Gemeinderat,
43. Sitzung vom 19.05.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 78
32 Personen im Bereich des Sozialhilfevollzugs,
sonst bricht es zusammen, dann wird agiert. Auf die eigenen Leute hört man
nicht mehr. Im Sinne des New Public Managements hört man nur mehr auf Kontrolle
und nicht auf die diejenigen Menschen, die tagtäglich damit befasst sind. Und
das ist etwas, was sich nahtlos in die schwarz-blaue neoliberale Politik
einreiht. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Und gehen wir weiter: Was ist denn geplant bei der
Änderung des Sozialhilfegesetzes, Frau Wehsely? Ein zentrales Recht soll
gestrichen werden: Es gibt keine Bescheide mehr. Zumindest sind sie nicht mehr
im Gesetz drinnen, im Entwurf. Jetzt steht drinnen: Hat per Bescheid zu
ergehen. Dieser Satz fällt im Entwurf, der momentan kursiert, weg. Wiener
Sozialhilfegesetz – Entwurf. (GRin Mag Sonja Wehsely: Kenne ich nicht!) Also
das ist sehr traurig. Wenn ich es kenne und Sie kennen den Entwurf nicht, der
momentan kursiert, Wiener Sozialhilfegesetz, Pflegegeldgesetz,
Behindertenhilfegesetz, Heimhilfegesetz. Ich denke, Sie kennen es. Grundversorgungsgesetz.
Sie kennen es schon. Also sagen Sie nicht, Sie kennen es nicht. Sie können
vielleicht sagen, Sie haben es nicht gelesen. Aber im Entwurf, der kursiert,
fällt weg, dass ein Recht auf Bescheid besteht.
Was fällt denn noch weg in der Sozialhilfe? Ein
kleiner Satz fällt weg. Und es hat noch nicht einmal etwas zu tun mit dem Fonds
Soziales Wien. Aber es fällt weg, dass die Zuwendungen der freien
Wohlfahrtspflege nicht auf die Sozialhilfe anzurechnen sind. Der Satz fällt
einfach weg. Das heißt, wenn jemand sich darum kümmert, weil er in den
Sozialzentren zwei Monate warten muss, dass er von der freien Wohlfahrtspflege
eine Unterstützung kriegt, und er kriegt sie dann tatsächlich, kriegt er gleich
weniger Sozialhilfe. Das ist Ihre Art, Politik zu machen in Wien! Und das ist
die Art der Politik, die wir als GRÜNE ablehnen und die es mit uns ganz
bestimmt nicht gibt.
Sie reden von Ablaufoptimierung, Sie reden von
Kontrolle, Sie reden von Überprüfung – und Sie reden nicht davon, was meine Kollegin
Susanne Jerusalem auf den Punkt zu bringen versucht hat, wie dreckig es den
Menschen momentan geht, die darauf angewiesen sind, Sozialhilfe zu beziehen,
und die zwei Monate und länger warten müssen. Davon sprechen Sie nicht.
Und Sie sagen – zum Abschluss –, es gibt, bereits
bewilligt, 30 plus 11 Aufstockungen im Personalbereich. Wissen Sie
eigentlich, wo Sie die Personen unterbringen? Haben Sie die räumlichen
Voraussetzungen dafür geschaffen, dass diese Menschen dort tatsächlich auch
menschenwürdig arbeiten können? Da ist es wichtig, in einem Umfeld arbeiten zu
können, wo man sich wohl fühlt. Insbesondere, wenn sie mit
SozialhilfebezieherInnen zusammenarbeiten, die sich nicht ein maschinelles
Abfertigen erwarten, sondern ein Eingehen auf ihre Sorgen und Probleme.
Schaffen Sie die strukturellen Voraussetzungen dafür und versuchen Sie nicht,
mittels Sozialhilfegesetz in Wirklichkeit die BezieherInnen von Sozialhilfe
weiter rechtlos zu machen. Es kann nicht sein, dass in einem angeblich sozialen
Roten Wien Menschen zwei, drei Monate darauf warten müssen, dass sie
lebensnotwendige Unterstützung erhalten. Das ist eine Schande für Wien! –
Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Renate Winklbauer: Als
Nächster zu Wort gemeldet ist der Herr GR Walter Strobl. Ich erteile es ihm.
GR Walter Strobl (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen und
Herren!
Die Betroffenheit bei den Sozialhilfeempfängern, bei
den Kindern hat im letzten Jahr um 34 Prozent zugenommen. Das heißt, in
der Altersgruppe der 0- bis 14-Jährigen haben wir einen eklatanten Anstieg der
Betroffenheit im Sozialhilfebereich. Nun wissen wir, dass Kinderarmut ein
vielschichtiger Begriff ist, der sich natürlich über das Einkommen, also
geringes Einkommen, und kinderreiche Familien bis hin zu den
Sozialhilfeempfängern zieht.
Es geht um die Bewältigung der wichtigsten
Lebensbereiche und vor allem um die Rahmenbedingungen. Und hier, meine Damen
und Herren, ist es so, und das zeigt eine Studie der Caritas sehr deutlich:
Würde nicht der Bund eine sehr ausgewogene und massive Sozial- und
Familienbetreuung im finanziellen Bereich vorsehen, wäre die Armutsgefährdung,
die derzeit 13 Prozent beträgt, doppelt so hoch. Das zeigt die Studie der
Caritas.
Das heißt, meine Damen und Herren, ich verstehe
überhaupt nicht, wie Sie sich trauen, hier ans Rednerpult zu gehen und zu
sagen: An allem, aber das ist ja Ihre Lieblingssprechform geworden, an allem,
wenn es schlechtes Wetter hat, wenn ein Blitz wo einschlägt, dann ist ganz
sicher diese Bundesregierung schuld. Nur, meine Damen und Herren, Sie kommen
immer mehr in Argumentationsnotstand. Sie können das nicht belegen, was Sie
hier behaupten. Und wir werden nicht aufhören, das der Bevölkerung und Ihnen
immer wieder aufs Neue zu sagen. (Beifall bei der ÖVP. – GRin Mag Sonja
Wehsely: Siehe Arbeiterkammerwahl!)
Aber, meine Damen und Herren, schauen wir es uns an:
Was machen Sie, um diese Jugendarmutsgefährdung zu verhindern? Wir haben zweifelsohne
in Wien ein gut ausgebautes Kinderbetreuungsnetz. Aber es endet diese
Gefährdung nicht vor dem 6. Lebensjahr. Es geht danach weiter.
Und da stellt sich die Frage: Was macht Wien zum
Bereich der ganztägigen Schulbetreuung? Sie schreien zwar. Sie geben gute Tipps
weit hinaus ins Land, vergessen aber dazuzusagen, dass diese Gesetzgebung
allein Landessache ist. Es liegt an Ihnen – Sie haben hier die absolute
Mehrheit –, im Kollegium die entsprechenden Beschlüsse herbeizuführen, um
ganztägige Schulen einzurichten.
Ich wiederhole mich hier, weil ich
das schon mehrmals gesagt habe. Aber es ist nun einmal so. Wir haben von
273 Volksschulen nur 36 Standorte, die ganztägige Betreuung anbieten.
Das sind sage und schreibe 13 Prozent. Wir haben in der Hauptschule
33 Standorte, das sind 27,5 Prozent. Warum ist das von einer
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