Gemeinderat,
39. Sitzung vom 30.01.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 64
Verkehrsdienstleistern erbringen, der Mehrwertsteuerpflicht zu unterwerfen. Dennoch enthebt dies meines Erachtens die Stadt Wien nicht davon, Verträge abzuschließen, die im Sinne der Kundenzufriedenheit und der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen Qualitäts- und Quantitätskriterien definieren und gleichzeitig auch sicherstellen, was passiert, sollten diese Qualitäts- und Quantitätskriterien nicht eingehalten werden.
All dies ist durch diesen Verkehrsdienstevertrag
nicht gewährleistet und daher lehnen wir ihn ab. - Ich danke Ihnen. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Als
Nächster zum Wort gemeldet ist der Herr Mag Gerstl. Ich erteile es ihm.
GR Mag Wolfgang Gerstl (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Herr
Berichterstatter! Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister!
Eigentlich würde ich mir wünschen, dass wir zum Thema
„Verkehrsdienstevertrag“ auch den Verkehrsstadtrat hier hätten.
Denn
eigentlich geht es beim Verkehrsdienstevertrag um verkehrspolitische Lösungen
und eigentlich geht es darum, wie wir die Ziele, die im Masterplan vorgegeben
sind, auch erreichen können, nämlich dass wir den Modal split in Zukunft entsprechend
verbessern oder, wie wir ihn festgeschrieben haben, bis 2020 im Verhältnis 45
zu 55 erreichen.
Es ist –
ich glaube, das ist schon öfters von dieser Stelle kritisiert worden – ein
besonderes Zeichen der Wiener Gemeindepolitik, dass für solche verkehrspolitischen,
sehr relevanten Fragen nicht der Verkehrsstadtrat, sondern der Finanzstadtrat
zuständig ist.
Es ist
auch sehr bezeichnend, dass der erste Oppositionsredner in seinen Ausführungen
besonders darauf Wert gelegt hat, sich mit Fragen auseinander zu setzen,
welcher juridischen Natur dieser Verkehrsdienstevertrag nun angehört und wie er
finanzpolitisch zu behandeln wäre. Erst in weiterer Folge kam er dazu, diesen
Vertrag wirklich verkehrspolitisch zu betrachten. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Also beides!), aber es wäre
doch gerade umgekehrt der richtigere Ansatz. Die Schwierigkeit liegt gerade
darin, dass wir nun offensichtlich finanzpolitisch einen Verkehrsdienstevertrag
ausverhandelt haben und uns darüber beklagen, dass der Verkehrsdienstevertrag
die Ziele, die wir uns als Opposition gewünscht hätten, nicht erreicht, weil
finanzpolitische Gründe dagegensprechen.
Meine Damen und Herren, das ist nicht der Zugang der
Österreichischen Volkspartei zu sagen, es geht um die Gründe der Umsatzsteuer oder
ob es ein Leistungsvertrag, ein Zuschuss oder eine Subvention ist. Nein, es
muss um verkehrspolitische Fragen gehen. Das gilt es auch einmal im Rahmen der
Gemeinde Wien zu ändern. (Beifall bei der ÖVP.)
Doch nun, meine Damen und Herren, ganz konkret zu
diesem Verkehrsdienstevertrag. Es war im Sommer 2002, als wir als
Österreichische Volkspartei zum ersten Mal darauf aufmerksam machen durften,
dass mit Ende 2002 der Verkehrsdienstevertrag ausläuft und dass damit ab
1. Jänner 2003 ein vertragsloser Zustand zwischen der Gemeinde Wien
und den ÖBB betreffend Nahverkehr besteht. Kann so etwas ein Ziel sein, einen
vertragslosen Zustand zu haben, wo es nämlich um 220 000 Pendler
geht, die täglich nach Wien reisen, wovon zwar 60 Prozent Individualverkehr,
aber 40 Prozent auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind, dass
man diese Pendler über ein Jahr eigentlich in Geiselhaft genommen hat, sie
weiterhin den Zugsgarnituren auszusetzen, weil die Gemeinde Wien nicht in der
Lage war, einen Verkehrsdienstevertrag schneller als in 18 Monaten
abzuschließen?
Das kann, meine Damen und Herren, nicht der Zugang
sein, wie man Nahverkehr in Österreich oder in Wien verbessern kann. Dies kann
nicht der Zugang sein, dass man sich wahrscheinlich wieder hier herausstellen
wird und die Bundesregierung beklagt. Hier ist ganz allein die Gemeinde Wien
schuld und dafür verantwortlich, 18 Monate zu benötigen, einen
Verkehrsdienstevertrag auszuverhandeln. (Beifall bei der ÖVP.)
Was ist dann nach 18 Monaten herausgekommen?
Die Gemeinde Wien zahlt jährlich denselben Zuschuss
an die ÖBB, wie sie ihn bereits in den vergangenen Jahren bezahlt hat. Haben
wir dafür 18 Monate gebraucht?
Zweiter Punkt: Die Gemeinde Wien gewährt einen
Zuschuss auf 25 Jahre mit einer Million per anno für den Ankauf des
Nahverkehrstriebwagens "Talent". Das ist positiv hervorzuheben. Doch
wie viele davon und ab wann werden sie bestellt?
Meine Damen und Herren, im Vertrag wurde
ausverhandelt, dass die ÖBB bis Ende 2005 – jetzt haben wir
Anfang 2004, also knappe zwei Jahre – die ersten zehn Stück Triebwagen der
Gruppe "Talent" als Ersatz für die alten "40/20" einsetzt.
Medial wird das schon so dargestellt, als ob wir in den nächsten Tagen schon in
den neuen Triebwagen sitzen würden und uns über die ganz tollen neuen
Errungenschaften freuen können, die wir in Wien haben, was Wien alles geleistet
hat. Zwei Jahre warten wir, bis die ersten "Talente" eingesetzt
werden, und dann haben wir nur zehn Stück insgesamt. Damit wir das beleuchten,
wie viel das ist: Insgesamt haben wir 70 Fahrzeuggarnituren, die jeden Tag
in Wien unterwegs sind. Das heißt, nur ein Siebentel wird ersetzt.
Meine Damen und Herren, das stellt man nun als ganz
tolle Nahverkehrsförderung dar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das
wirklich ernst meinen, auch wenn es im Vertrag danach noch heißt, die ÖBB
beschaffen noch weitere 20 Stück, und zwar bis zum Fahrplanwechsel 2007.
Im Jahr 2007 haben wir dann schon 30 Stück. Das heißt, von heute an
gesehen, müssen wir noch drei Jahre bis 2007 zuwarten. Dann haben wir
30 Stück. Aber dann haben wir noch immer nicht alle Triebwagen
ausgetauscht, sondern nur 40 Prozent. Das heißt, mehr als jeder zweite
Triebwagen wird auch im Jahr 2007 einer der alten
"40/20"–Garnituren sein.
Meine Damen und Herren, das ist
uns eindeutig zu wenig. Sie haben es verabsäumt, die Verhandlungen so zu führen
oder so viel Geld in die Hand zu nehmen, dass auch in Wien spätestens 2007 alle
Fahrzeuggarnituren
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