um 10 Millionen EUR
gekürzt worden. Und schon heute tragen die Steuerzahler in Wien die ganze Last
bei den Müll-, bei den Kanal- und bei anderen Gebühren, die Sie über die
Kostendeckung hinaus hinaufgetrieben haben. Das sind bei den Müll- und
Kanalgebühren jährlich 76 EUR mehr für jeden Haushalt, die Sie letztlich
mit Ihren 61 Steuererhöhungen, die Sie in Wien zu verantworten haben, auch
den Bürgern aufgelastet haben.
Ich komme zum Schluss. Ich sage, die Kontrollparteien
in diesem Haus werden sicherlich dafür kämpfen, dass wir unsere Kontrollerechte
in allen Bereichen wieder zurückerhalten, dass wir sie wieder wahrnehmen können
und dass letztlich auch in der Daseinsvorsorge die Menschen nicht weiter
belastet werden, wie Sie das tun, dass man vielleicht dann irgendwann einmal
beim Wiener Wasser auch hergeht und das dem Meistbietenden sozusagen überträgt
und verscherbelt, wie Sie das – ich weiß es nicht – vielleicht heimlich
vorhaben.
Ich denke, dass man wirklich einiges in diesem Bereich
ändern wird müssen, aber vor allen Dingen unsere Kontrollrechte. Dafür werden
wir kämpfen. Die lassen wir uns nicht nehmen, auch wenn Sie einiges zu
verschleiern haben. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer:
Frau Mag Vassilakou, bitte.
GRin Mag Maria Vassilakou
(Grüner Klub im Rathaus): Sehr
geehrter Herr Vorsitzender! Herr Stadtrat! Verehrte Damen und Herren!
In gewisser Weise sind Rechnungsabschlussdebatten und
Budgetdebatten immer ein Anlass, wo ich mich ein bisschen an diesen Film
"Und täglich grüßt das Murmeltier" erinnert fühle – ich weiß nicht,
wer jemals den Film gesehen hat –, denn jahrein, jahraus, eigentlich ziemlich
genau zweimal im Jahr spielt sich hier genau dasselbe ab. Sie, Herr
Vizebürgermeister, stellen sich hierher und berichten, was die Stadt denn nicht
so alles vorhat oder getan hat. Im Übrigen ein Lob meinerseits. Heute waren
Ihre Ausführungen wirklich besonders hübsch, denn es gehört schon einiges an
Kunst dazu, alles, was getan und nicht getan worden ist, so zu beschönigen und
wirklich jeden Punkt, der problematisch sein könnte, derart gekonnt
auszublenden, dass man am Ende eigentlich sagen könnte: Wahnsinn, wozu reden
wir jetzt noch. Packen wir ein, gehen wir nach Hause, es ist eh so heiß
draußen. Das ist aber nicht so, denn jahrein, jahraus gibt es von dieser Stelle
aus sehr wohl Kritik der Opposition. Es ist mitunter dieselbe, es bleibt auch
dieselbe, denn die Probleme der Stadt sind und bleiben auch dieselben und
bleiben auch weiterhin ungelöst.
Aber heute muss ich auch wiederum sagen, ich habe
schon lange nicht mehr erlebt, vor einem derart leeren Haus zu sprechen. Es ist
10.30 Uhr am Vormittag, und die Kolleginnen und Kollegen der
Sozialdemokratie sind nicht da. Ich verstehe, es war Donauinselfest, es kann
schon sein, dass sich der eine oder die andere ein bisschen übernommen hat, es
kann aber auch ganz einfach sein, dass sie schlicht keine Lust haben, sich das
anzuhören, was die Opposition ihnen zu sagen hat. Und auch das, meine Damen und
Herren, ist geradezu ein Sittenbild. Also diese leeren Bänke sind ein
Sittenbild dafür, wie Sie mit Kontrolle und Kritik umgehen oder nicht umgehen. (Beifall bei den Grünen.)
Und weil ich eben in den letzten Jahren von hier aus
immer dasselbe zu sagen habe, deshalb einmal mehr wieder dasselbe:
Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Die
Stadt hat seit ein paar Jahren ein paar wesentliche Probleme, die durchaus auch
Herausforderungen darstellen für die Zukunft Wiens. Es sind immer dieselben.
Eines davon ist das Kapitel Armut. Heute ist mit keinem Wort angesprochen
worden – einmal mehr, es sei denn, ich habe es verpasst –, dass die Armut in
dieser Stadt massivst steigt. Sie steigt in den letzten Jahren, und ich muss
auch sagen, ich bin jetzt schon in Sorge um den nächsten Armutsbericht, der
demnächst veröffentlicht wird. Denn man kann sagen, was die Armutsentwicklung
betrifft, befinden wir uns in Österreich im Allgemeinen, aber auch in Wien im
Besonderen in gewisser Weise im freien Fall. Und das, obwohl jahrein, jahraus –
Sie haben es ja selbst auch gesagt – die Beschäftigung steigt. Sie haben ja
selbst hier von 70 000 neuen Beschäftigungsverhältnissen gesprochen, was
Sie allerdings unerwähnt ließen – und das ist ja genau das Problem –, ist, dass
diese Beschäftigungsverhältnisse zum Großteil solche sind, von denen man nicht
leben kann. Das sind keine existenzsichernden Beschäftigungsverhältnisse.
Und so haben wir es mit dem
wachsenden Phänomen zu tun, dass immer mehr Menschen in dieser Stadt arbeiten,
aber trotz Arbeit einfach von ihrem Einkommen nicht leben können. Und das ist
ein Kapitel, dem wir uns widmen sollten, und zwar nicht nur mit schönen Worten
von hier aus, nicht mit Sonntagsreden, nicht mit Lippenbekenntnissen einerseits
und auch nicht damit, dass man zynische Bemerkungen von sich gibt, dass die
soziale Absicherung solcher Menschen eher dazu beitragen würde, dass man sich
auf die soziale Hängematte legt und was man da nicht alles zu hören bekommt in
den letzten Jahren im Zusammenhang mit diesem Phänomen, sondern man sollte
endlich die Sache angehen,
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