Gemeinderat,
8. Sitzung vom 24.04.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 57
(Beginn um 9.00 Uhr.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Meine sehr geehrten
Damen und Herren!
Der Tag beginnt. Einen schönen guten Morgen, alle miteinander!
Ich darf euch zur 8. Sitzung begrüßen und
mitteilen, dass Frau GRin Mag Vassilakou entschuldigt ist; sie befindet sich
auf einer – wie ich annehme – Dienstreise.
Wir kommen somit zur Fragestunde.
Die 1. Anfrage (FSP - 01624-2006/0001 - KGR/GM)
wurde von Frau GRin
Mag Korun an die Frau amtsf StRin Mag Brauner gerichtet. (Am 19. März 2006 erschien in der
Tageszeitung “Der Standard“ ein Bericht über einen abgelehnten Asylwerber, der
durch eine “Kooperation“ des Fonds Soziales Wien mit der Wiener Fremdenpolizei
zwecks Inschubhaftnahme vom Fonds Soziales Wien in dessen Räumlichkeiten Am
Modenapark vorgeladen und ebendort von der – im Vorfeld
informierten – Fremdenpolizei festgenommen wurde. Im Schubhaftbescheid
steht sogar als Zustelladresse des Asylwerbers die des Fonds Soziales Wien. Die
Vorgehensweise war offensichtlich von langer Hand vorbereitet, da im
Schriftverkehr zwischen FSW und Fremdenpolizei der FSW am 17. Juni 2005
schreibt, dass “vereinbarungsgemäß“ mitgeteilt wird, dass der betroffene
abgelehnte Asylwerber sich in Grundversorgung befindet. Das Schriftstück trägt
eine Aktenzahl, die auf das Jahr 2004 verweist, seit dem es offensichtlich
Kommunikation und “Kooperation“ zwischen den beiden Behörden im betreffenden
Fall gegeben hat. Im selben Bericht im “Standard“ gibt der FSW zu, dass „es
insgesamt bisher rund zehn derartige Kooperationen gegeben habe“. Es mehren
sich Hinweise, dass im Vollzug des Grundversorgungsgesetzes Maßnahmen ergriffen
werden, die darauf hinweisen, dass die Stadt Wien vor allem darauf bedacht ist,
die budgetäre “Belastung“ in diesem Bereich möglichst gering zu halten. Frau
Stadträtin, in wie vielen Fällen “ersparte“ sich die Stadt Wien die Kosten der
Grundversorgung und damit die budgetäre Mittelbereitstellung seit
1. Jänner 2006 durch die Inschubhaftnahme von in Grundversorgung
befindlichen Ausländerinnen und Ausländern auf Grund der Zusammenarbeit von FSW
mit der Fremdenpolizei?)
Ich bitte um Beantwortung.
Amtsf StRin Mag Renate Brauner: Einen schönen guten
Morgen, sehr geehrte Damen und Herren!
Die Frage der Kollegin Mag Korun bezieht sich auf eine angebliche
Kooperation zwischen Fremdenpolizei und dem Fonds Soziales Wien und
unterstellt, Wien beteilige sich aus Kostenersparnisgründen an Abschiebungen
von Flüchtlingen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte diese Unterstellung mit aller
Deutlichkeit zurückweisen! Ich bedaure, dass in einer gesellschaftspolitisch
und menschenrechtlich so sensiblen Frage wie der Frage, wie wir mit Menschen
umgehen, die in dieses Land gekommen sind, weil sie um Leib und Leben fürchten
müssen, mit solchen Unterstellungen gearbeitet wird. Ich möchte diesen Stil
jedenfalls für mich nicht fortführen, möchte mich aber trotz meiner
persönlichen Betroffenheit über diese Unterstellung ganz besonders bemühen,
sachlich zu antworten.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das Kostenersparnisargument richtet sich
von selbst, wenn man sich die diesbezügliche Geschichte kurz ansieht. Nachdem
Frau Kollegin Korun diesem Gremium aber noch nicht lange angehört, ist
vielleicht darin das Missverständnis zu suchen!
Ich möchte es einmal so interpretieren – und ich hoffe, es so
interpretieren zu können –, dass die Geschichte der
Artikel 15a-Vereinbarung für zu betreuende Flüchtlinge vielleicht nicht
allgemein bekannt ist. Wie war die Situation vor der
Artikel 15a-Vereinbarung? – Vor der Artikel 15a-Vereinbarung zur
Betreuung von Flüchtlingen war nur ein sehr geringer Prozentsatz von
Asylwerbern überhaupt betreut beziehungsweise in Bundesbetreuung, und ein ganz
hoher Prozentsatz war überhaupt nicht betreut: Diese Menschen hatten kein Geld
zum Essen, zum Wohnen, zum Leben, und es hat sich eigentlich niemand darüber
Gedanken gemacht hat, wie denn diese Menschen existieren. Damals waren die
Verfahren zur Anerkennung oder Nichtanerkennung des Asylstatus auch nicht viel
kürzer, und die rechtliche Situation war so, dass ausschließlich der Bund für
die Betreuung von Flüchtlingen zuständig war.
Es war Wien, das damals die Fahne in die Hand genommen und gesagt hat: Das
ist eine unbefriedigende Situation, und das ist kein Thema, bei dem man sich
jetzt auf irgendwelche ausschließlich durch Finanzfragen bestimmte Positionen
zurückziehen und sagen kann: Uns geht das nichts an, das ist
Bundesangelegenheit! Wir können nicht sagen, es gibt hier Menschen, die ihr
Land verlassen mussten, weil sie an Leib und Leben bedroht sind und jetzt zu
verhungern oder unter Umständen vielleicht in die Kriminalität abzurutschen
drohen, aber das ist uns egal, das fällt nicht in unsere Zuständigkeit. Nein!
Vielmehr war es Wien, das die
Fahne in die Hand genommen und gesagt hat: Jawohl, wir sind bereit, etwas zu
tun, obwohl wir rechtlich nicht dazu verpflichtet waren. Und ich möchte
betonen, dass wir auch jetzt rechtlich nicht dazu verpflichtet sind, denn nach
wie vor sind Flüchtlingsbetreuung und Asylfragen ausschließlich
Bundesangelegenheit. Dennoch waren wir es, die gesagt haben: Jawohl, wir sind
bereit, unseren Teil beizutragen mit dem Ziel, das Anliegen über alles andere
und vor allem über das Finanzargument zu stellen, dass alle Menschen, die
Asylsuchende sind, auch entsprechend betreut werden, weil wir der Meinung sind,
dass das im Interesse aller liegt. Das liegt jedenfalls im Interesse jener
Menschen, die Asylwerber und Asylwerberinnen sind, es liegt aber auch im
Interesse der Allgemeinheit, denn was soll aus Menschen werden, die jahrelang
hier leben müssen und keinen Groschen Geld zur Verfügung haben und die nicht
arbeiten dürfen? Das Arbeitsverbot bestand und gilt ja größtenteils noch immer,
wenn auch mit gewissen Einschränkungen, die einen Teil dieser Vereinbarung
bilden; diesbezüglich ist es ein wenig besser geworden. Das heißt: Menschen,
die in ausweglosen
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular