Gemeinderat,
57. Sitzung vom 27.06.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 136
könnten. Wir könnten viele Pflegepersonen darum einstellen. Wir könnten die Dialysesituation, die eine Katastrophe ist in Wien, verbessern. Wir tun's nicht, wir hauen 1 Million EUR einfach beim Fenster hinaus.
Ein zweiter Punkt von der Qualität ist der 12-Stunden-Dienst
im Pflegebereich. Wir waren und sind uns in der Geriatriekommission einig:
12 Stunden machen die Menschen kaputt, es gibt Burn-out-Syndrome. Es ist
weder arbeitsmedizinisch noch vom Standpunkt der Krankenanstalt noch der
Pflegeheime vertretbar. 12-Stunden-Dienste sind eigentlich nicht mehr zu
dulden.
Wir wissen das. Nichtsdestotrotz setzt sich die
Politik, setzt sich die Generaldirektion des Krankenanstaltenverbundes nicht
gegen die Gewerkschaft durch, die sagt: Wir wollen das aber so, 14 Mal in den
Dienst gehen, Augen zu und durch, damit wir genügend Freizeit haben, um
möglicherweise in einem Pooldienst zu arbeiten.
Und wir wissen, dass Wien im Vergleich zu anderen
europäischen Städten eine unvertretbar hohe Dichte an Akutbetten hat. Wir
wissen es, und wir tun nichts dagegen. Wenn ein Mensch in Stockholm krank wird,
dann ist sein Risiko, in ein Spital zu kommen, dreimal geringer als in Wien.
Nicht dass Sie glauben, man ist in Stockholm deswegen kränker. Mitnichten. Bei
uns liegt man offensichtlich, auch wenn es nicht notwendig ist, lang zu Lasten
der eigenen Lebensqualität und zu Lasten der Gesundheitskosten im Spital.
Da geben dann mir gegenüber Abteilungsvorstände auch
zu, dass man für eine Curettage einen Tag aufnimmt, dann einen Tag die
Operation, den Eingriff vornimmt und am nächsten Tag entlässt. Man könnte das
tagesklinisch erledigen. Es wäre medizinisch in fast allen Fällen vertretbar.
Wir tun es nicht! Wir wollen hohe Auslastungszahlen, die uns dann viel Geld
kosten.
Wir wissen, dass wir in ganz Europa das Schlusslicht
mit unseren kasernenartigen Großpflegeheimen sind. Wir haben die letzte
Legislaturperiode rauf und runter dekliniert, dass es für Menschen nicht gut
ist, in Großraumzimmern untergebracht zu sein und dass es menschenunwürdig ist.
Nichtsdestotrotz ist bis jetzt nur Ankündigungspolitik passiert und nach wie
vor ist das Geriatriezentrum Lainz keines, das vom Konzept her der
Vergangenheit angehören soll, denn der Mut der Wiener Stadtregierung reicht
nicht weit: Gehen wir runter auf 1 000 Plätze! Wenn ich das
Gesundheitspolitikern und –politikerinnen im Ausland versuche zu erklären, dann
glauben sie immer, sie haben sich verhört. Wir haben 1 000 als Ziel und
nicht etwa als Ausgangspunkt für Reformen! Es ist nach wie vor so schlimm in
den Häusern, dass der zuständige Pflegeombudsmann seiner Empörung Luft machen
musste, indem er sagte: „Offensichtlich gibt es nicht einmal Geld für ein
Scheißhäusl." – Ich zitiere wortwörtlich aus seinem Artikel.
Wir machen Ankündigungspolitik, was die Dialyse
betrifft. Wir reden von Containern, die aufgestellt werden. Wir reden von
Konzepten, von Entwicklungen. Wahr ist vielmehr, dass nach wie vor in vier
Spitälern Nachtschichten gefahren werden, die in Europa einen traurigen
Seltenheitswert haben. Das leisten nur wir uns in Wien. Wenn man im Budget für
das kommende Jahr nachschaut, was sich der Krankenanstaltenverbund hier
vornimmt, so wird man keinen ausreichenden Budgetposten zur Abhilfe dieser
Situation finden.
Und obwohl wir so viele Akutbetten haben, schaffen
wir es nicht, sie so zu verteilen, dass wir Gangbetten vermeiden. Absurd,
zynisch, aber wahr – wir haben in der Situation der Überversorgung eine
Unterversorgung, nicht nur in der Dialyse, sondern es ist auch in der Tat so,
dass Menschen eine Woche lang nach einem Unfall am zugigen Gang allen Blicken
ausgesetzt - als Beispiel im SMZ-Ost - liegen müssen, weil es nicht möglich
ist, ihnen ein Zimmer zuzuweisen, weil man schlicht und einfach nicht
ordentlich plant. Und wir bekommen Auskünfte - und das finde ich besonders als
lästig und unerträglich -, die nicht den Fakten entsprechen. Ich habe das Thema
der Turnusärzteausbildung im vergangenen Herbst zum Thema dieses Hauses
gemacht. Ein Problem hier war die fehlende Ausbildungsberechtigung in einzelnen
Abteilungen im Krankenanstaltenverbund. Auf eine schriftliche Anfrage habe ich
die schriftliche Antwort der Gesundheitsstadträtin bekommen, alles wäre in
Ordnung, die Ausbildungsstätten wären alle anerkannt. Auf meine ungläubige
Nachfrage hat mir der Herr Generaldirektor im April und im Mai bestätigt, alles
wäre am Laufen, die Ausbildungsberechtigungen wären nur mehr eine Frage der
Zeit und Ende Juni wäre alles erledigt.
Beide Informationen entsprechen nicht den Fakten.
Wahr ist vielmehr, und ich habe mich bei den Turnusärzten und -ärztinnen
erkundigt, die in den Häusern arbeiten, und ich habe im
Ausbildungsstättenverzeichnis nachgeschaut: Die Misere ist nicht behoben! 38 zu
prüfende Abteilungen gibt es, 10 davon sind angeschaut, bei bloß 7 gibt es eine
positive Beurteilung, 3 haben noch eine Frist gekriegt. In manchen Häusern hat
die Visitation noch nicht einmal begonnen. Kein Wunder also, dass die
Ausbildungsstätten nach wie vor bei den üblichen verdächtigen –
Wilhelminenspital, Rudolfstiftung, Krankenhaus Lainz - als erloschen drinnen
stehen. Sie sind nämlich erloschen und da kann hier was immer vom
Generaldirektor und von der Stadträtin berichtet werden: Es ist kein Bescheid
erlassen und viele Bescheide sind noch in weiter Ferne. Wenn man so mit der
Opposition umgeht, braucht man sich nicht zu wundern, dass die Opposition auch
kritisch und kontrollierend schaut und diese Dinge nicht hinnimmt. Es soll hier
zugegeben werden, wenn es Mängel gibt und man soll sie nicht schön reden.
Der
Jahresabschluss des Krankenanstaltenverbundes zeigt, dass die Reformprojekte
Lippenbekenntnisse sind, denn in der Budgetvorschau, im Dokument, ist dafür
nichts vorgesehen, weder für die Dialyse noch für die Umsetzung der
Geriatriemilliarde. All das sind Luftschlösser ohne konkrete Politik! Man hat
es in der Politik der Sozialdemokratie in Wien offensichtlich nicht eilig und
man hat es auch nicht eilig im Krankenanstaltenverbund, denn diese Gespräche
über das Finanzierungsabkommen, die jetzt laufen müssten, mit Hochdruck laufen
müssten, denn es geht um ein Finanzierungsabkommen
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