Gemeinderat,
38. Sitzung vom 16.01.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 35
anfangen zu schmunzeln, denn vielleicht fällt der ÖVP wieder
ein, wer den Spruch von der Zwangstagesschule geprägt hat, nämlich die ÖVP und
sonst überhaupt gar niemand! Wenn hier Zahlen verwendet werden, dann soll man
diese Zahlen auch richtig verwenden.
Die ganztägige Betreuung in Wien gibt es eben nicht
nur in den Ganztagsschulen und in den offenen Schulen, sondern vor allem auch
in den Lern- und Freizeitklubs und in vielen Horten der Stadt Wien. Daher ist
es natürlich richtig, dass jedes Kind, das eine ganztägige Betreuung haben
will, diese in Wien auch haben kann.
Ich möchte abschließend noch auf zwei Dinge eingehen:
Das erste, was ich ganz interessant finde, ist, dass hier das Misstrauen
ausgesprochen wird, das Misstrauen in der täglichen Arbeit sich aber ein
bisschen anders darstellt. Ich habe mir das Abstimmungsverhalten in unserem
Gemeinderatsauschuss seit 1994 angesehen. 1994 wurden 75 Prozent der
Akte von allen damals im Gemeinderat vertretenen Parteien einstimmig
beschlossen. Diese Quote ist dann zur Zeit der Regierung der SPÖ und der ÖVP
abgesackt, denn in Zeiten der Koalitionsregierung wurden zum Beispiel 1997
nur 53 Prozent der Akte einstimmig beschlossen. Aber wir haben uns - und
das finde ich sehr gut und erfreulich - wieder hochgearbeitet und im
Jahr 2003 wurden über 74 Prozent der vorgelegten Akte einstimmig im
Gemeinderat beschlossen. Das heißt, es besteht hier ja grundsätzlich eine sehr
große Übereinstimmung darin, dass das, was in Wien passiert, für die Menschen
in dieser Stadt gut und richtig ist, auch wenn das heute hier anders
dargestellt wird. (GR Johannes Prochaska: Also habt ihr das gehört!)
Wien ist eine Stadt, in der die soziale Sicherheit trotz
schwieriger Rahmenbedingungen sichergestellt ist. Tatsache ist, dass die
Bundesregierung alles tut, was möglich ist, um Wien hier zu schaden. Der
Bundeskanzler Schüssel hat angekündigt, dass es darum geht, Wien zu knacken.
Tatsache ist, dass die Steuerreform für die meisten Menschen die
Belastungswelle von Grasser und Finz nicht wett macht und dass sie andererseits
die Länder und Gemeinden 100 Millionen EUR kostet und es daher den
Ländern und Gemeinden auch immer schwerer gemacht wird, ihre Aufgaben so zu
erfüllen wie sie diese Aufgaben erfüllen wollen.
Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP und von der
FPÖ! Sie sind von den Wienerinnen und Wienern gewählt, und Sie haben die
Aufgabe, die Interessen dieser Stadt und die Interessen der Wienerinnen und
Wiener zu vertreten! (GR Dr Matthias Tschirf: Ja, ja!) Wenn Sie daher
gerne Misstrauen aussprechen wollen, dann würde ich Ihnen vorschlagen, sprechen
Sie dieses Misstrauen nicht Mitgliedern der Wiener Stadtregierung aus, die für
dieses hohe Niveau in dieser Stadt verantwortlich sind und zwar für das hohe
Niveau in absoluten Zahlen (GR Johannes Prochaska: Gebühren und Tarife!
Arbeitslosigkeit! – GR Dr Matthias Tschirf: Arbeitslosigkeit!) und im
Vergleich mit allen europäischen Metropolen, sondern sprechen Sie das
Misstrauen dieser Bundesregierung aus, die den Wienerinnen und Wienern schadet!
(Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Ich
danke der Rednerin.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte
ich bekannt geben, dass der Herr Abg Tschirf einen Ordnungsruf für die Frau Abg
Mag Wehsely haben will, weil sie „Anamnese“ gesagt hat. Das sei eine schwere
Krankheit. (VBgmin Grete Laska: Amnesie! – GR Christian Oxonitsch: Amnesie!)
Amnesie, Entschuldigung! Ich werde mir das Protokoll kommen lassen, werde
jetzt keinen Ordnungsruf erteilen und nachsehen, ob es direkt gemeint war, weil
man ja an und für sich sagt, wenn jemand etwas vergisst, wo er lange dabei war,
auch so im Wienerischen: „Ach, hast eine Amnese, net? Hast Gedächtnisschwund,
vergisst was?“ Wie gesagt, ich werde das zuerst lesen und dann entscheiden, ob
ich diesen Zwischenruf auf dich persönlich gemünzt lese. Aber ich glaube, das
ist so allgemein gewesen. Ich habe es überhaupt nicht gehört, gebe ich auch zu.
(Heiterkeit bei der SPÖ.)
Als Nächster zum Wort gemeldet ist der Herr GR Mag
Margulies. Ich erteile es ihm. Ach, Diplom-Ingenieur.
GR Dipl Ing Martin Margulies (Grüner
Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau
Vorsitzende!
Ganz nachvollziehbar ist es mir nicht, dass der
Kollege Tschirf auch für die ÖVP in Summe einen Ordnungsruf verlangt, wenn man
über Amnesie redet, weil die Vergesslichkeit Ihrerseits, auch die der
Freiheitlichen und auch die der Sozialdemokratie, was politische Verantwortung betrifft,
ist wohl in Summe nicht zu übertreffen! Politische Verantwortung ist in
Österreich mittlerweile ein Fremdwort, ein Fremdwort auf Bundesebene für ÖVP
und Freiheitliche, ein Fremdwort in Wien für die Sozialdemokratie!
Wer der Gemeinderätin und Kollegin Sonja Wehsely
zugehört hat, erkennt die typische Verteidigungsstrategie der Wiener
Sozialdemokratie: Alles ist super, der Bund ist schuld.
Frau Kollegin Wehsely! Fast alles, was Sie über die
Politik der Bundesregierung gesagt haben, teile ich. Ich könnte jetzt bei dem
einen oder anderen Punkt ein paar abweichende Bemerkungen hinzufügen, aber um
meine Rede jetzt nicht in die Länge zu ziehen, lasse ich es dabei bestehen.
Insbesondere geht es natürlich auch darum, wie sich
die Wiener ÖVP und die Wiener Freiheitlichen im Zuge des Finanzausgleichs auch
innerhalb ihrer Fraktion dafür eingesetzt haben, dass dem Land Wien und der
Gemeinde Wien ausreichend finanzielle Mitteln zur Verfügung gestellt werden.
Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie da ganz massiv
versucht hätten, Ihre Parteifreunde zu überzeugen, dass es nicht angehen kann,
dass man permanent auf Kosten der Gemeinde Wien das Budget angeblich saniert
und in Wirklichkeit sowieso das Nulldefizit nicht zusammenbringt! Wien ist das
Bundesland, das bei den Finanzausgleichsverhandlungen, die von Ihrer
Bundesregierung geführt wurden, am meisten verloren hat und
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