Gemeinderat,
4. Sitzung vom 14.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 119
sondern es gibt nur noch sehr wenige, die den Nationalsozialismus und die Verfolgung und die Ermordung und den Terror erlebt haben, und deren Geschichten zu erfassen, solange es noch geht, halte ich für so enorm wichtig, dass ich hier noch einmal – was ich auch im Ausschuss schon gemacht habe – den Wunsch deponieren möchte, das weiterhin zu archivieren, es zu ermöglichen, dass diese Geschichten zugänglich bleiben und nicht sozusagen jetzt nur temporär – nur unter Anführungszeichen – in diesen Ausstellungen zu hören oder zu sehen sind.
Zur ÖVP. Die ÖVP hat im Ausschuss diesen Akt
abgelehnt mit einer Begründung, die eher irgendwie im Stilistischen war. Sie
haben jedenfalls abgelehnt vom Antrag her. Ich finde das sehr, sehr kleinlich,
denn hier geht es auch um eine historische Verantwortung. Eine historische
Verantwortung deshalb, weil nämlich die Verfolgung von Lesben und Schwulen im
Nationalsozialismus eine ganz besondere war, weil das Totalverbot nachher
fortgesetzt wurde, und zwar bis 1971.
Es ist, glaube ich, im Jahr 2005 wirklich an der
Zeit, auch als ÖVP diese historische Verantwortung wahrzunehmen und zu sagen:
Okay, wir stehen dazu, es war furchtbar, was da passiert ist, wir schämen uns,
dass wir bis 1971 die Homosexualität total verboten haben, wir stimmen jetzt
dieser Ausstellung zu, weil es ein historischer Schritt ist. Aber sich dann auf
kleine Geschichten zu konzentrieren, das ist kleinlich. Hier bitte ich
wirklich, historische Verantwortung zu übernehmen. – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN und der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Herr Dr Wolf hat sich gemeldet. Bitte zum
Rednerpult.
GR Dr Franz Ferdinand Wolf
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Meine sehr geehrten Damen und
Herren!
Es ist nicht kleinlich,
sondern es ist die Wahrnehmung der Kontrollpflichten, die wir als Opposition
haben, wenn wir diesem Akt nicht zustimmen.
Ich habe mich deshalb zum
Wort gemeldet, um zu sagen, dass "Geheimsache Leben" eine gute
Initiative ist. Kein Wort der Kritik an der Ausstellung, im Gegenteil, ich
halte es für notwendig, dass Derartiges öffentlich gezeigt wird. Ich halte das
für gut. Ich brauche nicht die Faschismuskeule, um mich dazu zu bekennen. Das
ist eine gute Sache. Das sieht meine Fraktion genauso.
Aber die Kritik entzündet
sich an ganz etwas anderem, an diesem sehr nachvollziehbaren Umgang mit
öffentlichen Mitteln, wie er sich in diesem Fall zeigt. Da gibt es eine
Ausstellung, die mit 120 000 EUR subventioniert wird, und dann kommt es zu
Kostenüberschreitungen. Und wenn man näher nachschaut, stellt sich heraus, dass
das für Personal ist und weil andere Sponsoren ausgefallen sind. Offenbar war
im Konzept vorgesehen, dass es Sponsoren gibt – nicht der Bund, sondern
Sponsoren –, und die haben nicht gezahlt. Jetzt ist der Herr Kulturstadtrat,
der sich ja auch in Inseraten, die er schalten lässt, als Initiator des Ganzen
bezeichnet – "eine Initiative vom Kulturstadtrat Andreas
Mailath-Pokorny" –, gezwungen, sozusagen nachzusubventionieren.
Wenn man dann weiter
fragt, wie das denn eigentlich mit diesen Kostenüberschreitungen ist, dann
kriegt man die unterschiedlichsten Begründungen. Es seien Personalkosten, es
ist ein Vorgriff auf das Jahr 2006; die Ausstellung läuft immerhin acht Tage im
kommenden Jahr auch noch.
Diese Form der
Subventionierung, die nicht nachvollziehbar ist auf Grund der Aktenlage, die
kann nicht unsere Zustimmung finden. Zustimmung findet der Versuch, diese
Geschichte aufzuarbeiten und diese Dinge öffentlich in das Bewusstsein dieser
Stadt zu rücken. Sie werden mich nicht in die dumpfen Buden der FPÖ bringen,
von denen Herr Woller gesprochen hat. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Herr GR Woller.
GR Ernst Woller (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Damen und Herren!
Herr Wolf, wenn die ÖVP
inhaltlich so hinter dem Konzept stünde, dann frage ich mich... (Rufe und
Gegenrufe zwischen ÖVP und FPÖ.) Herr Blind, bitte!
Vorsitzender GR Günther Reiter (unterbrechend):
Kollege Blind! Herr GR Woller ist am Wort.
GR Ernst Woller (fortsetzend): Wenn die ÖVP inhaltlich schon so für dieses
Konzept ist, dann frage ich mich aber ernsthaft, warum sie für eine
Ausstellung, die nachweislich in der Einschätzung aller eine einzigartige
Ausstellung, die erste Ausstellung dieser Art in Europa ist – also nicht nur in
Österreich, sondern in Europa ist –, nicht in der Bundesregierung wirklich
einen Schritt gesetzt hätte, diese Ausstellung zu fördern.
Natürlich sind die
Ausstellungsmacher davon ausgegangen, dass eine Ausstellung, die kein
Spezifikum Wiens ist, sondern eine Ausstellung, die sich mit der Verfolgung
Homosexueller in der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt und die die Lebenswelten Homosexueller im
20. Jahrhundert darstellt, für den Bund eine zumindest gleich wichtige
Ausstellung ist. Wenn das so gewesen wäre, dann hätte man natürlich davon
ausgehen können, dass auch der Bund seinen Beitrag leistet, aber nicht, dass
weder der Bund noch irgendein Bundesministerium dafür auch nur einen Euro oder
einen Cent hergibt.
Die Probleme der Finanzierung sind vor allem dadurch
zustande gekommen, dass erstens das Projekt schwieriger war als angenommen,
weil es das erste Mal war, dass so etwas überhaupt angegangen wurde, dass das Projekt
dann auch größer geworden ist, dass dann alle Bundesförderungen, von denen man
ausgegangen ist, ausgefallen sind – also wenn die österreichische
Bundesregierung, die schwarz-blaue Bundesregierung das gefördert hätte, dann
bräuchten wir wahrscheinlich heute hier gar keinen Antrag zu stellen – und dass
interessanterweise auch alle Sponsoren ausgefallen sind, unter anderem die
Wirtschaftskammer, die Österreichische Nationalbibliothek, um nur zwei zu
nennen. Und weil eben Sponsoren bei diesem Projekt ausgefallen sind, weil der
Bund nicht gezahlt hat, gibt es einfach noch ein Problem mit der Finanzierung.
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