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Gemeinderat, 43. Sitzung vom 19.05.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 78

 

Wir müssen die Frage stellen: Woher kommt jetzt dieser große Mehrbedarf? Und jetzt weiß ich schon: Verursacher ist nicht Wien. Der Anstieg ist ja tatsächlich zurückzuführen auf diese überdurchschnittlich hohe Anzahl von Langzeitarbeitslosen, die früher oder später dann in der Sozialhilfe landen, ist zurückzuführen auf Working Poor, auf neue Selbstständige und atypisch Beschäftigte, die in der Sozialhilfe landen, und auf immer mehr junge Menschen, die in der Sozialhilfe landen.

 

Egal, Verursacher Bund ist schon klar, aber es gibt ein Sozialhilfegesetz, und dieses Sozialhilfegesetz haben wir hier in Wien zu vollziehen. Und dieses Sozialhilfegesetz sagt unter anderem, dass die Sozialhilfe rechtzeitig einzusetzen hat, dass sie sogar vorbeugend gewährleistet werden muss und so weiter und so fort.

 

Wir sind mit der Tatsache konfrontiert, dass in Wien die Sozialhilfe nicht mehr vollzogen wird. Die GRÜNEN haben das oft gesagt. Die GRÜNEN haben in den letzten zwei Jahren oft gefordert: 1. Dieses Gesetz ist zu vollziehen. 2. Wir brauchen mehr Personal. Wir brauchen viel mehr Personal, um dieses Gesetz vollziehen zu können.

 

Und jetzt komme ich noch einmal zurück zur Frau Meier, die, wie gesagt, kein Einzelfall ist. Diese Frau Meier hatte am 13. Mai, man glaubt es kaum, nur noch einen halben Mohnstrudel und sonst nichts zu essen. Und da stellt sich dann schon, bei aller Zurückhaltung, die Frage: Gibt's das? Gibt's das, dass in Wien Menschen zu Hause sitzen und wirklich nichts mehr zu essen haben, sich nicht zu helfen wissen, mittellos sind und nichts bekommen von der Sozialhilfe, außer einen Termin in sechs bis acht Wochen?

 

Wir haben der Frau Meier schon geholfen, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Sie sitzt jetzt nicht seit dem 13. Mai mit einem halben Mohnstrudel in ihrer Wohnung. Aber es kann nicht so sein, dass jemand bei einer Partei anrufen muss, damit ihm geholfen wird.

 

Meine Damen und Herren! Es gibt dringenden Handlungsbedarf. Und es geht nicht an, dass sich am 1. Mai sozialdemokratische Politiker hinstellen und Reden halten, Reden gegen die herzlose Politik der schwarz-blauen Regierung und selbst in Wien nichts anders machen. Hier gibt es einen Handlungsauftrag. Das Sozialhilfegesetz ist zu vollziehen. Ein Gesetz, das Sie übrigens sehr zum Nachteil der KlientInnen zu ändern gedenken.

 

Sie haben heute einen "Strategieplan für Wien" ausgeteilt, und aus dem möchte ich kurz abschließend zitieren. Hier drinnen steht: "Es wird ein völlig neues Konzept geben. Die Sozialzentren bieten ein maßgeschneidertes Hilfsangebot." Wo ist das, bitte? "Die Teams betreuen, beraten, unterstützen gemeinsam mit den Hilfesuchenden." Wo, bitte, findet das statt? Kann gar nicht, weil der Personalmangel ein derartig großer ist.

 

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass wir jetzt eine konstruktive Debatte zu diesem Thema haben werden. Ich hoffe und gehe davon aus, dass der Gemeinderat beschließen wird – einen Antrag habe ich abgegeben –, dass der Personalmangel behoben wird. Und ich gehe davon aus, dass das zweijährige Desaster demnächst beendet wird. – Ich danke Ihnen schön. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Renate Winklbauer: Für weitere Wortmeldungen bringe ich in Erinnerung, dass sich die Damen und Herren des Gemeinderates nur einmal zu Wort melden dürfen und ihre Redezeit mit fünf Minuten begrenzt ist.

 

Als nächste Rednerin hat sich Frau GRin Korosec gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

 

GRin Ingrid Korosec (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Der Vollzug im Sozialbereich, im Sozialamt in Wien ist ein Skandal, denn er ist menschenverachtend und menschenunwürdig. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die Frau Kollegin Jerusalem hat ja leider mit traurigen Beispielen das heute hier aufgezeigt. Und das leistet sich eine sozialdemokratische Alleinregierung, wo angeblich der Mensch zählt! Man sieht, wie viel er zählt!

 

Und wissen Sie, was vor allem der Skandal ist? Der Skandal ist die Gleichgültigkeit dieser Alleinregierung. Man sieht es ja auch wieder an den leeren Reihen. Das interessiert Sie ja gar nicht, weil die heutige Aktuelle Stunde ist seit Jahren, bitte, aktuell. Es wurde darauf hingewiesen, immer wieder wurde aufgezeigt, es wurden Lösungsvorschläge gebracht. Es wurde ignoriert. Vor allem die Frau VBgmin Laska, die bisher dafür zuständig war, hat es einfach ignoriert. Es wurde heruntergeredet, herumgeredet, abgestritten, schöngefärbt. Und das war's dann. Und auf der Strecke bleiben die Menschen, die unsere Hilfe brauchen.

 

Und das sind keine Bittsteller, meine Damen und Herren. Die Betroffenen haben einen Rechtsanspruch darauf, ein Anrecht darauf, dass sie anständig behandelt werden. Das braucht man nur zu tun, das kostet überhaupt nichts. Aber Herz und Hirn ist da gefragt.

 

Ein Anrecht darauf, umfassend und bestmöglich informiert und beraten zu werden. Und ein Anrecht vor allem darauf, dass aktivierende Sozialhilfe geleistet wird, damit die Menschen irgendwann und irgendwie sich wieder fangen können. Denn Sozialhilfe darf nicht Abstellgleis bedeuten; dass man von den Menschen nichts mehr erwartet, weil sie nichts mehr wert sind.

 

Sozialhilfe heißt für mich, aktiv den Betroffenen zu helfen. Und hier gibt es gravierende Mängel, es gibt auch Verfahrensmängel, es gibt Rechtsschutzdefizite et cetera et cetera.

 

Das wurde von der Opposition immer wieder aufgezeigt, es wurde aber auch immer wieder von der Volksanwaltschaft objektiv dargestellt. Und ich bin Zeitzeuge. Ich war sechs Jahre Volksanwältin, jetzt bin ich wieder drei Jahre hier, die Zeit vergeht sehr rasch. Und schon zu Beginn meiner Tätigkeit als Volksanwältin war das ein Thema bei jedem Bericht.

 

Also Sie sind nicht lernfähig. Es wäre aber Ihre Aufgabe, rasch, unbürokratisch, bedarfsgerecht und bürgernah zu helfen. Wartezeiten von mehreren Wochen, das ist ja unglaublich. Das ist raschest abzustellen. Termine bei der Schuldnerberatung dauern noch länger.

 

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