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Gemeinderat, 51. Sitzung vom 17.12.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 78 von 89

 

“Das neue Österreich. Staatsvertragsausstellung 2005 in der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien“.

 

Herr GR Dr LUDWIG.

 

Berichterstatter GR Dr Michael LUDWIG: Ich ersuche um Zustimmung.

 

Vorsitzender GR Rudolf  Hundstorfer: Danke schön.

 

Frau GRin Mag Ringler, bitte.

 

GRin Mag Marie Ringler (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die GRÜNEN werden diesem Poststück heute nicht zustimmen. Lassen Sie mich kurz ausführen, weshalb.

 

Wir glauben, dass das vorliegende Konzept der von der Stadt Wien mit einem Drittel finanzierten Ausstellung “Das neue Österreich“ keine ausreichend kritische Auseinandersetzung mit der Thematik und letztendlich auch mit der österreichischen Geschichte erkennen lässt.

 

Wir haben mit vielen Expertinnen und Experten Rücksprache gehalten und müssen festhalten: Sowohl aus geschichtswissenschaftlicher wie auch aus museologischer Perspektive erscheint uns der Ansatz, der hier angestrebt wird, als eine lediglich affirmative Darstellung Österreichs im 20. Jahrhundert, der das, was ich von der Sozialdemokratie erwarte, nämlich eine kritische Auseinandersetzung, einen Diskurs, vermissen lässt.

 

Konkret ist zum Beispiel inhaltlich nicht nachvollziehbar, weshalb eine Staatsvertragsausstellung mit dem Ersten Weltkrieg beginnt und mit dem Beitritt Österreichs zur EU endet. Oder warum jedem Kapitel der Ausstellung zentrale Dokumente zugeordnet werden, die auf ein veraltetes Geschichtsverständnis rückschließen lassen und wo andere Zugänge, die uns in dieser Betrachtung des Jahres 2005 sehr, sehr wichtig wären und das sicherlich ein wichtiges und relevantes Jahr für Österreich ist, fehlen. Es fehlt etwa der Zugang zur Alltagsgeschichte. Es fehlen auch die Fragen zum Beispiel der Frauen in der Zweiten Republik. Es fehlt die Frage von Proporz und Demokratie. Und es fehlen aus unserer Sicht auch Fragen wie etwa die Nichtberücksichtigung so einiger Klauseln des Staatsvertrags, was Minderheitenrechte in Österreich betrifft, wie etwa in Form des Nichteinhaltens der Frage der zweisprachigen Ortstafeln.

 

Ebenso scheint es uns relevant, sich zum Beispiel auch nach der Betrachtung der Jahre 1938 bis 1945 in einer Ausstellung mit den Folgewirkungen des Nationalsozialismus auseinander zu setzen, mit der Frage der Integration von NationalsozialistInnen in die österreichische Gesellschaft, in das Nachkriegsösterreich, mit den politischen Karrieren ehemaliger NationalsozialistInnen in der Zweiten Republik oder auch mit dem weiterhin bestehenden Antisemitismus.

 

Die Sicht der anderen, sehr geehrte Damen und Herren, ist in diesem Jubiläumsjahr 2005 eine wichtige Frage. Die Sicht der anderen, die Sicht von außen, nicht nur die Sicht jener, die in den Jahren 38 bis 45 und auch davor aus Österreich vertrieben wurden, sondern auch die Sicht jener, die vielleicht erst in diesen Jahren nach Österreich gekommen sind, die nach 1945 in den 60er Jahren als so genannte Gastarbeiter nach Österreich geholt wurden und die sicherlich ein anderes Österreichbild haben, das auch relevant und wichtig für uns ist.

 

Es gibt eine Reihe von unabhängigen initiativen Plattformen, die versuchen, so einen anderen Blick auf Österreich auch einzufangen, die neben all den Fragen der Jubiläen auch eine kritische Reflexion ermöglichen sollen und diese Initiativen sollte die Stadt Wien fördern, unterstützen und sicherstellen, dass dieser Blickpunkt ebenso eine Präsenz findet. Diese Chance, glauben wir, ist noch nicht vertan.

 

Auch wenn wir glauben, dass die Staatsvertragsausstellung in der vorliegenden Form problematisch ist, so hoffen wir doch, dass es von Seiten des Kulturstadtrats hier Finanzierungen für Projekte geben wird, die diesen anderen Blick auf Österreich auch ermöglichen. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Danke. Es ist keine Wortmeldung mehr.

 

Herr GR Dr LUDWIG.

 

Berichterstatter GR Dr Michael LUDWIG: Also nachdem ich weiß, dass eine ganze Fülle von Projekten in den verschiedenen Bereichen in Vorbereitung sind, gehe ich davon aus, dass es sicher Ergänzungen zu dieser jetzt vorliegenden Ausstellung geben wird. Ich denke, dass der Staatsvertrag im Mai 1955 ein ganz wichtiges Ereignis in der Geschichte unseres Landes und unserer Stadt war, aber dass man allerdings eine Ausstellung auch nicht so überfrachten kann. Es kann nur ein Mosaiksteinchen in einem ganzen Bündel von Veranstaltungen sein, die nicht zuletzt auch von der Stadt Wien und anderen Vereinen und Einrichtungen durchgeführt werden. Ich denke, dass hier die anderen Projekte sicher eine sinnvolle Ergänzung bieten.

 

Ich möchte Ihnen aber doch in einem Punkt widersprechen, nämlich darin, dass Sie gemeint haben, Kollegin Ringler, dass beispielsweise Alltagsgeschichte nicht behandelt wird. Es gibt einen eigenen Themenbereich, der sich beispielsweise mit Wirtschafts- und Sozialgeschichte beschäftigt. Es gibt einen Themenbereich, der sich mit dem Klischee beschäftigt und einen, der sich mit der Identität beschäftigt, auch mit den Brüchen in der Identität. Also ich denke, das sind eigentlich alles Themenschwerpunkte in der Ausstellung, die auch in der Planung vorgesehen sind, die Sie zu Recht auch fordern, die auch wichtig sind und die meines Erachtens aber auch in der Ausstellungskonzeption zu finden sind.

 

Und in einem, Kollegin Ringler, muss ich Ihnen auch widersprechen. Ich persönlich halte es für positiv, dass nicht nur das eigentliche Ereignis des Staatsvertrags behandelt wird, sondern dass sehr wohl auch die Vorgeschichte und die Zeit danach mitbehandelt wird, denn Geschichte ist ein Prozess und gerade die Frage, was vor dem Staatsvertrag war, was vor dem Kriegsende war, ist eine wichtige und sollte auch in der Gesamtheit gesehen werden und dass wir jetzt als Mitglied der Europäischen Union in einem neuen Europa die Möglichkeiten haben, die uns auf Grund des Staatsvertrags gegeben worden sind. All das halte ich eigentlich für positive Elemente.

 

Deshalb ersuche ich um Zustimmung zum

 

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