Gemeinderat,
44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 121
Und vielleicht auch die nächsten
Finanzausgleichsverhandlungen etwas klüger zu gestalten, damit wir in den
nächsten Jahren nicht wieder über derartige Flops reden müssen. Ja, das Jahr
2003 war ein Flop, und Flop steht als Akronym für das, was war: Fonds Soziales
Wien, Lobauautobahn, Pflegemissstände. Das Jahr 2003 war ein Flop, und deswegen
werden wir diesem Rechnungsabschluss nicht zustimmen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Dr
Tschirf.
GR Dr Matthias Tschirf
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Herr Vizebürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wenn wir Ihren Ausführungen zugehört haben, ist
einmal eines aufgefallen, und das ist nicht zufällig: Es hat sechs Minuten
gedauert, bis Sie sich das erste Mal mit Wien auseinander gesetzt haben. Sie
haben sich sechs Minuten lang mit den Bundespolitikern, mit der
Bundesregierung, mit Bundesthemen auseinander gesetzt, ehe Sie das erste Mal zu
Wien gekommen sind. Und dabei gäbe es sehr vieles, was gerade diesen
Rechnungsabschluss betrifft, was zu dieser Stadt zu sagen ist. Ich stehe
überhaupt nicht an zu sagen, und das ist auch unsere Position als Volkspartei,
dass diese Stadt eine großartige Stadt ist. Aber gerade deshalb würde sie es
verdienen, dass man sich mehr Gedanken macht in dieser Stadtregierung um diese
Stadt und um die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade dieses
Zahlenwerk, mit dem wir uns auseinander setzen, dieser Rechnungsabschluss ist wieder
ein Zeichen von Phantasielosigkeit. Gerade was den Bereich Arbeitsmarkt
betrifft, was die Gesundheit, das Soziale, die Standortpolitik betrifft: Wo
sind hier die neuen Signale? Wir haben es eher mit einem Stillstand zu tun, mit
der Verwaltung eines Stillstands und – und das sollte Ihnen gerade als
Sozialdemokraten zu denken geben – mit einer Politik sozialer Kälte. – Nicht lachen, Herr Schuster,
nachdenken, nachdenken darüber, weil die Situation leider eine andere ist. Es
gibt Dinge, da sollte man sicher lieber in sich gehen und nicht hier irgendwie
herumwitzeln. (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn wir uns den Rechnungsabschluss ansehen und uns
nur die Sprache ansehen: Da ist die Rede von Begriffen wie etwa, die
Ressortbudgets konnten mit Ausnahme des Sozialbereichs stabil gehalten werden.
Mit Ausnahme des Sozialbudgets. Was passiert? Da wird der Fonds Soziales Wien
gegründet, das wird alles weggeschoben, und dass die Leistungen für die, die
bedürftig sind in dieser Stadt, geringer werden, dass hier vieles nicht mehr in
dem Ausmaß erfolgt, wie es notwendig ist, das schiebt man auf die Seite. Das
ist die sozialdemokratische Sozialpolitik des Jahres 2003! Das ist doch
eigentlich für Sie ein Armutszeugnis, und damit sollten Sie sich auseinander
setzen. (Beifall bei der ÖVP.)
Und es ist
nicht sozial, wenn wir es mit der höchsten Arbeitslosigkeit in Wien zu tun
haben, es ist nicht sozial, wenn einfach zu wenig getan wird gegen
Arbeitslosigkeit. Und allein in den WAFF wiederum Geld hineinzustecken, das ist
nicht genug. Was geschehen sollte, sind Betriebsansiedlungen, entsprechende
Anreize, dass auch Unternehmen nach Wien gehen. Das alles geschieht nicht. Es
ist einfach Wien ein viel zu uninteressanter Anreiz für die Wiener Wirtschaft.
Hier sollte viel mehr geschehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Etwas
Unsozialeres als die hohen Kindergartenpreise kann man sich nicht vorstellen.
Denn wenn 250 EUR für einen Kindergartenplatz pro Monat und Kind
ausgegeben werden müssen, dann ist das kein Zeichen sozialer Gerechtigkeit. (Beifall
bei der ÖVP.)
Und noch schlimmer ist es, wenn man gerade von
8-Bett-Zimmern vielleicht zu 7-Bett-Zimmern kommt. Das ist die Realität. (Zwischenruf der GR Godwin Schuster.) Herr Schuster, leider, leider habe
ich mich intensiver damit auseinander setzen müssen. Ich habe mir mit dem Herrn
StR Hahn angeschaut, wie das beispielsweise in Baumgarten ist. Ich weiß nicht,
ob Sie schon dort waren. Ich weiß nicht, ob Sie schon gesehen haben, wie das
dort ist, dass die Leute in einigen Bereichen die einzige Möglichkeit des
Freizeitraums am Gang haben. Ist das der soziale Standard einer Stadt wie Wien
im Jahr 2003, im Jahr 2004? Wir sagen: Nein.
Meine Damen und Herren! Und das, was wir uns dabei
vorstellen, ist dass jeder, der pflegebedürftig ist, erwarten kann, dass er den
gleichen Standard bekommt, gleichgültig, wo er hinkommt. Das ist in anderen
Landeshauptstädten der Fall. In Linz beispielsweise, auch sozialdemokratisch
regiert, damit man ja nicht meint, dass wir es aus parteipolitischer Sicht sehen
würden, da ist es so, dass man davon ausgehen kann, am gleichen Standort, in
allen Bereichen, gleichgültig, wo man hinkommt, entsprechende Pflege zu
erfahren.
Und wie ist das in Wien? Da kann man das Glück haben,
in ein modernes Heim zu kommen, oder man kann das Pech haben, in einen Bereich
zu kommen, wo man 7- und 8-Bett-Zimmer hat.
Das kann doch nicht Ausdruck eines
Sozialverständnisses, sozialer Gerechtigkeit in dieser Stadt sein!
Meine Damen und Herren! Und wenn ich mir jetzt auch
die Zahlen anschaue, dann sehe ich in diesem Rechnungsabschluss, dass das wahre
Defizit irgendwo in einem Zahlendschungel verschwindet. Vieles ist ja nicht so
ausgewiesen. Das haben wir schon in den letzten Jahren diskutiert. Wenn wir uns
etwa das Vorwort zum Rechnungsabschluss 2003 ansehen: Da wird der
administrative Abgang nicht extra ausgewiesen. Man kann dann wieder behaupten,
dass das Budgetdefizit einfach doch nicht so niedrig ist, als es eigentlich
wäre, wenn man etwa die Fremdmittelaufnahmen 2003 hernimmt, immerhin
446,9 Millionen EUR, und diese Fremdmittel werden dann plötzlich wie
Einnahmen gesehen. Ist das Budgetsanierung, meine sehr geehrten Damen und
Herren?
Und das, was wir jetzt vermissen
in diesem Rechnungsabschluss, sind Investitionen, die die Wirtschaft
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